One Health-Forschung zum Borna Disease Virus 1 (BoDV-1)

Signet Jahresbericht 2024

Abstract

Infektionen mit dem Borna Disease Virus 1 (BoDV-1) können bei Säugetieren sowie beim Menschen schwere Gehirnentzündungen verursachen, die in einem Großteil der Fälle (> 90 %) tödlich verlaufen. Bereits seit Langem als Erreger einer Tierseuche, der „Borna’schen Krankheit“, bekannt, konnte erst 2018 nachgewiesen werden, dass das Virus auch auf den Menschen übertragbar ist und somit zoonotisches Potenzial besitzt. Viele Fragen zu BoDV-1 sind bisher noch ungeklärt. Dazu gehören zum Beispiel die Übertragungswege des Virus vom Reservoirwirt Feldspitzmaus (Crocidura leucodon) auf den Menschen oder auch die Umweltstabilität des Virus. Seit 2023 wird deshalb in Bayern im Rahmen des Projekts „Zoonotic Bornavirus Focalpoint Bavaria“ (ZooBoFo) zu BoDV-1 geforscht. ZooBoFo ist ein interdisziplinäres Forschungsprojekt, das vom LGL in Kooperation mit dem Friedrich-Loeffler-Institut (FLI) sowie den Universitätskliniken Regensburg und Augsburg durchgeführt wird.

Das ZooBoFo-Projekt

Bei der Forschung zu Zoonosen ist es essenziell, ein ganzheitliches Konzept wie den One-Health-Ansatz anzuwenden. Aspekte der Gesundheit von Mensch, Tier und Umwelt sollen also gleichermaßen in die Forschung einbezogen werden. Dem ZooBoFo-Projekt liegt dieser One-Health-Gedanke zugrunde. Ein Hauptziel des Projektes ist die Eingrenzung des Übertragungsweges von BoDV-1 von der Feldspitzmaus auf Sackgassenwirte (zum Beispiel Pferde, Schafe, Alpakas, Mensch), um zukünftig gezieltere Empfehlungen zur Vermeidung von Infektionen aussprechen zu können. Weiterhin soll im Rahmen des Projektes auch das Bewusstsein für BoDV-1 in der Bevölkerung, Ärzte- und Tierärzteschaft sowie in bestimmten Risikogruppen (beispielsweise Tätige der Forst- und Landwirtschaft, Kleinsäugerexpertinnen und -experten) gestärkt werden. ZooBoFo hat es sich zudem zum Ziel gesetzt, umfassende Erkenntnisse zur Umweltstabilität von BoDV-1 zu erlangen. Weitere Projektziele sind die Gewinnung von Erkenntnissen zum Verlauf der Infektion im Erregerreservoir, die exaktere Beschreibung des regionalen Vorkommens von BoDV-1, insbesondere in Bayern, die Eruierung der Wirksamkeit antiviraler Substanzen gegen BoDV-1 in Zellkultur sowie die weitere Aufklärung des Symptomspektrums von BoDV-1-Infektionen beim Menschen.

Im Nachfolgenden soll exemplarisch anhand von zwei Beispielen – Information der Bevölkerung nach Bekanntwerden von BoDV-1-Infektionen bei Igeln in Bayern und Suche nach BoDV-1 in Umweltproben – ein Einblick in die Arbeit von ZooBoFo gegeben werden.

BoDV-1 bei Igeln – Aufklärung der Bevölkerung

Im Sommer 2024 diagnostizierte das FLI sechs Fälle von BoDV-1-Infektionen bei Igeln. Bereits zwei Jahre zuvor, im Jahr 2022, wurde ein Fall bei einem Igel entdeckt. Alle Tiere stammten aus Regionen in Bayern, die zuvor schon als BoDV-1-Endemiegebiet bekannt waren. Die Igel waren allesamt schwer erkrankt mit neurologischen Symptomen aufgefunden und zu Igelauffangstationen gebracht worden, wo sie nach kurzer Zeit verstarben. Nach aktuellem Kenntnisstand ist davon auszugehen, dass auch BoDV-1-infizierte Igel in der Regel als Sackgassenwirte fungieren, die das Virus nicht ausscheiden. Aufgrund der Verwandtschaftsverhältnisse von Spitzmaus und Igel – beide gehören zu den Insektenfressern – kann jedoch aktuell nicht völlig ausgeschlossen werden, dass infizierte Igel das Virus in Einzelfällen doch ausscheiden könnten. Dies ist Gegenstand der aktuellen Forschung. Da Igel zudem Träger anderer Krankheitserreger sein können, die auch auf den Menschen übertragbar sind, werden entsprechende Schutzmaßnahmen im Umgang mit diesen Tieren generell empfohlen. Nach Bekanntwerden der BoDV-1-Fälle bei Igeln informierte das LGL über eine Pressemitteilung über die aktuellen Forschungsergebnisse. Im Rahmen des ZooBoFo-Projektes entwickelte das LGL zudem verschiedene Informationsmaterialien, unter anderem zum Schutz vor Igel-übertragenen Infektionskrankheiten und zur sicheren Entsorgung toter Igel (vgl. Abbildung 1).

Darüber hinaus veröffentlichte das LGL Antworten auf häufig gestellte Fragen (FAQ) auf den LGL-Internetseiten. Bürgerinnen und Bürger, Medienvertreter sowie auch die bayerischen Gesundheits- und Veterinärämter konnten sich weiterhin mit ihren Fragen zum Thema BoDV-1 bei Igeln an das LGL wenden.

Informationsmaterialien zu Igel-übertragenen Infektionskrankheiten mit QR-Code

Abbildung 1: Informationsmaterialien zu Igel-übertragenen Infektionskrankheiten


Auf der Suche nach BoDV-1 in der Umwelt

Bislang ist unklar, wie sich der Mensch mit BoDV-1 infiziert. Ein direkter Kontakt mit infizierten Spitzmäusen scheint dabei nach aktuellem Kenntnisstand eher eine untergeordnete Rolle zu spielen. Eine Überlegung ist, dass Spitzmäuse über ihre Ausscheidungen (Speichel, Urin, Kot) die unbelebte Umwelt kontaminieren könnten und der Mensch sich dann über die Umwelt mit dem Virus infiziert. Hierfür müsste BoDV-1 eine gewisse Umweltstabilität (ähnlich wie Hantaviren) aufweisen. Auch dies wird im Rahmen des ZooBoFo-Projektes untersucht.

Seit Ende 2023 hat das LGL mehrere Standorte in Bayern identifiziert, an denen BoDV-1-infizierte Feldspitzmäuse innerhalb bzw. in der Nähe von Gebäuden gefunden wurden. So wurden tote, BoDV-1-positive Feldspitzmäuse zum Beispiel auf Dachböden, in einer Garage, in einem Bienenstock (siehe Abbildung 2), in einer Dachgeschosswohnung und in einem Küchenfußboden gefunden. Mit dem Ziel herauszufinden, ob an diesen Fundorten BoDV-1 in der Umwelt nachweisbar ist, führte das LGL in Kooperation mit dem Universitätsklinikum Regensburg und mit Unterstützung der lokalen Gesundheitsämter mehrere Feldeinsätze durch. An allen Standorten wurde BoDV-1-RNA in den genommenen Abstrichproben nachgewiesen, die Isolierung von infektiösem Virus gelang 2024 jedoch nicht. Dies mag daran liegen, dass die Beprobung erst zwei bis fünf Wochen nach Auffinden der BoDV-1-positiven Spitzmäuse durchgeführt werden konnte. Die Ergebnisse weisen aber auch darauf hin, dass BoDV-1 unter natürlichen Bedingungen nur eine begrenzte Umweltstabilität aufweist, das Infektionsrisiko nach Kontamination der Umwelt durch die Ausscheidungen infizierter Spitzmäuse somit zeitlich begrenzt ist.


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