Forschungsprojekt: JADECARE –„Joint Action on implementation of digitally enabled integrated person-centred care“: Implementierung digital-unterstützter, integrierter, personenzentrierter Gesundheitsversorgung in Europa

JADECARE im Überblick

Laufzeit

01. Oktober 2020 bis 30. September 2023 (3 Jahre)

Förderung

Über das dritte Gesundheitsprogramm der Europäischen Union (2014-2020), Begleitung durch die EU-Kommission (Projektnummer 951442)

Projektkoordination

Kronikgune Institute for Health Services Research (Spanien), jetzt „Biosistemak Institute for Health Systems Research“

Beteiligung

45 Organisationen aus 16 Ländern der Europäischen Union

Partnerländer

Belgien, Estland, Italien, Serbien, Kroatien, Frankreich, Lettland, Slowenien, Tschechische Republik, Deutschland, Portugal, Spanien, Dänemark, Griechenland, Großbritannien, Ungarn
Link zum Projekt und den Social Media-Kanälen des Projekts: https://www.jadecare.eu/

Weiterführende Publikationen zum Projekt

  • Martina Rimmele und Thomas Ewert: JADECARE – Implementierung digital unterstützter, integrierter, patientenzentrierter Gesundheitsversorgung in Europa (ab S. 183 in: Digitale Technik für ambulante Pflege und Therapie II, Impulse für die Praxis, Herausgegeben von: Karsten Weber, Sonja Haug, Norina Lauer, Christa Mohr, Andrea Pfingsten, Georgios Raptis und Gudrun Bahr, Band 3 der Reihe Regensburger Beiträge zur Digitalisierung des Gesundheitswesens, transcript Verlag, Digitale Technik für ambulante Pflege und Therapie II (degruyter.com)
  • Ane Fullaondo, Yhasmine Hamu, Jelka Zaletel and Denis Opresnik, on behalf of the JADECARE Consortium: Accelerating the path to digitally enabled integrated care in Europe, by, Eurohealth-29-1-2023-eng.pdf (lse.ac.uk)

Ziel

Das Ziel des EU-Projektes JADECARE war es, koordinierte, fach- und sektorenübergreifende patientenzentrierte Gesundheitsversorgungsstrategien mithilfe digitaler Lösungen in verschiedenen europäischen Regionen umzusetzen. Gleichzeitig sollte die Kompetenz von Gesundheitsbehörden für die dazu notwendigen begleitenden Transformationsschritte gestärkt werden.

Hintergrund

Durch die Alterung in der Bevölkerung sind immer mehr Menschen von chronischen Krankheiten und Multimorbidität betroffen. Dadurch steigt der Bedarf an einer koordinierten und personalisierten Versorgung, welche die Bedürfnisse der Menschen in der Stadt und auf dem Land berücksichtigt und Versorgungsbrüche minimiert. Um die dafür erforderlichen patientenzentrierten, sekto¬renübergreifenden Maßnahmen effizient zu ermöglichen, ist ein digital unterstütztes und technisch-vernetztes Gesundheitssystem auf Basis einer sorgfältigen Datenanalyse notwendig. Es gibt in Europa bereits verschiedene innovative digitale Instrumente und Versorgungsdienstleistungen, die sich in der Unterstützung einer fach- und sektorenübergreifenden, qualitativ hochwertigen personenzentrierten Gesundheitsversorgung bewährt haben. Diese Versorgungsmodelle zeigten Potential, erfolgreich auf andere Regionen übertragen werden zu können.

Methodik und Durchführung

Im Projekt JADECARE dienten vier solcher bewährten Praxisbeispiele aus verschiedenen europäischen Gesundheitssystemen als „Best Practices“, deren erprobte Verfahren in weitere 21 Regionen in Europa übertragen wurden. Die Praxisbeispiele beinhalteten unter anderem. digital unterstützte Maßnahmen bei chronischen Erkrankungen und Multimorbidität oder zur Förderung von Selbstversorgung, Disease und Case Management. Die vier Praxisbeispiele waren:

  • die Gesundheitsstrategie des Baskenlandes: „Integrierte Versorgung für Ältere und chronisch Erkrankte“,
  • das Katalanische Innovationszentrum ICT (Informations- und Kommunikationstechnologien)-unterstützter integrierter Versorgungsdienste für chronisch Erkrankte
  • das Hamburger OptiMedis Modell einer bevölkerungsbezogenen integrierten Versorgung
  • der Digitale Fahrplan für eine integrierte Gesundheitsversorgung der Region Süddänemark.

Aus diesen Praxisbeispielen wurden erfolgreiche Kerninhalte und Maßnahmenbausteine identifiziert, strukturiert für eine mögliche Übertragung aufbereitet und den 21 teilnehmenden Partnerregionen zur Verfügung gestellt. Diese wählten geeignete Bausteine oder Bausteinkombinationen aus, passten sie gezielt an die Situation, Bedarfe und das regionale Umfeld an und überführten die Bausteine in ihre Gesundheitssysteme. Zu Beginn wurden situationsangepasste Wirksamkeitsindikatoren definiert, Ergebnisse und Prozesser¬fahrungen während der Implementierung kontinuierlich analysiert sowie weiterführende Nachhaltigkeitsmaßnah¬men von Beginn an festgelegt. Begleitend wurden strukturierte Berichte, Analysen und Blaupausen mit Empfehlungen für einen erfolgreichen Implementierungsprozess und nachhaltige Strategien erarbeitet.

Projektstruktur und Aufbau (Abbildung 1):


In Abbildung 1 wird die Aufteilung der Projektstruktur in acht Arbeitspakete (Work Packages, WPs) dargestellt. Darunter wurden vier Horizontale Service-WPs mit WP 1-4 und vier Transfer-und Implementierungs-WPs mit WP 5-8 bezeichnet
WP1 stellte die übergreifende Projektkoordination über alle WPs und das Gesamtprojekt. WP1 war auch für die Kommunikation mit der EU-Kommission und für die finanzielle Abwicklung des Gesamtprojektes zuständig. WP2 verantwortete die Dissemination der Projektziele und Ergebnisse sowie die Kommunikation innerhalb und außerhalb des Projektes zu externen Stakeholdern (zum Beispiel mittels der jährlichen Stakeholder Foren). WP2 führte zudem das interne und externe Event-Management zum Projekt durch. WP3 kümmerte sich um das übergreifende Monitoring der Key Performance Indikatoren bezüglich der Projektergebnisse und bzgl. der Durchführung des Projektes sowie um die Evaluation der Projektergebnisse und der Projektdurchführung. WP4 unterstützte aktiv den Wissenstransfer innerhalb des Projektes zwischen den Projektteilnehmern, aber auch zu externen Stakeholdern (zum Beispiel über jährliche Policy Board meetings). WP4 unterstützte zudem systematisch die Integration des JADECARE-Projektes in die jeweils nationale Politik in den Ländern mit den relevanten Stakeholdern und erarbeitete aktiv die Nachhaltigkeitsaspekte und -aktivitäten im Projekt mit den Partnerregionen.
In den WPs 5-8 wurde von und mit Vertretern der vier bewährten Praxisbeispiele der Transfer der selektierten Kernelemente in die jeweiligen Partnerregionen angeleitet, methodisch begleitet und durchgeführt.


Beteiligte Regionen (Abbildung 2):


Abbildung 2 zeigt, dass 45 Organisationen aus 16 Ländern im Projekt beteiligt waren. Die Graphik verdeutlicht die Lage der Organisationen in den Ländern und identifiziert die vier Orte der bewährten Praxisbeispiele, die 21 implementierenden Partnerregionen und die Organisationen, die das Projekt logistisch oder fachlich-inhaltlich in den WPs 1-4 unterstützten.

Die Implementierungsstrategie beinhaltete ein dreistufiges Vorgehen, wie in Abbildung 3 gezeigt:

  • die Prä-Implementierungs-Stufe: Planung und Vorbereitung der lokalen Aktionspläne
  • die Implementierungs-Stufe: Roll-out und Umsetzung der lokalen Aktionspläne
  • die Post-Implementierungs-Stufe: Wirksamkeitsbewertung und Zusammenstellung der gewonnenen Erkenntnisse für weitere Anwendungen

Implementierungsstrategie (Abbildung 3):


Das Projekt startete unter Beteiligung des Bayerischen Landesamtes für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) im Auftrag des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit, Pflege und Prävention (StMGP) im Oktober 2020. Die vielfältigen Ergebnisse des dreijährigen Projektes wurden am 28. September 2023 mit der finalen Konferenz im Rahmen des European Health Forum in Bad Hofgastein, Österreich, vorgestellt.
Die Koordinierungsstelle E-Health des LGL unterstützte das Projekt von Beginn an, insbesondere mit der inhaltlichen Gestaltung und Organisation der internen und externen Veranstaltungen (WP2) und mit Veranstaltungen zum Wissensaufbau, -austausch und -transfer (WP4). Zu den Aufgaben des LGL gehörten zudem, relevante Akteure und Stakeholder im Gesundheitswesen der verschiedenen beteiligten Europäischen Regionen gemeinsam mit den beteiligten Regionen zu identifizieren und zu katalogisieren. Mit insgesamt sechs Newslettern und drei Stakeholder Foren konnten diese dann fachlich und inhaltlich informiert und zum fachlich-politischen Austausch angeregt werden. Die vom LGL ausgerichteten Stakeholder-Foren dienten dazu, Ergebnisse zu veröffentlichen und zu verbreiten, Implementierungsstrategien im Expertenaustausch zu verbessern und digitale Transformationsprozesse von Gesundheitsbehörden für eine nachhaltige integrierte Versorgung zu unterstützen. Die Foren bildeten die Plattform für einen aktiven, erkenntnisreichen Austausch zwischen Stakeholdern aus Wissenschaft, Politik und Gesundheitswesen (zum Beispiel Kostentragende Institutionen, Leistungserbringende, Mitwirkende bei gesundheitspolitischen Entscheidungen, Patientenorganisationen, Mitarbeitende in der Entwicklung digitaler Lösungen für das Gesundheitswesen, wissenschaftliches Personal).
Um den Gesundheitsbehörden die hierfür notwendigen Kompetenzen strukturiert an die Hand zu geben, fanden zusätzlich im Rahmen der WP4-Aktivitäten drei Policy Board Meetings und Policy Dialogues statt. Diese dienten dem vertieften und praxisnahen Erfahrungsaustausch mit politisch relevanten Stakeholdern. Auch das StMGP war aktiv an diesen Erfahrungsaustauschen beteiligt.

Ergebnisse aus JADECARE

Die 21 Partnerregionen ermittel¬ten im Rahmen von JADECARE mehr als 150 lokale Bedarfe im Rahmen der Gesundheitsversorgung, die zu 64 durchgeführten lokalen Maßnahmen führten. Davon profitieren über vier Millionen Menschen.

Implementierte Maßnahmen (Abbildung 4):


In Abbildung 4 werden die 64 durchgeführten Maßnahmen weiter aufgeschlüsselt dargestellt. Elf der 64 Maßnahmen hatten eine Risiko-Stratifizierung als Thema, 36 eine integrierte Versorgung, acht entwickelten lokale Regularien fort und neun befassten sich mit „Patient Empowerment“.
Für eine erfolgreiche Nachhaltigkeitsstrategie des Projekts wurden über die WP4-Tätigkeiten drei zentrale Kernelemente identifiziert:

  • ein unterstützendes politisches Umfeld,
  • die Eigenverantwortung der Akteure für Nachhaltigkeit sowie
  • eine Kultur der Zusammenarbeit mit Willen zur Konsensfindung.

Es wurden mehr als 100 verschiedene Nachhaltigkeitsmaßnahmen zur Fortschreibung der implementierten Maßnahmenpakete definiert.
Im Projekt konnte durch die digital-unterstützten Maßnahmenpakete in nahezu alle beteiligten Regionen eine Steigerung der fach- und sektorenübergreifenden Versorgung der Bevölkerung erreicht werden. So konnten 16 der 21 beteiligten Regionen neue oder veränderte gesundheitspolitische Maßnahmen, Systeme, Produkte und Technologien sowie Dienstleistungen und die Etablierung einer Neuorganisation der integrierten Versorgung bestätigen. Diese gingen mit einer Verbesserung der digitalen Instrumente und Maßnahmen einher.
Mehr als 60 % der beteiligten Partner konnten direkte positive Veränderungen bei digitalen Diensten und Datennutzungen feststellen, zum Beispiel bei der Infrastruktur des digitalen Gesundheitssystems, bei Datenanalyse und Nutzung von Technologien, bei Instrumenten zur Stärkung der Bürger und bei den von Patienten gemeldeten Daten.
Das Projekt konnte auf 45 wissenschaftlichen Kongressen vorgestellt werden und in über 30 Veranstaltungen einen internen Wissensaustausch gewährleisten. Erste Ergebnisse wurden bereits in acht Publikationen der Fachwelt zur Verfügung gestellt. Weitere Publikationen wurden eingereicht oder sind in fortgeschrittener Vorbereitung. Es wurden 11 Youtube-Videos produziert (JADECARE EU - YouTube) und über 400 Follower auf den Social mMedia-Kanälen gewonnen.

Schlussfolgerungen und Ausblick

Ziel von JADECARE war es, einen Beitrag zu effizienten und nachhaltigen digital unterstützten Gesundheitssystemen zu leisten.
JADECARE erwies sich als Chance, in einigen Regionen den Beginn von Innovationen anzuregen und in anderen den Innovationsprozess im Bereich der digital unterstützten, integrierten, personenzentrierten Versorgung zu beschleunigen.
Das Projekt schärfte das Bewusstsein für die konkreten Herausforderungen, die entstehen, wenn digitale Innovationen in ein Gesundheitssystem eingeführt werden. Es lieferte zeitgleich das Verständnis und die Methodik der dazu erforderlichen Instrumente und Maßnahmen.
Die standardisierte Methodik von JADECARE umfasste Risikomanagement und Prozessrahmenwerke. Eine strukturierte, gut vorbereitete und kontinuierliche Überwachungsmethodik zur Durchführung von Vergleichsanalysen zwischen dem ursprünglichen Plan und dem tatsächlichen Fortschritt half, Projektrisiken zu ermitteln, zu bewerten und über geeignete Aktivitäten abzumildern. Die Methodik trug dazu bei, den notwendigen zeitlichen Rahmen der Aktivitäten, die erforderlichen Ressourcen und etwaige kritische Punkte systematisch realistisch einzuschätzen. So konnten auch die Nachhaltigkeit der Projektergebnisse sowie die Genauigkeit künftiger Prognosen verbessert werden.
Gegen Ende des Projekts wurde eine Blaupause mit Leitlinien entwickelt, die den standardisierten methodischen Rahmen von JADECARE aufzeigt und die Skalierbarkeit und Replikation einzelner Projekte ermöglicht. Der Leitfaden kann auf Projekte unterschiedlicher Größe, Komplexität und Kontexte angewendet werden. Die Standardisierung ermöglicht eine effiziente Vergrößerung oder Verkleinerung der Projektaktivitäten und liefert eine solide Grundlage, mit deren Hilfe Ressourcen möglichst effizient genutzt und Projektziele möglichst konsequent erreicht werden können. Darüber hinaus können die standardisierten Ansätze bei bereits bestehenden, ähnlichen Projekten angewandt werden, um deren Effizienz, den Wissensaustausch und eine kontinuierliche Verbesserung zu fördern.