Glycidamid und Acrylamid in frittierten Lebensmitteln

Im Jahr 2002 entdeckten schwedische Wissenschaftler in hoch erhitzten Kartoffel- und Getreideprodukten, wie zum Beispiel Chips, Knäckebrot, Lebkuchen und Pommes Frites, die Substanz Acrylamid. Gleichzeitig wurde bekannt, dass Acrylamid in der Leber zu dem als stark krebserregend eingestuften Glycidamid abgebaut wird.

Neu ist die Erkenntnis, dass Glycidamid in kohlenhydratreichen Lebensmitteln neben Acrylamid bereits bei der Herstellung oder Zubereitung durch Erhitzen entstehen kann. Nun haben Lebensmittelchemiker der Technischen Universität München erstmals eine Methode entwickelt, um Glycidamid direkt in Kartoffelchips und Pommes frites nachzuweisen. Die nachgewiesenen Glycidamid-Konzentrationen liegen dabei jedoch deutlich unter denen des bei gleichen Bedingungen gebildeten Acrylamid (Granvogl et al. 2008). Die Forscher fanden etwa ein Hundertstel der Menge an Glycidamid, die nach Aufnahme von Acrylamid durch Metabolisierung in der Leber im Körper entsteht – eine äußerst geringe Menge.

Was ist Glycidamid?

Chemische Darstellung von GlycidamidGlycidamide (GA; CAS-Nr. 5694-00-8; Synonym Oxiran-2-carboxamid) entsteht als Stoffwechselprodukt durch Epoxidierung aus Acrylamid (AA). Das unter sterischer Spannung stehende
3-Ringsystem (Oxiran) lässt eine hohe chemische Reaktivität erwarten.

Nachweis von Glycidamid

Glycidamid war bisher vor allem als Acrylamid-Metabolit im Stoffwechsel der Leber im analytischen Fokus. Dadurch beziehen sich die meisten analytischen Arbeiten auf den Nachweis von Glycidamid-Addukten an Hämoglobin und anderen körpereigenen Proteinen. Analysenmethoden zum direkten Nachweis des Glycidamids in Lebensmitteln oder ähnlichen Matrices sind in der Literatur – abgesehen von der im August 2008 neu veröffentlichten Methode von Granvogl et al. – kaum zu finden.

Die beschriebene Methode stellt analytisch sehr hohe Anforderungen, da mit dem Glycidamid eine reaktive organische Substanz im Spurenbereich (Bestimmungsgrenze 1 ng/kg bzw. ppt) in einer komplexen Matrix (Lebensmittel) nachgewiesen werden muss (Isotopenverdünnungsanalyse, Derivatisierung, SPE-Aufreinigung und anschließende präparative HPLC vor LC-MS/MS-Messung). Das Verfahren ist bisher noch nicht im Routinebetrieb einsetzbar.

Toxikologische Bewertung

Glycidamid weist ähnlich wie Acrylamid ein bereits im niedrigen Dosisbereich relevantes genotoxisches, mutagenes und im Tierversuch nach oraler Gabe kanzerogenes Wirkpotenzial auf (z. B. Beseratinia et al. 2004). Im höheren Dosisbereich
(25–100 mg/kg) sind neurotoxische Effekte beschrieben (Costa et al. 1995). Es ist davon auszugehen, dass die entsprechenden Wirkungen von Acrylamid überwiegend durch seinen Metaboliten Glycidamid vermittelt werden (Ghanayem et al. 2005).

Kinetik

Glycidamid wird im Tierversuch nach oraler Gabe rasch und weitgehend resorbiert; es verteilt sich schnell im Körper. Die Menge der im Lebergewebe nachgewiesenen Glycidamid-DNA-Addukte waren (nach Abschluss der Eliminierungsphase aus dem Serum) um lediglich 40 % höher als nach der Gabe einer äquimolaren Dosis von Acrylamid (Doerge et al. 2005).

Expositionsabschätzung

Die durchschnittliche tägliche Verzehrsmenge der Produktgruppe Kartoffeln (verarbeitet) wird für Kinder (2 bis unter 5 Jahre; rund 16 kg Körpergewicht) mit 38,9 g/Tag (Banasiak 2005) angegeben.

Für Erwachsene (60 kg Körpergewicht) ist für die Lebensmittelgruppe "Kartoffeln und Kartoffelprodukte" von einem durchschnittlichen täglichen Verzehr von rund 120 g auszugehen (DGE 2004). Würde man diese Mengen vollständig mit dem Verzehr von Chips und Pommes frites mit einem Glycidamid-Gehalt von 1,51 µg/kg ausschöpfen, würden daraus Glycidamid-Zufuhrmengen in Höhe von 0,039 ng oder 0,0023 ng/kg Körpergewicht (Kinder) und 190,3 ng oder 3,17 ng/kg Körpergewicht (Erwachsene) resultieren.

Bewertung

Auch unter der Annahme exzessiv hoher Verzehrsmengen für die belasteten Lebensmittel legen die resultierenden niedrigen Glycidamid-Aufnahmemengen (pg- bis ng/kg Körpergewicht-Bereich) zusammen mit toxikokinetischen Gesichtspunkten nahe, dass die in den Lebensmitteln nachgewiesenen Konzentrationen von Glycidamid zusätzlich zur Acrylamidaufnahme keinen relevanten weiteren Beitrag zum gesundheitlichen Risiko beim Menschen (insbesondere in Bezug auf die Mutagenität und Kanzerogenität) liefern.

Was macht das LGL?

Das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) ist bestrebt, die Methode für Glycidamid in seinem Labor rasch zu etablieren, setzt aber weiterhin seinen Schwerpunkt auf den Nachweis von Acrylamid in Lebensmitteln, um den Gehalt weiter zu reduzieren.

So wurden im Zeitraum Januar bis Juli 2008 im Rahmen des Minimierungskonzeptes 102 Kartoffelknabbererzeugnisse (hauptsächlich Chips) auf ihren Acrylamid-Gehalt untersucht.

Im Monat Juli wurden zudem bis jetzt ca. 60 Proben verzehrsfertig zubereitete Pommes Frites aus Systemgastronomie sowie Gaststätten und Imbissen analysiert. Die Ergebnisse werden in Kürze verfügbar sein.

Für Weihnachtsgebäck ist gemäß des publizierten Bildungsmechanismus nicht mit einer Glycidamid-Bildung im Lebensmittel über die Epoxidierung von Acrylamid zu rechnen. Die Untersuchungen auf den Acrylamidgehalt werden mit Beginn der Weihnachtssaison fortgesetzt.

Was ist beim Frittieren zu beachten?

Das Team der TU München stellte fest, dass Kartoffelstücke beim Frittieren in Ölen mit hohem Anteil an gesättigten Fettsäuren weniger Glycidamid enthielten. Bei Ölen mit viel ungesättigten Fettsäuren, wie dem ernährungsphysiologisch wertvollen Sonnenblumenöl, fand man dagegen eine höhere Konzentration. Die Münchner Wissenschaftler sprachen daher die Empfehlung aus, "dass man zum Braten und Frittieren Öle mit gesättigten Fettsäuren verwenden sollte".

Allgemeines zur Stabilität von Frittierfett

Ein Fett ist umso hitzestabiler, je mehr gesättigte Fettsäuren es enthält. Mehrfach ungesättigte Fettsäuren sind oxidationsanfälliger als einfach ungesättigte Fettsäuren. Bei längerer starker Erhitzung ist mit Abbaureaktionen dieser Fettsäuren zu rechnen. Raffinierte Öle sind etwas hitzestabiler als die nativen, kalt gepressten Öle der gleichen Sorte.

Welche Öle und Fette sind geeignet?

"Welches Fett oder Öl zum Frittieren oder Braten geeignet ist, hängt primär von der Art und Menge der jeweils enthaltenen Fettsäuren, aber auch von der Dauer des Frittierprozesses ab. Die Frittiertemperatur sollte 175 °C nicht überschreiten." (dge).

"Fette mit überwiegend gesättigten Fettsäuren und weniger als 20 % mehrfach ungesättigten Fettsäuren sind geeignet zum Vorfrittieren und zur Herstellung von frittierten Lebensmitteln mit einer Haltbarkeit von mehr als einer Woche." (dgfett, "Optimal, gesund und richtig Frittieren").

"Zum Frittieren eignen sich alle Öle und Fette, die einen hohen Gehalt an einfach ungesättigten Fettsäuren haben, wie Ölivenöl, Palmöl oder ölsäurereiches Sonnenblumenöl." (dge).

"Öle mit mindestens 60 % einfach ungesättigten Fettsäuren und weniger als 20 % mehrfach ungesättigten Fettsäuren sind sehr hitzestabil und eignen sich hervorragend zum Frittieren. Öle mit einem höheren Gehalt an mehrfach ungesättigten Fettsäuren
(> 30 %) können zwar auch zum Frittieren verwendet werden, dabei bilden sich aber harzartige, braune Ablagerungen an den Heizstäben und den Wänden der Friteuse. Zudem können diese Öle nicht so lange erhitzt werden wie andere Öle mit einem geringeren Gehalt an mehrfach ungesättigten Fettsäuren. Öle mit einem Linolensäure-Gehalt von mehr als 2 % sind zum Frittieren weniger geeignet." (dgfett, dge).

"Am besten eignen sich reine Pflanzenfette, z. B. Erdnussfett und Kokosfett oder verschiedene Pflanzenöle, die einen niedrigen Gehalt mehrfach ungesättigter Fettsäuren enthalten, wie z. B. Erdnussöl und Olivenöl. Tierische Fette (Schweineschmalz, Rindertalg) sollten nicht verwendet werden." (lebensmittel.org).

Generell ist im Hinblick auf die Glycidamid-Bildung zu beachten, dass bei der Verwendung der ernährungsphysiologisch wertvolleren Fette mit einem höheren Anteil an einfach und mehrfach ungesättigten Fettsäuren diese möglichst nicht mehrfach oder auf längere Zeit verwendet werden sollten, da erst die bei der Alterung des Fettes entstehenden Hydroperoxide Acrylamid zu Glycidamid oxidieren.

Für die allgemeine Beurteilung, wann ein gebrauchtes Frittierfett als verdorben gilt, dienen neben der sensorischen Prüfung verschiedene chemische Parameter, die vom Arbeitskreis Lebensmittelchemischer Sachverständiger der Länder (ALS) und des Bundesinstitutes für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin (BgVV) festgelegt wurden.

Entstehung von trans-Fettsäuren beim Frittieren

"Trans-Fettsäuren entstehen beim Erhitzen von Fetten oder Ölen in relevanten Mengen erst bei mehr als 200 °C. Unter Frittierbedingungen (< 180°C) werden nur sehr geringe Mengen (< 1 %) trans-Fettsäuren gebildet. Frittierte Lebensmittel enthalten nur dann erhöhte Mengen an trans-Fettsäuren, wenn diese in teilgehärteten Fetten und Ölen gebacken werden." (dgfett).

Literatur

  • Beseratinia A; Pfeifer A (2004) Genotoxicity of acrylamide and glycidamide. J Natl Cancer Inst. 96 (13):1023–9.
  • Costa LG et al. (1995) Evaluation of the neurotoxicity of glycidamide, an epoxide metabolite of acrylamide: behavioral, neurochemical and morphological studies. Toxicology 98(1–3):151–61.
  • Doerge DR et al. (2005) Toxicokinetics of acrylamide and glycidamide in B6C3F1 mice. Toxicol Appl Pharmacol 202(3):258–67.
  • Fuhr U et al. (2006) Toxicokinetics of acrylamide in humans after ingestion of a defined dose in a test meal to improve risk assessment for acrylamide carcinogenicity. Cancer Epidemiol Biomarkers Prev. 15(2):266–71.
  • Ghanayem BI (2005) Absence of acrylamide-induced genotoxicity in CYP2E1-null mice: evidence consistent with a glycidamide-mediated effect. Mutat Res. 578(1–2):284–97.
  • Granvogl M et al. (2008) Development of a Stable Isotope Dilution Assay for the Quantitation of Glycidamide and Its Application to Foods and Model Systems. J. Agric. Food Chem. 56: 6087–6092.

Mehr zu diesem Thema

Allgemeine Informationen zum Thema