Geriatrische Aspekte in der hausärztlichen Versorgung

Prof. Dr. med. Antonius Schneider, Institut für Allgemeinmedizin der Technischen Universität München (TUM), Klinikum rechts der Isar:

Der demografische Wandel führt unter anderem auch zu einer Veränderung der hausärztlichen Aufgaben. Chronische Erkrankungen und Multimorbidität, oft verbunden mit Multimedikation, rücken in den Vordergrund hausärztlicher Tätigkeit. Die Anzahl der pflegebedürftigen Patienten, die entweder zu Hause oder in Pflegeeinrichtungen ärztlich betreut werden müssen, nimmt zu und erfordert eine gute Kooperation mit Angehörigen von Pflegeberufen und anderen Berufsgruppen. Aufgrund dieser drängenden Herausforderungen wurde am Institut für Allgemeinmedizin der TU München ein entsprechender Schwerpunkt entwickelt. Bisher wurden drei größere Projekte zu geriatrischen Themen durchgeführt, die exemplarisch aufzeigen sollen, was bei einer Optimierung der Versorgung einer alternden Bevölkerung zu berücksichtigen ist:

In einer Befragung bei 513 der über 50jährigen Einwohner der oberfränkischen Gemeinde Markt Heiligenstadt wurden die Teilnehmer nach ihren Wünschen für das Wohnen und die pflegerische und ärztliche Versorgung im Alter befragt (1). Die große Mehrheit der Befragten (90%) äußerte den Wunsch, im Alter zu Hause versorgt zu werden, was bei guter sozialer Vernetzung und meist vorhandenem Wohneigentum auch realisierbar erscheint. Die ärztliche Versorgung in dieser Gemeinde ist stark hausarztzentriert. Da die zwei ortsansässigen Hausärzte auf das Rentenalter zugehen, müssen Maßnahmen getroffen werden, die hausärztliche Versorgung in dieser Region zu erhalten.

In einem anderen Projekt wurde an 108 über 80jährigen Patienten untersucht, welche von zwei Kreatinin-basierten und drei CystatinC-basierten Formeln zur Berechnung der Nierenfunktion im Resultat zur stärksten Änderung der Medikation der Patienten bei erforderlicher Dosisanpassung an die Nierenfunktion führt (2). Als Grundlage zur Überprüfung, ob eine Dosisanpassung erforderlich ist, wurden fünf verschiedene Literaturquellen verwendet. Den größten Einfluss an die Dosisanpassung der Medikation bei eingeschränkter Nierenfunktion hatte nicht die ausgewählte Berechnungsformel, sondern die Literaturquelle, die verwendet wurde. Das bedeutet, dass die Literaturangaben zur Dosisanpassung bei Niereninsuffizienz sehr stark variieren und hier eine Unsicherheit für die verordnenden Ärzte erzeugen.

Im Auftrag des Bayerischen Sozialministeriums wurde eine Befragung in 52 bayerischen Pflegeeinrichtungen mit 540 Heimmitarbeitern, Haus-, Fach- und Zahnärzten sowie Angehörigen und Bewohnern durchgeführt, mit dem Ziel, einen Kriterienkatalog für eine gelungene Zusammenarbeit zwischen Pflegeeinrichtungen und Ärzten zu entwickeln. Im Rahmen des Projekts wurden semiquantitative Fragebogeninterviews und zwei Fokusgruppeninterviews durchgeführt. Hierbei wurde nach der Zufriedenheit mit der Kooperation der Berufsgruppen, sowie nach Wünschen und Verbesserungsvorschlägen gefragt. Der Kriterienkatalog wurde in einem Review-Verfahren mit dem Sozialministerium, dem Gesundheitsministerium und mit einer Unterarbeitsgruppe aus Leistungserbringern, Vertretern der Krankenkassen und Vertretern der Aufsichtsbehörden entwickelt. Diesbezügliche Publikationen sind in Vorbereitung.

(1) Karsch-Völk M, Landendörfer P, Linde K, Egermann A, Troeger-Weiß G, Schneider A: Medizinische und kommunale Herausforderungen einer alternden Gesellschaft im ländlichen Bereich – Ergebnisse einer Erhebung in der oberfränkischen Gemeinde Markt Heiligenstadt. Das Gesundheitswesen 2012; 74: 410-415

(2) Karsch-Völk M, Schmid E, Wagenpfeil S, Linde K, Heemann U, Schneider A. Kidney function and clinical recommendations of drug dose adjustment in geriatric patients. BMC Geriatr. 2013 Sep 10;13:92. doi: 10.1186/1471-2318-13-92.