Frühwarnsystem zur Erkennung von lebensmittelbedingten Risiken

Im Sinne des präventiven Verbraucherschutzes soll das Frühwarnsystem am Bayerischen Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) von Lebensmitteln ausgehende Gesundheitsrisiken, aber auch Betrugspotenziale durch eine umfassende Sicht auf die Lebensmittelproduktion so früh wie möglich erkennen.

Hierzu identifiziert und analysiert das LGL mögliche Risikofaktoren aus einem weiten Umfeld der Lebensmittelproduktion. Ein Schwerpunkt liegt dabei auf der Analyse von Warenströmen, insbesondere der geografischen Herkunft, der Menge importierter Waren und deren Preisen. Diese Parameter sind wichtige Frühwarnindikatoren, weil sie sensibel auf vielfältige Entwicklungen wie Angebotsengpässe, Ernteeinbrüche oder Veränderungen von gesetzlichen und politischen Rahmenbedingungen reagieren können. So kann beispielsweise eine Pflanzenkrankheit einen erheblichen Ernteeinbruch hervorrufen. Dies wiederum kann sowohl sinkende Importmengen als auch steigende Preise oder beides nach sich ziehen. Werden Lebensmittel daraufhin aus anderen Ländern bezogen, in denen geringere hygienische und gesundheitliche Standards gelten oder höhere Umweltbelastungen vorliegen, kann das Risiko für Gesundheitsgefahren steigen. Auch können Preissteigerungen den Anreiz zu betrügerischem Verhalten erhöhen, indem zum Beispiel wertvolle Zutaten durch preisgünstigere ersetzt werden.

Um Warenströme und Preise systematisch zu erfassen, hat das LGL die Software „Import Screening for the Anticipation of Food Risks“ (ISAR) zusammen mit der Ludwig-Maximilians-Universität München konzipiert und weiterentwickelt. Auch globale Ereignisse, die komplexe Folgen für die Lebensmittelkette haben, wie z. B. die SARS-CoV-2-Pandemie oder der Krieg in der Ukraine, können frühzeitig mit einem umfassenden und systematischen Ansatz durch ISAR analysiert werden. Das Frühwarnsystem nutzt die Ergebnisse der ISAR-Auswertungen zur Konzeption bayern- und bundesweiter Untersuchungsprogramme im Sinne des vorbeugenden Verbraucherschutzes. Somit bewährt sich ISAR als wertvolles Instrument der Risikofrüherkennung. 2021 initiierte das LGL eine breit angelegte ISAR-Pilotphase, an der alle Bundesländer, sowie das Nationale Referenzzentrum für Lebensmittelauthentizität (NRZ-Authent) teilnahmen. Diese Pilotphase unter Koordination des LGL, zusammen mit dem BVL, wird bis heute fortgesetzt. Dieses überbehördliche, multidisziplinäre Netzwerk ermöglicht den breiten, fachlichen Austausch, um Antworten auf globale Herausforderungen und komplexe Fragestellungen zu finden. Aufgrund der positiven Resonanz der Beteiligten wird seit 2022 an einer dauerhaften und bundesweiten Implementierung von ISAR gearbeitet. Auch auf EU-Ebene stößt ISAR auf Interesse: Die Europäische Kommission und das Joint Research Centre (JRC), welches unter anderem die Erkennung und Vorbeugung von Lebensmittelkriminalität zur Aufgabe hat, sind am Aufbau eines europaweiten Frühwarnsystems interessiert und wählten 2019 das bayerische Frühwarnsystem als eines von vier Best-Practice-Modellen innerhalb Europas.

Das bayerische Frühwarnsystem in der Praxis

Ernteengpässe bei Blaumohn (2019)

Aus Ernteberichten von Anfang 2019 ging hervor, dass Blaumohn mit niedrigen Morphingehalten, der für die Herstellung von Lebensmitteln erforderlich ist, knapp werde. Aus Tschechien – nach ISAR-Importanalysen größter Lieferant für derartige Mohnsamen – wurde bekannt, dass Ernteengpässe nicht kompensiert werden können. Morphin und andere Mohnalkaloide, wie zum Beispiel Codein, können, falls sie in hohen Dosen über Lebensmittel aufgenommen werden, unter anderem Übelkeit, Erbrechen, Benommenheit und Atemdepression hervorrufen. Um der Gefahr einer Verwendung von Blaumohn anderer Herkunft mit überhöhten Mohnalkaloidgehalten in Lebensmitteln vorzubeugen, untersuchte das LGL im Jahr 2019 elf Proben Mohnsamen aus dem Einzel- und Großhandel. Drei dieser Proben beanstandete das LGL aufgrund deutlich erhöhter Gehalte an Codein. Bei einer weiteren Probe wies das LGL auf einen erhöhten Morphingehalt hin. Eine Gefährdung des Verbrauchers war aufgrund der vorgesehenen gewerblichen Verwendung mit Weiterverarbeitung in Bäckereien nicht gegeben, da zum Beispiel durch die Erhitzung eine Reduktion der Mohnalkaloidgehalte erreicht wird.

Ernterückgang bei Roggen durch Trockenheit in Deutschland (2018)

Aufgrund der langanhaltenden Trockenheit in Deutschland 2018 wurde bei Getreide, insbesondere bei Roggen, ein starker Ernterückgang erwartet. Es wurde außerdem eine erhöhte Kontamination mit Mutterkornalkaloiden (Ergotalkaloide) prognostiziert, deren Aufnahme zu akuten gesundheitlichen Beeinträchtigungen führen kann. 2019 untersuchte das LGL aufgrund dieser Meldungen Roggenkörner, -mehle und -backwaren auf diese Alkaloide. Für das Erntejahr 2018 (Vermarktung von Juli 2018 bis Juni 2019) und für Produkte, die aus dieser Roggenernte erzeugt wurden, war dabei eine deutliche höhere Belastung an Mutterkornalkaloiden (Ergotalkaloide) erkennbar als in den Vorjahren. Im Sinne des vorbeugenden Verbraucherschutzes wurden gesundheitsschädliche Produkte vom Markt genommen.

Wenn Sie Informationen zu Veränderungen in der Lebensmittelproduktion oder bei relevanten Einflussfaktoren haben, die zu Gesundheitsgefahren oder zu einem möglichen Betrugsrisiko führen können, schreiben Sie eine Mail an fruehwarnung@lgl.bayern.de.

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