Tularämie – eine Zoonose auf dem Vormarsch
Abstract
Die Tularämie ist eine weit verbreitete Zoonose. Während zahlreiche Tierarten den Erreger beherbergen können, erkranken an der Hasenpest vorwiegend Feldhasen. Seit 2012 führt das LGL ein Feldhasenmonitoring durch. Bislang hat das LGL mehr als 1.000 tot aufgefundene oder klinisch auffällig erlegte Feldhasen pathologisch und mikrobiologisch untersucht. Die Tularämie stellt dabei mit ca. 30 % die häufigste Todesursache der am LGL untersuchten Feldhasen dar. Mit Ausnahme geringfügiger Schwankungen ist dieser Anteil im gesamten Untersuchungszeitraum annähernd gleichgeblieben. Demgegenüber ist bei den humanen Fällen ein deutlicher Anstieg in den letzten Jahren zu verzeichnen. Die Ursache hierfür ist noch unklar und Gegenstand aktueller Untersuchungen.
Hintergrund
Die Tularämie ist eine weitverbreitete Infektionskrankheit, die landläufig aufgrund des Vorkommens vor allem bei Feldhasen auch als Hasenpest bezeichnet wird. Es handelt sich um eine Infektion, die von einem tierischen Wirt auf den Menschen übertragen werden kann (Zoonose). Verursacht wird die Tularämie durch das Bakterium Francisella tularensis. Hierzulande tritt ausschließlich die Subspezies holarctica auf. Es handelt sich dabei um einen Erreger der Risikogruppe 2, also um einen Biostoff, der zwar eine Erkrankung beim Menschen verursachen kann, dessen Ausbreitung in der Bevölkerung aber unwahrscheinlich ist.
One-Health-Konzept zur Überwachung der Tularämie
Generell ist es bei der Überwachung epidemischer Trends von Zoonosen wie der Tularämie sinnvoll, das One-Health-Konzept anzuwenden, also Aspekte von Humangesundheit, Tiergesundheit und Umwelt gleichermaßen einzubeziehen. Bei der Tularämie kommt dieses Konzept in Bayern seit vielen Jahren zum Tragen. So analysiert das LGL für diese Zoonose unter anderem die mithilfe des Feldhasenmonitorings gewonnen Daten in Zusammenschau mit den Meldedaten für Humanfälle nach Infektionsschutzgesetz. Das Feldhasenmonitoring wird in erfolgreicher Kooperation mit dem Bayerischen Jagdverband seit Oktober 2012 am LGL intensiviert durchgeführt.
Ergebnisse
Tularämie beim Menschen
In den letzten zehn Jahren wurde ein deutlicher Anstieg der Tularämiefälle beim Menschen beobachtet. Dem LGL wurden im Jahr 2024 in Bayern mehr als 70 Fälle gemeldet, so viele wie noch nie zuvor. Die Ursache hierfür ist noch nicht abschließend geklärt und Gegenstand aktueller Untersuchungen.
Abbildung 1: Übermittelte Humanfälle von Tularämie (n=243) in Bayern, Zeitraum 2001 bis 2024
Krankheitsbild
Das Krankheitsbild der Tularämie beim Menschen ist eher unspezifisch und hängt von der Eintrittspforte des Erregers ab. Neben grippalen Symptomen kann es beispielsweise auch Geschwüre an der Eintrittsstelle, Lymphknotenschwellungen sowie Augen- und Lungenentzündungen umfassen. Selten kommen schwere Verlaufsformen mit Meningitis oder Sepsis vor; bei der in Europa vorkommenden Subspezies holarctica sind Tularämie-bedingte Todesfälle beim Menschen die Ausnahme. Beim Menschen werden Erkrankungsgipfel im Spätsommer und Herbst verzeichnet.
Abbildung 2: Anzahl von Tularämiefällen pro Monat bei Mensch (n=231) und Feldhase (n=312). Dargestellt sind die im Zeitraum 2012 bis 2024 in den einzelnen Monaten aufsummierten Zahlen.
Übertragungswege
Maßnahmen zum Schutz vor Infektionen
Da eine Impfung gegen Tularämie aktuell nicht zur Verfügung steht, sollten zur Vermeidung von Infektionen die entsprechenden Hygieneregeln eingehalten werden: Generell sollte der Kontakt zu Tierkadavern (Hasen und anderen Kleinsäugern, aber auch alle anderen Tierarten) nach Möglichkeit vermieden werden. Insbesondere sollten verendete Tiere niemals mit bloßen Händen angefasst werden. Ist ein toter Kleinsäuger zu entsorgen, dann sollten bestimmte Sicherheitsmaßnahmen getroffen werden.
Jäger sind aufgrund der hohen Prävalenz des Erregers in Feldhasen besonders gefährdet. Deshalb wird Jägern empfohlen, beim Umgang mit toten bzw. erlegten Feldhasen grundsätzlich Einmalhandschuhe und ggf. eine Schutzmaske (FFP2/FFP3) zu tragen.
In den letzten Jahren wurde auch eine Zunahme der durch Zecken übertragenen Tularämie beobachtet. Die Vermeidung von Infektionen mit Francisella tularensis ist ein weiterer Grund, sich vor Zeckenstichen zu schützen.
Tularämie beim Tier (Feldhase)
Tularämie wurde am LGL bisher ausschließlich bei Feldhasen nachgewiesen. Im Folgenden soll daher auf die Ergebnisse des Feldhasenmonitorings näher eingegangen werden.
Ergebnisse des Feldhasenmonitorings
Die Feldhasenpopulation ist in Deutschland seit ca. 50 Jahren tendenziell rückläufig. Neben klimatischen Einflüssen, dem Rückgang von Äsungsangebot und Rückzugsmöglichkeiten (Deckungen) – unter anderem im Zuge der Ausweitung von Gewerbeflächen und Wohnbebauung, der Intensivierung der Landwirtschaft und des zunehmenden Straßenverkehrs – spielen auch Krankheiten eine Rolle. Das LGL untersucht seit 2012 im Rahmen eines Monitorings verendet aufgefundene oder klinisch auffällig erlegte Feldhasen pathologisch und mikrobiologisch bzw. auch parasitologisch. Auf diese Weise soll geklärt werden, welche Krankheiten besonders häufig bei Feldhasen vorkommen und so einen Einfluss auf den Rückgang der Population haben.
Im Rahmen des Feldhasenmonitorings hat das LGL bis Ende 2024 insgesamt 1.032 Tiere untersucht. Die Tularämie stellt dabei mit 312 Fällen die häufigste Todesursache dar, gefolgt von Infektionskrankheiten wie Pseudotuberkulose (15 %), European Brown Hare Syndrome (EBHS, 9 %), Pasteurellose (8 %) sowie Parasitosen (11 %) und Verletzungen (13 %), letztere überwiegend im Rahmen von Verkehrsunfällen. Über die Jahre hinweg zeigt die Häufigkeit der Diagnose Tularämie nur geringe Schwankungen und ist insgesamt für 30 % der Todesfälle bei den zwischen 2012 und 2024 untersuchten Feldhasen verantwortlich. Die Tularämie beim Feldhasen wurde bislang in 51 Landkreisen und sämtlichen Regierungsbezirken Bayerns festgestellt.
Abbildung 3: Regionale Verteilung der Tularämie-Fälle bei Mensch (n=231) und Feldhase (n=312) in Bayern, Meldejahre 2012 bis 2024 (Hinweis: aus Datenschutzgründen sind die Punkte im betroffenen Landkreis zufällig verteilt und entsprechen nicht der exakten Lokalisation des Auffinde-/Infektionsorts. Aufgrund der räumlichen Nähe einzelner Fälle können Punkte überlappen.)
Krankheitsbild und pathologische Befunde
Auch Feldhasen erkranken schwer, wenn sie sich mit Francisella tularensis infizieren. Sie sind häufig apathisch und verlieren Scheu und Fluchtdrang. Innerhalb weniger Tage verendet ein Großteil der infizierten Tiere infolge einer Sepsis. Wie bei vielen Infektionskrankheiten befällt die Tularämie häufig abgemagerte, durch Endoparasitenbefall geschwächte Tiere, insbesondere zu Zeiten nasskalten Wetters und fehlenden Nahrungsangebotes.
Die meisten Tularämiefälle beim Feldhasen treten demnach im Frühjahr und im Herbst auf.
Abbildung 2: Anzahl von Tularämiefällen pro Monat bei Mensch (n=231) und Feldhase (n=312). Dargestellt sind die im Zeitraum 2012 bis 2024 in den einzelnen Monaten aufsummierten Zahlen.
Die Tularämie tritt meist als Monoinfektion auf. Nur in wenigen Fällen (weniger als 10 %) diagnostizierte das LGL Doppelinfektionen mit Viren (Erregern der EBHS), Bakterien (Pasteurellen, Yersinien, Salmonellen) oder Pilzen. Charakteristische makroskopische Befunde sind aufgrund des akuten Krankheitsverlaufs der Tularämie eine hochgradige Milzschwellung (Abbildung 4) und Nekrosen in den Lymphknoten (Abbildung 5). Histologisch werden regelmäßig akute Nekrosen in Milz, Lymphknoten, Leber (Abbildung 6) und anderen Organen festgestellt. Nur selten treten chronische Verlaufsformen mit Bildung von Abszessen in den Organen auf (Abbildung 7). Milzschwellungen werden auch bei anderen Erkrankungen wie Pseudotuberkulose, Pasteurellose oder Amyloidose beobachtet und müssen differenzialdiagnostisch von der Tularämie abgegrenzt werden.
Abbildung 4: Feldhase, Tularämie: Milzschwellung
Abbildung 5: Feldhase, Tularämie: Zahlreiche kleinherdige Nekrosen (Gewebsuntergänge) in den Darmlymphknoten
Abbildung 6: Feldhase, Tularämie: Akuter Untergang (Nekrose) von Lebergewebe (histologische Aufnahme, HE, 200x)
Abbildung 7: Feldhase, Tularämie: Zahlreiche Abszesse/Granulome im Nierengewebe
Fazit
Die Gründe für Anstieg der Tularämie-Fallzahlen beim Menschen sind noch nicht geklärt. Es besteht weiterer Forschungsbedarf.
Die Untersuchungsergebnisse aus dem Feldhasenmonitoring zeigen, dass Feldhasen sehr empfänglich für Tularämie sind. Demgegenüber wurde die Erkrankung bei anderen Tierarten am LGL bislang nicht diagnostiziert. Aufgrund der hohen Fallzahlen ist davon auszugehen, dass die Krankheit bei Zusammentreffen weiterer ungünstiger Faktoren regional durchaus zu einem vorübergehenden Einbruch der Feldhasenpopulation führen kann. Überregional dürften jedoch die erwähnten Umweltfaktoren von deutlich größerer Bedeutung sein.
Ausblick
Aufgrund der ansteigenden Zahl an Tularämiefällen beim Menschen und der gleichbleibend hohen Erkrankungsrate (Prävalenz) beim Feldhasen wird sich das LGL auch in Zukunft intensiv mit der Tularämie befassen. Von besonderem Interesse sind dabei die Übertragungswege (auch durch Vektoren wie Zecken) und die Einflussfaktoren für das Zustandekommen der Erkrankung bei Mensch und Tier.





