Frühwarnsystem zur Erkennung von lebensmittelbedingten Risiken

Im Sinne des präventiven Verbraucherschutzes soll das Frühwarnsystem am LGL von Lebensmitteln ausgehende Gesundheitsrisiken, aber auch Betrugspotenziale durch eine umfassende Sicht auf die Lebensmittelproduktion so früh wie möglich erkennen.

Hierzu identifiziert und analysiert das LGL mögliche Risikofaktoren aus einem weiten Umfeld der Lebensmittelproduktion. Ein Schwerpunkt liegt dabei auf der Analyse von Warenströmen, insbesondere der geografischen Herkunft, der Menge importierter Waren und deren Preisen. Diese Parameter sind wichtige Frühwarnindikatoren, weil sie sensibel auf vielfältige Entwicklungen wie Angebotsengpässe, Ernteeinbrüche oder Veränderungen von gesetzlichen und politischen Rahmenbedingungen reagieren können. So kann beispielsweise eine Pflanzenkrankheit einen erheblichen Ernteeinbruch hervorrufen. Dies wiederum kann sowohl sinkende Importmengen als auch steigende Preise oder beides nach sich ziehen. Werden Lebensmittel daraufhin aus anderen Ländern bezogen, in denen geringere hygienische und gesundheitliche Standards gelten oder höhere Umweltbelastungen vorliegen, kann das Risiko für Gesundheitsgefahren steigen. Auch können Preissteigerungen den Anreiz zu betrügerischem Verhalten erhöhen, indem zum Beispiel wertvolle Zutaten durch preisgünstigere ersetzt werden.

Um Warenströme und Preise systematisch zu erfassen, hat das LGL die Software „Import Screening for the Anticipation of Food Risks“ (ISAR) konzipiert. Um den bundesweiten Nutzen dieser Software in der Lebensmittelüberwachungspraxis zu ermitteln, testen das LGL und das Niedersächsische Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (LAVES) ISAR seit September 2019 gemeinsam in einem Pilotprojekt. Auch auf EU-Ebene stößt ISAR auf Interesse: Die Europäische Kommission und das Joint Research Centre (JRC), welches unter anderem die Erkennung und Vorbeugung von Lebensmittelkriminalität zur Aufgabe hat, sind am Aufbau eines europaweiten Frühwarnsystems interessiert und haben das bayerische Frühwarnsystem als eines von vier Best-Practice-Modellen innerhalb Europas ausgewählt. ISAR wird als mögliches Vorbild betrachtet. Im Jahr 2020 unterzogen vier Behörden aus verschiedenen Bundesländern sowie das Nationale Referenzzentrum für Lebensmittelauthentizität (NRZ) ISAR einem Praxistest, den das LGL zusammen mit dem BVL koordinierte. So wirkten in einer viermonatigen Pilotphase alle Beteiligten an den monatlichen Bewertungen von Unregelmäßigkeiten bei Lebensmittelimporten mit. Außerdem hatten die Behörden und das NRZ die Möglichkeit, ISAR unabhängig von der Pilotphase für ihre Zwecke zu nutzen, um sich zum Beispiel ein besseres Bild von der Importsituation zu machen, sich neue Produktgruppen und Herkunftsländer von Lebensmitteln zu erschließen und dadurch eine gezieltere Probenplanung vorzunehmen. Die Behörden und das NRZ beurteilten den Nutzen von ISAR als sehr gut. Sie möchten ISAR weiterhin nutzen, deren Anwendungsbereich noch ausweiten und auch zukünftig mit dem Frühwarnsystem am LGL und den anderen Beteiligten der Pilotphase zusammenarbeiten. Das Frühwarnsystem wertet dies als Erfolg und wird ISAR in diesem Sinne und auch für die breitere Nutzung außerhalb von Bayern weiterentwickeln.

Alkaloide in Blaumohn

Aus Ernteberichten von Anfang 2019 ging hervor, dass Blaumohn mit niedrigen Morphingehalten, der für die Herstellung von Lebensmitteln erforderlich ist, knapp werde. Aus Tschechien – nach ISAR-Importanalysen größter Lieferant für derartige Mohnsamen – wurde bekannt, dass Ernteengpässe nicht kompensiert werden können. Morphin und andere Mohnalkaloide, wie zum Beispiel Codein, können, falls sie in hohen Dosen über Lebensmittel aufgenommen werden, unter anderem Übelkeit, Erbrechen, Benommenheit und Atemdepression hervorrufen. Um der Gefahr einer Verwendung von Blaumohn anderer Herkunft mit überhöhten Mohnalkaloidgehalten in Lebensmitteln vorzubeugen, hat das LGL im Jahr 2019 elf Proben Mohnsamen aus dem Einzel- und Großhandel untersucht. Drei dieser Proben hat das LGL aufgrund deutlich erhöhter Gehalte an Codein beanstandet. Bei einer weiteren Probe wies das LGL auf einen erhöhten Morphingehalt hin. Eine Gefährdung des Verbrauchers war aufgrund der vorgesehenen gewerblichen Verwendung mit Weiterverarbeitung in Bäckereien nicht gegeben, da zum Beispiel durch die Erhitzung eine Reduktion der Mohnalkaloidgehalte erreicht wird.

Mutterkornalkaloide bei Roggen

Aufgrund der langanhaltenden Trockenheit in Deutschland 2018 wurde bei Getreide, insbesondere bei Roggen, ein starker Ernterückgang erwartet. Es wurde außerdem eine erhöhte Kontamination mit Mutterkornalkaloiden (Ergotalkaloide) prognostiziert, deren Aufnahme zu akuten gesundheitlichen Beeinträchtigungen führen kann. 2019 untersuchte das LGL aufgrund dieser Meldungen Roggenkörner, -mehle und -backwaren auf diese Alkaloide. Für das Erntejahr 2018 (Vermarktung von Juli 2018 bis Juni 2019) und für Produkte, die aus dieser Roggenernte erzeugt wurden, war dabei eine deutliche höhere Belastung an Mutterkornalkaloiden (Ergotalkaloide) erkennbar als in den Vorjahren. Im Sinne des vorbeugenden Verbraucherschutzes wurden gesundheitsschädliche Produkte vom Markt genommen.

Wenn Sie Informationen zu Veränderungen in der Lebensmittelproduktion oder bei relevanten Einflussfaktoren haben, die zu Gesundheitsgefahren oder zu einem möglichen Betrugsrisiko führen können, schreiben Sie eine Mail an fruehwarnung@lgl.bayern.de.

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