Erkrankung durch Bornavirus

Erreger

Beim Borna Disease Virus 1 (BoDV-1, „klassisches Bornavirus“, „Pferdebornavirus“) handelt es sich um den Erreger der Borna’schen Krankheit, die seit mehr als 250 Jahren als Tierseuche bekannt ist. Im Jahr 2018 wurde BoDV-1 erstmalig als Ursache schwerer Gehirnentzündungen (Enzephalitiden) beim Menschen identifiziert. BoDV-1 ist klar abzugrenzen vom sogenannten Bunthörnchen-Bornavirus (Variegated squirrel bornavirus, VSBV-1) welches ebenfalls auf den Menschen übertragbar ist und schwere Enzephalitiden verursachen kann.

Reservoir

Das einzige zurzeit bekannte natürliche Reservoir für BoDV-1 ist die Feldspitzmaus (Crocidura leucodon) (Abb.1). Sie kann das Virus unter anderem über Speichel, Urin, Kot und die Haut ausscheiden ohne selbst daran zu erkranken.

Spitzmaus

Abb. 1 Feldspitzmaus (Crocidura leucodon), Bildnachweis: FLI / Dr. Henning Vierhaus

Übertragung auf den Menschen

Die Übertragung des Virus von der Feldspitzmaus auf den Menschen ist bisher nicht geklärt. Es sind verschiedene Übertragungswege denkbar. Mögliche Infektionswege könnten die Aufnahme des Virus über verunreinigte Lebensmittel oder Wasser, das Einatmen des Virus über kontaminierten Staub, eine Schmierinfektion über kontaminierte Erde oder auch der direkte Kontakt bzw. Biss einer Feldspitzmaus sein. Weiterhin ist es vorstellbar, aber nicht nachgewiesen, dass die Übertragung über ein „Bindeglied“ (z. B. Hauskatzen, die Spitzmäuse jagen) erfolgt. Eine Übertragung von Mensch-zu-Mensch ist (außerhalb des medizinischen Kontext z. B. bei Transplantationen) extrem unwahrscheinlich und bisher auch nicht bekannt, ebenso wie die direkte Übertragung von anderen Tieren als Feldspitzmäusen (z. B. infizierten Pferden oder Schafen) auf den Menschen.

Auftreten beim Menschen

Bisher sind nur wenige Fälle von BoDV-1 Erkrankungen beim Menschen bekannt, die in Bayern zwischen 1996 und 2023 aufgetreten sind. Aktuell (Stand Januar 2024) liegt die Anzahl identifizierter humaner Fälle im mittleren zweistelligen Bereich. Seit Einführung der Meldepflicht zum 1. März 2020 sind dem Robert Koch-Institut bis zu 6 akute Fälle von BoDV-1 Enzephalitis pro Meldejahr übermittelt worden, ein Großteil der Fälle davon aus Bayern (> 90%).

Zunächst wurde das Virus bei einem Cluster von BoDV-1 Erkrankungen (n=3) nachgewiesen, die in Zusammenhang mit der Transplantation von Organen desselben aufgrund einer anderen Ursache verstorbenen Spenders standen. Zwei der transplantierten Patienten verstarben im weiteren Verlauf, eine Person überlebte mit schweren Folgeschäden. Weitere Fälle unabhängig von diesem Cluster und auch untereinander ohne Verbindung wurden nachfolgend in Bayern entdeckt. Einzelne Fälle wurden zudem aus Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Thüringen und Sachsen berichtet.

Symptomatik

Ein Großteil der bekannten an BoDV-1 erkrankten Personen litt zu Beginn an Kopfschmerzen, Fieber und allgemeinem Krankheitsgefühl. Im Anschluss (i.d.R. binnen weniger Tage) kam es zu neurologischen Symptomen, wie Verhaltensauffälligkeiten, Sprach- und Gangstörungen. Im weiteren Verlauf entwickelten die Erkrankten eine schwere Enzephalitis und fielen binnen Tagen bis Wochen in ein tiefes Koma. Bis auf bisher vier Erkrankungsfälle, die teilweise mit schwersten Folgeschäden überlebten, verstarben alle bekannten Fälle an der BoDV-1 Infektion.

Prävention

Vom Robert Koch-Institut wurde in Kooperation mit dem Bernhard-Nocht-Institut und dem Friedrich-Loeffler-Institut ein Merkblatt mit „Informationen zur Vermeidung von Infektionen mit dem Borna Disease Virus 1“ herausgegeben. (siehe "Links" in der rechten Spalte).

Nach aktuellem Kenntnisstand kommen Übertragungen von BoDV-1 auf den Menschen nur sehr selten vor (bundesweit einstellige Anzahl von Fällen pro Jahr). Das Infektionsrisiko ist entsprechend gering. Eine Impfung gegen BoDV -1 steht bislang nicht zur Verfügung. Daher kann das Risiko einer Infektion nur durch eine Vermeidung des Kontakts mit Spitzmäusen und deren Ausscheidungen reduziert werden.

Werden Spitzmäuse im häuslichen Umfeld beobachtet, ist wichtig, ihre Nahrungsquelle ausfindig zu machen und diese zu beseitigen. Als Nahrungsquelle geeignet sind für Spitzmäuse beispielsweise Insekten, die sich in Komposthaufen oder anderen außen gelagerten Abfällen ansiedeln. Auch im Außenbereich angebotenes Tierfutter nehmen Spitzmäuse gerne. Generell sollten tote Spitzmäuse niemals mit bloßen Händen angefasst werden. Ist eine tote Spitzmaus zu entsorgen – zum Beispiel, weil eine Katze sie ins Haus geschleppt hat – dann sollten Gummihandschuhe und bei Staubentwicklung möglichst eine eng anliegende Maske oder eine Feinstaubmaske (z. B. FFP2, KN95) und nach Möglichkeit eine Schutzbrille getragen werden. Vor der Entsorgung Spitzmäuse und deren Ausscheidungen zunächst gründlich mit einem handelsüblichen Reinigungsmittel besprühen. So verhindert man die Aufwirbelung von virushaltigem Staub bei der Entsorgung und anschließenden Reinigung. Die tote Spitzmaus kann dann mit einer über die Hand gestülpten Plastiktüte aufgenommen werden. Die Plastiktüte im Anschluss gut verschließen und mit dem Hausmüll entsorgen. Das Robert Koch-Institut empfiehlt weiterhin, sofort nach Beendigung staubiger Arbeiten zu duschen (einschließlich Haarewaschens) und die benutzte Kleidung umgehend zu waschen.

Meldepflicht

Seit dem 1. März 2020 gibt es eine Meldeplicht für Bornavirus-Infektionen (BoDV-1, VSBV-1). Demnach ist der direkte Virusnachweis von Bornaviren beim Menschen gemäß §7 IfSG für Labore an das Gesundheitsamt meldepflichtig.

Labordiagnostik

Informationen zur Diagnostik von BoDV-1 finden sich auf den Seiten des Robert Koch-Instituts (siehe "Links" in der rechten Spalte)

Häufige Fragen

1. Wie steckt man sich mit dem Bornavirus an?

Die Möglichkeit einer Übertragung von BoDV-1 von Mensch zu Mensch über transplantierte Organe ist belegt, obschon es sich hierbei um einen extrem seltenen Übertragungsweg handelt. Neben einer Übertragung durch direkten Kontakt zu Feldspitzmäusen (z. B. durch Bissverletzungen) wäre denkbar, dass sich der Mensch – ähnlich wie bei Hantavirus-Infektionen – über die virushaltigen Ausscheidungen der Feldspitzmaus infiziert. Ein direkter Spitzmauskontakt wäre somit nicht zwangsläufig erforderlich. So könnten die Bornaviren beispielsweise über mit Ausscheidungen verunreinigte Lebensmittel oder Wasser aufgenommen werden. Auch das Einatmen kontaminierten Staubs oder eine Schmierinfektion (z. B. mit kontaminierter Erde) ist als Übertragungsweg denkbar.

2. Wie kann man sich schützen?

Nach aktuellem Kenntnisstand kommen Übertragungen von BoDV-1 auf den Menschen nur sehr selten vor (bundesweit einstellige Anzahl von Fällen pro Jahr). Das Infektionsrisiko ist entsprechend gering. Eine Impfung gegen BoDV-1 steht bislang nicht zur Verfügung. Daher kann das Risiko einer Infektion nur durch eine Vermeidung des Kontakts mit Spitzmäusen und deren Ausscheidungen reduziert werden. Lebende oder tote Spitzmäuse sollten nicht mit bloßen Händen berührt werden. Sollten Spitzmäuse im häuslichen oder Arbeitsumfeld identifiziert werden, gilt es, ihre Nahrungsquelle herauszufinden und sie ihnen zu entziehen. Spitzmäuse akzeptieren z. B.im Außenbereich angebotenes Hunde- oder Katzenfutter. Auch Komposthaufen oder andere Abfälle können durch das reiche Nahrungsangebot an Insekten für Spitzmäuse interessant sein. Spitzmäuse sollten auch nicht als Haustiere gehalten werden.

3. Können sich Haustiere (z. B. Katzen) mit dem Bornavirus infizieren und dieses auf den Menschen übertragen?

Katzen können sich in seltenen Fällen, ebenso wie der Mensch, mit dem Bornavirus als sogenannter Fehl- oder Endwirt („Dead-end Host“) infizieren. Das heißt, infizierte Katzen scheiden das Virus selbst nicht aus und sind somit nicht ansteckend.

Der genaue Übertragungsweg des Virus von der Feldspitzmaus auf den Menschen ist noch nicht bekannt und Gegenstand der aktuellen Forschung. Es sind verschiedene Übertragungswege denkbar. Eine Überlegung ist, dass das Bornavirus theoretisch über Haustiere übertragen werden könnte, die als passive „Bindeglieder" fungieren. Zum Beispiel über Katzen, die noch infektiöse Geweberückstände einer gefangenen Spitzmaus an Maul oder Pfoten aufweisen könnten. Nachgewiesen wurde eine Übertragung über diesen Weg bisher nicht. Da das Bornavirus begrenzt umweltstabil ist und Katzen zudem sehr reinliche Tiere sind, würde die in der Theorie angenommene Infektiosität maximal einige Stunden andauern. Hat eine Katze eine Spitzmaus gefangen, so sollte aber vorsichtshalber der direkte Kontakt zur Katze (z. B. beim Schmusen oder Streicheln) nach Möglichkeit für einige Stunden vermieden werden.

4. Wie sollte man tote (Feld-)Spitzmäuse beseitigen?

Personen, die Kadaver von (Feld)Spitzmäusen beseitigen, sollten Einmalhandschuhe und eine eng anliegende Maske oder eine Feinstaubmaske (z. B. FFP2, KN95) und nach Möglichkeit eine Schutzbrille tragen. Vor der Entsorgung sollten die (Feld)Spitzmäuse und deren Ausscheidungen zunächst gründlich mit einem handelsüblichen Reinigungsmittel besprüht werden. So verhindert man die Aufwirbelung von virushaltigem Staub bei der Entsorgung und anschließenden Reinigung von kontaminierten Flächen. Der Kadaver sollte mit einer über die Hand gestülpten Plastiktüte aufgenommen und sicher verpackt werden. Die verschlossene Plastiktüte mit der toten (Feld-)Spitzmaus kann anschließend in der Restmüll-Tonne entsorgt werden. Im Anschluss sollte geduscht werden (einschließlich Haarewaschens) und die benutzte Kleidung sollte umgehend gewaschen werden.

5. Was wird sonst unternommen, um mehr über diese Erkrankung herauszufinden?

Um mehr über die Borna’sche Krankheit beim Menschen im Sinne eines “One Health“-Ansatzes herauszufinden, sind in den letzten fünf Jahren zwei Forschungsverbünde gegründet worden (Bornavirus Focal Point Bayern (bzw. der Nachfolgeverbund Zoonotic Bornavirus Focal Point Bavaria 2.0) sowie das Zoonotic Bornavirus Consortium (ZooBoCo)). Neben dem LGL als Kooperationspartner sind u .a. das Robert Koch-Institut, das Friedrich-Loeffler-Institut, das Bernhard-Nocht-Institut und die Universität Regensburg an diesen Forschungsverbünden beteiligt. Unter anderem wird hier erforscht, wie BoDV-1 auf den Menschen übertragen wird, welche Risikofaktoren es für eine Infektion gibt, ob es neben der Feldspitzmaus noch weitere Reservoirs für BoDV-1 gibt oder auch ob noch andere – unter Umständen mildere – Verlaufsformen einer BoDV-1 Infektion existieren. Weitere Informationen zur Arbeit beider Forschungsverbünde finden sich hier:

6. Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es?

Eine spezifische Therapie für BoDV-1 Infektionen existiert bislang nicht. Auch ein Impfstoff zur Prävention von BoDV-1 Infektionen steht aktuell nicht zur Verfügung. Die Behandlung besteht entsprechend weiterhin im Wesentlichen aus unterstützenden Maßnahmen mit intensivmedizinischer Betreuung der Patienten.

Die Virostatika Ribavirin und Favipiravir haben sich in In-vitro Studien als wirksam gegen BoDV-1 erwiesen. Beide Medikamente sind nicht für die Behandlung der Borna’schen Krankheit beim Menschen zugelassen. Ihre Anwendung im Rahmen der Therapie von BoDV-1 Patienten ist damit als experimentell anzusehen und die Wirksamkeit nicht geklärt. Unklar ist ebenfalls, ob eine (ggf. zusätzliche) immunsuppressive Therapie für den Verlauf und die Prognose bei einer BoDV-1 Infektion förderlich ist. Bisherige Therapieversuche bei BoDV-1 Patienten zögerten den Krankheitsverlauf in Einzelfällen hinaus, konnten aber keinen durchschlagenden Erfolg erbringen.