Analyse von Routinedaten

Prof. Dr. med. Antonius Schneider, Institut für Allgemeinmedizin der Technischen Universität München (TUM), Klinikum rechts der Isar:

Die Analyse von Routinedaten ermöglicht die Beschreibung eines breiten Versorgungsgeschehens, unter anderem bis hin auf Gesundheitssystemebene. Besondere Herausforderungen ergeben sich dadurch, dass die zu analysierenden Daten nicht zu Forschungszwecken dokumentiert werden, sondern im Rahmen von Routinetätigkeiten, also vor allem bei Abrechnungs- und Qualitätsmanagementprozessen anfallen. Dadurch sind die Daten nicht einfach abrufbar wie bei einer Forschungsdatenbank, sondern müssen entsprechend aufbereitet werden, um sie einer strukturierten Analyse zuführen zu können. Darüber hinaus variiert auch die Dokumentationsqualität, so dass Analysen sehr vorsichtig durchgeführt werden müssen, um Bias zu vermeiden. Auch die resultierenden Ergebnisse müssen mit Umsicht interpretiert werden. Die Auswertung der Disease Management Programme (DMP) ist hierbei noch verhältnismäßig einfach, da die Dokumentation strukturiert erfolgt. Bezüglich des DMPs Asthma bronchiale sind in den ersten vier Jahren eine Verbesserung der Pharmakotherapie und des Selbstmanagements der Patienten zu verzeichnen. Dies geht mit einer Reduktion der Hospitalisierung einher. Ursächlich hierfür könnte die Notwendigkeit der Dokumentation einer evidenzbasierten Therapie, die Schulungsmaßnahmen der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns und die flankierende Einführung der Nationalen Versorgungsleitlinie Asthma sein, was unter Umständen zu einer Sensibilisierung beigetragen hat. Die Analyse des DMP COPD zeigt ein heterogenes Bild. Die Qualität der Versorgung scheint bezüglich einer evidenzbasierten Medikation zuzunehmen, wobei immer noch überraschend viele Patienten orales und inhalatives Kortison als Dauermedikation erhalten. Der ungünstige Krankheitsverlauf, operationalisiert anhand der stationären Notfallaufnahmen, scheint jedoch nicht aufgehalten werden zu können, was dem natürlichen Krankheitsbild der COPD, das durch eine kontinuierliche Abnahme der Lungenfunktion gekennzeichnet ist, entspricht. Andere Studien zeigen durchaus eine Reduktion von Hospitalisierung bei intensiviertem Patientenmanagement, so dass überlegt werden muss, wie die Versorgung von COPD-Patienten im Rahmen des DMPs weiter verbessert werden kann. Gleichzeitig zeigt die Analyse, dass Routinedaten umsichtig analysiert und mit Vorsicht interpretiert werden müssen. Drop-outs und Neuzugänge im DMP müssen dringend berücksichtigt werden, um nicht ein verzerrtes Bild der Versorgung zu erhalten. Der Fakt einer zunehmenden Hospitalisierung innerhalb der Kohorte spricht eher gegen eine Manipulation der Daten durch die betreuenden Ärzte, um ein idealistischeres Bild ihres ärztlichen Handelns zu zeichnen, als es der Realität entspricht. Aktuell wird dieser Aspekt vor dem Hintergrund einer variierenden Dokumentationsqualität strittig diskutiert. Es muss einschränkend festgestellt werden, dass definitive Schlussfolgerungen im Hinblick auf die Effektivität schwierig sind, da die breitflächige Einführung der DMPs keinen Vergleich mit einer Kontrollgruppe ermöglicht.
Ein weiteres Projekt wird derzeit vom Zentralinstitut der Kassenärztlichen Vereinigungen (ZI) gefördert. Im Rahmen dieses Projekts werden die Auswirkungen der Steuerungsfunktionen durch den Hausarzt anhand der Routinedaten der gesetzlich versicherten Menschen in Bayern analysiert. Letztlich soll hierbei ermittelt werden, wie sich die Inanspruchnahme von ärztlichen Leistungen bei Patienten aus dem städtischen und ländlichen Raum unterscheidet.

Publikationen

  • Mehring M, Donnachie E, Mutschler R et al. Disease management programs for patients with asthma in Germany: a longitudinal population-based study. Respir Care 2013; 58: 1170-7.
  • Mehring M, Donnachie E, Fexer J et al. Disease Management Programs for Patients with chronic obstructive pulmonary disease in Germany - A longitudinal evaluation of routinely collected patient records. Respir Care 2013; im Druck.

Projekte