Trichothecene

Bildung und Wirkung von Trichothecenen

Trichothecene sind Schimmelpilzgifte (Mykotoxine), die in Lebensmitteln hauptsächlich von Stämmen der sog. Fusarienpilze gebildet werden. Die Fusarien sind wenig spezialisierte Krankheitserreger an Kulturpflanzen, insbesondere an allen Getreidearten und Maispflanzen. Typische Pflanzen-Krankheiten, die durch Fusarien ausgelöst werden, sind Auflaufkrankheiten (Erkrankungen der Getreidekeimlinge), Auswinterungsschäden unter einer Schneedecke auf ungefrorenem Boden, Fuß- und Stängel- sowie Ähren-, Kolben-, und Rispenerkrankungen. Die Fusarienpilze befallen überwiegend lebende Pflanzen und sind daher typische Feldpilze, die sich aber auch im Warenlager unter günstigen Bedingungen ausbreiten können. Um einer Ausbreitung einer Fusarieninfektion im Lager vorzubeugen, darf nur Erntegut mit einem Wassergehalt von höchstens 14 % eingelagert werden, gegebenenfalls muss es vorher getrocknet werden.

Fusarien können insbesondere eine partielle Taubährigkeit (eine durch Fusarium-Pilze verursachte Erkrankung von Getreideähren, bei der Teile der Ähre absterben und keine oder nur schlecht entwickelte Körner bilden) und die Bildung sogenannter Schmachtkörner verursachen, wodurch direkte Schäden am sowohl des quantitativen Ernteertrags als auch an dessen Qualität (z. B. schlechtere Back-, Brau- und Saatguteigenschaften) entstehen können. Befallene Körner können rosa bis weinrot gefärbt sein.

Außerdem kann die Besiedelung mit Fusarienpilzen zur Kontamination der Erntegüter mit verschiedenen Mykotoxinen führen. Von Fusarien werden verschiedene, meist hochgiftige Mykotoxine, mit sehr unterschiedlichen chemischen Strukturen gebildet.

Bei den etwa 100 von Fusarien gebildeten Toxinen unterscheidet man drei Hauptgruppen: die Gruppe der Trichothecene, das Zearalenon und die Fumonisine.

Die Trichothecene sind zyklische Sesquiterpene mit einem Epoxidring. Aufgrund der sehr unterschiedlichen chemischen Strukturen hat man diese in vier Untergruppen eingeteilt, von denen am häufigsten die Typ A- und Typ B-Trichothecene vorkommen.

Die Typ A-Trichothecene sind charakterisiert durch das Fehlen einer Ketogruppe am Kohlenstoffatom 8. Sie umfassen Toxine wie Mono- und Diacetoxyscirpenol, HT-2 Toxin, T-2 Toxin oder Neosolaniol.

Zu den Typ B-Trichothecenen, die durch eine Ketogruppe am Kohlenstoffatom 8 gekennzeichnet sind, zählen Deoxynivalenol (DON) und Nivalenol und deren jeweilige Vorstufen der Biosynthese, 3- bzw. 15-Acetyldeoxynivalenol und Fusarenon X.

Die zum Beispiel von Fusarium (F.) sporotrichioides gebildeten Typ A-Trichothecene wie T-2 Toxin und Neosolaniol wurden als ursächlich für die sog. alimentäre toxische Aleukie (ATA) identifiziert, einer Erkrankung, die schon vor 1900 beschrieben wurde, und die durch von Fusarien befallenes überwintertes Getreide verursacht wurde. Während des 2. Weltkriegs erkrankten in Russland Tausende, die solches Getreide gegessen haben. Heute spielen akute Erkrankungen durch Fusarien-Toxine glücklicherweise eine untergeordnete Rolle. Typ A-Trichothecene können jedoch bei Getreide (v. a. Hafer) vorkommen, z. B. T-2 und HT-2 Toxin, aber auch bei Kartoffeln und Bananen. Die Erreger der Trockenfäule von Kartoffeln F. solani und F. sambucinum sind potente Bildner von Diacetoxyscirpenol, das dann in Faulstellen enthalten sein kann. Die Infektion von Bananen mit F. moniliforme kann zur Kontamination der Früchte mit Diacetoxyscirpenol und auch Zearalenon führen.

Die bedeutendsten Mykotoxine im Getreideanbau sind heute Deoxynivalenol (DON) und Nivalenol aus der Gruppe der Typ B Trichothecene, wobei DON wahrscheinlich das am häufigsten vorkommende Mykotoxin in Nahrungs- und Futtermitteln ist. Beide Toxine werden vor allem durch F. graminearum, daneben auch durch F. culmorum und F. crookwellense gebildet. Von F. graminearum scheinen in Nord- und Südamerika, Europa und Asien die DON-bildenden Stämme zu dominieren. In Japan und Australien sind es die Nivalenol-Bildner. Nivalenol kommt in Getreide weniger häufig vor als DON.

Die Trichothecene sind starke Hemmstoffe der Proteinsynthese. Allgemein wirken Trichothecene daher zellschädigend, gelten aber nicht als erbgutschädigend und werden von der Internationalen Agentur für Krebsforschung (International Agency for Research on Cancer, IARC) aktuell nicht als krebserregend eingestuft. Trichothecene sind hauttoxisch und greifen zunächst den Verdauungstrakt an; aber auch das Nervensystem und die Blutbildung können dosisabhängig beeinträchtigt werden. Außerdem können sie das Immunsystem stören und dadurch zu erhöhter Anfälligkeit gegenüber Infektionskrankheiten führen. Beim Menschen sind Erbrechen (speziell bei DON, auch Vomitoxin genannt), Durchfall und Hautreaktionen die häufigsten Beschwerden bei Trichothecenaufnahme durch die Nahrung. Akute Vergiftungsfälle durch Trichothecene beim Menschen sind vor allem aus asiatischen Ländern im letzten Jahrhundert mit Symptomen wie Übelkeit, Erbrechen, Bauchschmerzen, blutiger Stuhl und Diarrhoe bekannt (EFSA, 2017d; JECFA, 2023).

Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (European Food Safety Authority, EFSA) hat anhand von Human- und Tierstudien gesundheitliche Bewertungsmaßstäbe für DON, Nivalenol sowie für T2- und HT2-Toxine abgeleitet, die jeweils für die Summe der jeweiligen Verbindungen und einiger ihrer Metabolite gelten (EFSA, 2017a, 2017b, 2017d).

Für die akute orale Toxizität diente der toxikologische Endpunkt Erbrechen als Basis. Für die Summe an T2- und HT2-Toxinen wurde eine akute Referenzdosis (ARfD) für den Menschen von 0,3 µg/kg Körpergewicht (KG) abgeleitet (EFSA, 2017b). Der ARfD-Wert für DON bzw. Nivalenol liegt mit 8 µg/kg KG bzw. 14 µg/kg KG deutlich höher (EFSA, 2017a, 2017d).

Bei chronischer Aufnahme von Trichothecenen sind vor allem systemische, insbesondere hämatotoxische Effekte von Bedeutung. Für die Summe an T2- und HT2-Toxine hat die EFSA (2017) eine tolerierbare tägliche Aufnahmemenge (tolerable daily intake, TDI) für den Menschen in Höhe von 0,02 µg/kg KG und Tag abgeleitet (EFSA, 2017c). Für DON bzw. Nivalenol leitete die EFSA jeweils einen TDI-Wert von 1 µg/kg KG und Tag bzw. 1,2 µg/kg KG und Tag ab (EFSA, 2017a, 2017d).

Daher ist es empfehlenswert, besonders aufgrund des möglichen Freisetzens von sog. maskierten Deoxynivalenolen (acetyliert oder glykosyliert), eine möglichst große Bandbreite an Trichothecenen im Lebensmittel zu bestimmen.

Vorkommen von Fusarientoxinen

Unter den heimischen Getreidearten werden von Fusarien hauptsächlich Hafer, Mais und Weizen befallen. Gerste und Roggen gelten als am wenigsten anfällig, Reis gilt als weitgehend resistent. Je nach Witterung weisen Befallshäufigkeit und Artenzusammensetzung von Jahr zu Jahr große Unterschiede auf. Die DON-Kontamination von Getreide ist ein weltweites Problem. Je nach Verarbeitungs- bzw. Ausmahlungsgrad können die direkten Folgeprodukte wie z. B. Getreidegrieße, -schrote oder Mehle sowie die Kleie unterschiedlich belastet sein. Häufig haben sich die Anteile, die aus den äußeren Schichten des Korns gewonnen werden (Kleie), als stärker belastet erwiesen.

Zu einer Belastung tierischer Produkte (Milch, Fleisch, Eier) nach Verfüttern von trichothecenhaltigem Futtergetreide durch "carry over" scheint es praktisch nicht zu kommen, da die Toxine im tierischen Stoffwechsel relativ rasch abgebaut werden.

Häufig belastete Lebensmittel

Seit April 2003 liegt ein umfangreicher SCOOP (Scientific Co-operation on Questions relating to Food)-Bericht zum Vorkommen von Fusarientoxinen in Lebensmitteln und zur Abschätzung der Aufnahme dieser Toxine aus Lebensmitteln durch die Bevölkerung der EU-Mitgliedsstaaten vor (SCOOP, 2003):Unter den am häufigsten mit Fusarientoxinen belasteten Lebensmitteln stand an erster Stelle Getreide und davon zeigten wiederum Mais und Weizen die höchsten Mykotoxin-Gehalte:

Von den Typ B-Trichothecenen wurde DON vor allem in Mais (89 %) und Weizen (61 %), Nivalenol in Mais (35 %), Hafer (21 %) und Weizen (14 %) nachgewiesen. Bei den Typ A-Trichothecenen waren Mais (28 %), Weizen (21 %) und Hafer (21 %) mit T-2 Toxin und Hafer (41 %), Mais (24 %) und Roggen (17 %) mit HT-2 Toxin kontaminiert.

Auch Teigwaren können mit Trichothecenen belastet sein. Durch Kochen geht ein Teil der Kontamination in das Kochwasser über. Durch das Verwerfen des Kochwassers kann eine mögliche Exposition reduziert werden.

Risikobewertung und Aufnahme durch den Verbraucher

Die Berechnung der durchschnittlichen täglichen Aufnahme durch die Bevölkerung ergab für die meisten Fusarientoxine Werte, die bei Erwachsenen noch unter den Werten für die tolerierbare tägliche Aufnahmemangen lagen. Für die Gruppe der Kinder zeigte sich dagegen, dass die TDI-Werte erreicht oder überschritten werden könnten. Ein vergleichbares Ergebnis wurde bereits bei einer früheren, im Auftrag der Europäischen Union durchgeführten Studie zur Abschätzung der täglichen Aufnahme von Fusarientoxinen erhalten. Auch für die Summe aus T-2 und HT-2 Toxin ergaben sich mögliche Überschreitungen, diese basierten jedoch insgesamt auf nur wenigen positiven Proben.

Quellen und weiterführende Hinweise