Die Maul- und Klauenseuche (MKS)

Geschichte und Erreger

Die erste schriftliche Erwähnung der Krankheit datiert auf 1514, als Fracastorius in Italien ein entsprechendes Krankheitsbild beim Rind beschrieb. Im Rahmen der ersten Versuche zur Abgrenzung von Krankheitserregern, die kleiner als Bakterien sind, gelang es Loeffler und Frosch 1897/98 ein filtrierbares Agens als Erreger der MKS nachzuweisen. Später wurde das Genom des Erregers als Einzelstrang-RNA mit positiver Orientierung identifiziert. Es umfasst 8.500 Nukleinsäurebasen, die von vier Strukturproteinen umgeben sind, welche ein unbehülltes ikosahedrisches Kapsid bilden. Das Maul- und Klauenseuchevirus (MKSV, engl. foot and mouth disease virus, FMDV) ist der Prototyp des Genus Aphthovirus in der Virusfamilie Picornaviridae (lat. pico = klein).

Vom MKSV sind sieben Serotypen bekannt, wobei innerhalb der Serotypen zahlreiche Untertypen (sog. Topotypen) vorkommen. Die sieben Serotypen werden historisch als A (für Allemagne), O (für departement „Oise“), C und Asia 1 sowie South African Territories (SAT) 1-3 bezeichnet. Ausbrüche der MKS sind in allen nutztierhaltenden Regionen der Welt mit Ausnahme von Neuseeland vorgekommen. Momentan kommt die MKS außer in Australien und Nordamerika (letzter Ausbruch 1929) in allen Kontinenten enzootisch vor. Das Virus befällt alle Klauentiere inklusive der Nutztiere Rind, Schwein, Schaf und Ziege sowie über 70 verschiedene Wildtierspezies.

Klinik

Die MKS ist charakterisiert durch Fieber, Lahmheit und anfänglich vesikuläre (Bläschenbildung), später erosiv-ulzerierende Haut- und Schleimhautläsionen. Die MKS ist gefürchtet als eine der Infektionskrankheiten mit höchst effizienter Ansteckungsrate. Problematisch ist ferner, dass kleine Wiederkäuer und verschiedene Wildtiere in der Regel nur milde klinische Symptome entwickeln und daher im Infektionsgeschehen häufig unerkannt bleiben. Einzelne infizierte Tiere können auch zu sogenannten Virusträgern (engl. „carrier“) werden und bis zu drei Jahren das Virus ausscheiden, ohne eine klinische Symptomatik zu entwickeln. Obwohl die MKS bei erwachsenen Tieren keine hohe Mortalität bewirkt, verursacht sie eine allgemeine Leistungsminderung mit Gewichtsverlusten, gravierendem Rückgang der Milchleistung und der Reproduktionsleistung über längere Zeiträume. Bei Jungtieren kann die Mortalität hoch sein, insbesondere in Folge von Herzmuskelschäden (sog. Tigerherz), die das Virus bei jungen Tieren verursachen kann. Die klinische Diagnose wird erschwert durch eine Reihe ähnlicher Krankheitsbilder, die dem „Vesikulärkomplex“ zugeordnet werden. Dazu zählen unter anderem die vesikuläre Stomatitis (VSV, Rhabdovirus), das Vesikulärexanthem (VE, Calicivirus) und die Vesikulärkrankheit (swine vesicular disease, SVD, porcines Enterovirus-Picornavirus) der Schweine. Bei Rind und Schaf gibt es eine Reihe von Krankheitsbildern mit Haut- und Schleimhautveränderungen, die der MKS ähnlich sind. Es ist deshalb bedeutsam, bei unklarer klinischer Symptomatik labordiagnostisch die MKS immer auszuschließen.

Epidemiologie und Bekämpfung

Seit Beginn des 20. Jahrhunderts ist die MKS eine ständige Bedrohung. Sie wird unverändert als die handelspolitisch bedeutendste Infektionskrankheit wahrgenommen und von der Office International des Epizooties (O.I.E.) in der Liste der international wichtigsten Tierseuchen geführt. In Deutschland unterliegt die MKS der Anzeigepflicht.

In Europa kamen MKS-Ausbrüche im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert zwar nur sporadisch vor, hatten aber immer verheerende Konsequenzen. Anfang der 50er Jahre registrierten einige westeuropäische Länder (unter anderem auch Deutschland) 10.000 bis 100.000 Ausbrüche pro Jahr. Erste inaktivierte Impfstoffe wurden schon um 1930 in Deutschland hergestellt. Aber erst durch die Impfstoffherstellung über infiziertes bovines Zungenepithel (Frenkel Vakzine) und später durch Virusvermehrung in Zellkulturen (BHK-21 Zellen) und den Einsatz von Adjuvantien konnte eine kommerzielle Impfstoffproduktion verwirklicht werden. Als Ergebnis konsequenter Impfprophylaxe konnten beachtenswerte Erfolge im Kampf gegen MKS erzielt und die Seuche immer weiter zurückgedrängt werden. Schließlich wurden nur noch sehr limitierte, kleinere Ausbrüchen in Europa (Balkan, Italien, Russland) berichtet, so dass seit 1989 die EU eine Nicht-Impfpolitik propagiert. In der Türkei, in Afrika sowie in vielen Ländern Asiens und in Teilen Südamerikas kommt die MKS endemisch vor.

Eine Frau in Tracht schaut auf eine bergige Landschaft. Unten steht: Zur Erinnerung an die ´Maul- und Klauenseuche

Abbildung 2: Bild zur Erinnerung an die Maul und Klauenseuche im Jahr 1911

Wiederauftreten der MKS

Nach Ausdehnung der MKS-freien Gebiete (z. B. auch in großen Teilen Südamerikas) verblieben weltweit nur noch wenige Endemiegebiete (Naher und Mittlerer Osten, Afrika und Teile Asiens). Im Jahr 1997 ereignete sich dann plötzlich ein verheerender Ausbruch in Taiwan, einem Land, welches 68 Jahre lang den Freiheitsstatus innehatte. Der Ausbruch endete mit der Vernichtung von vier Millionen Schweinen (34 % des Gesamtschweinebestandes von Taiwan) und kostete ca. sechs Milliarden U.S. Dollar. Dieser Ausbruch wurde durch den Serotyp O verursacht (O/Taw/97) und verbreitete sich von März 1997 innerhalb von drei Wochen fast über die ganze Insel.
Der zweite große Ausbruch in jüngerer Zeit war die Katastrophe im Vereinigten Königreich (U.K.) 2001. Als ursächliches Virus wurde der Serotyp O PanAsia (O/UK/2001) identifiziert. Seit einem kleinen Ausbruch 1981 auf der Insel Wright war dies die erste Rückkehr des Virus auf die größte europäische Insel. Auch hier ging die Erkrankung vom Schwein aus: Erste Verdachtsfälle wurden in einem Schlachthof in Essex registriert. Auch im Vereinigten Königreich hat sich die Seuche rasant verbreitet. Der kritische Faktor des Ausbruchs im Vereinigten Königreich waren infizierte Schafe, die klinisch unerkannt gehandelt und auf Märkten ausgestellt wurden.
Auch bei dem Ausbruch in England wurden vier Millionen Tiere, hauptsächlich Schafe, getötet. Die Kosten wurden auf ca. 13 Milliarden U.S. Dollar berechnet, wobei der Hauptanteil mit ca. 36 % Verluste aus der Tourismusindustrie waren. Die Entschädigungen für die Landwirtschaft beliefen sich auf ca. 4,2 Milliarden U.S. Dollar. Der Ausbruch im U.K. weitete sich auf Nordirland, Frankreich und Holland aus. Die Seuche im Gebiet der wenigen betroffenen Betriebe in Nordirland und Frankreich konnte durch Tötungsaktionen kontrolliert werden. In Holland entschied man sich für eine so genannte Suppressions- oder Interventionsimpfung. Es wurden ungefähr 200.000 Tiere geimpft mit der Auflage, dass die geimpften Tiere ausschließlich zur Schlachtung bestimmt wurden. Im U.K. wurde der MKS-freie Status ohne Impfung am 22. Januar 2002 wiedererlangt. Nach retrospektiven Analysen kam die Royal Society zu dem Schluss, dass Notfallimpfungen (Suppressions-/Interventionsimpfungen) unbedingt als Teil der Kontrollmaßnahmen im Falle eines größeren MKS-Ausbruchs vorgenommen werden sollen. Moderne diagnostische Methoden, wie molekularer Virusnachweis, sollten ebenfalls Anwendung finden, um einen Ausbruch bzw. Infektionen schnell und sicher zu erkennen.

Impfstoffe und Impfungen

Durch die seit 1989 von der EU praktizierte Eradikationsstrategie ohne Impfung stagnierte die Impfstoffanwendung in der EU und weltweit auch die Weiterentwicklung von Impfstoffen. Derzeit halten Impfstoffreservebanken Antigen verschiedener Serotypen (meist A/O und C) vorrätig. Bei den heute für Notfallimpfungen kommerziell verfügbaren Vakzinen handelt es sich um inaktivierte Ganzviruspräparationen, die als Konzentrate in der Gasphase von Flüssigstickstoff gelagert werden und kurz vor dem Feldeinsatz mit Adjuvans versetzt werden.

Diagnostik und Aufgaben am LGL

Am LGL werden diagnostische Proben auf MKSV-Nukleinsäuren oder Antikörper gegen MKSV nach den Mindest-Biosicherheitsstandards für MKS-Laboratorien der Sicherheitsstufe 2 (Minimum Biorisk Management Standards for Laboratories working with Foot-and-Mouth Disease Virus) untersucht.

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