Hersteller und Importeure von Lebensmittelkontaktmaterialien aus Kunststoff

Abstract

Im Rahmen einer Schwerpunktaktivität 2019-2020 überprüfte das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) gemeinsam mit den Kreisverwaltungsbehörden bayernweit Hersteller und Importeure von Lebensmittelkontaktmaterialien aus Kunststoff. Der Fokus lag dabei auf der Guten Herstellungspraxis (Good Manufacturing Practice, GMP; deutsch: Gute Herstellungspraxis), der Ausgestaltung der Konformitätserklärungen sowie der zugehörigen Konformitätsarbeit. Im Bereich GMP gab es wenige Beanstandungsgründe, bei der formalen Prüfung der Konformitätserklärung und der zugehörigen Konformitätsarbeit zeigten sich beim überwiegenden Teil der Betriebe Defizite.

Hintergrund

Lebensmittelkontaktmaterialien sind Materialien und Gegenstände, die dazu vorgesehen sind, bei ihrer Anwendung unmittelbar oder mittelbar mit einem Lebensmittel in Berührung zu kommen. Es handelt sich beispielsweise um Kochutensilien, Geschirr, Lebensmittelverpackungen, Schläuche in Getränkeautomaten oder Lebensmittelcontainer. Lebensmittelkontaktmaterialien können einen Einfluss auf die Sicherheit der damit in Berührung kommenden Lebensmittel haben. Daher müssen Hersteller zur Erfüllung ihrer Produktverantwortung zahlreiche rechtliche Anforderungen beachten. Das LGL nahm im Zuge der Schwerpunktaktivität eine eingehende Überprüfung der Erfüllung dieser Anforderungen vor.

Rechtliche Vorgaben

Gemäß Art. 3 VO (EG) Nr. 1935/2004 sind Materialien und Gegenstände mit direktem Kontakt zu Lebensmitteln nach guter Herstellungspraxis so herzustellen, dass sie unter den normalen oder vorhersehbaren Verwendungsbedingungen keine Bestandteile auf Lebensmittel in Mengen abgeben, die geeignet sind, a) die menschliche Gesundheit zu gefährden oder b) eine unvertretbare Veränderung der Zusammensetzung der Lebensmittel herbeizuführen oder c) eine Beeinträchtigung der organoleptischen Eigenschaften der Lebensmittel herbeizuführen.

In der Verordnung VO (EU) Nr. 10/2011 über Kunststoffe werden alle zur Herstellung zugelassenen Stoffe aufgeführt und Vorgaben für die Migration (spezifisch und gesamt) sowie deren Berechnung und Bewertung gemacht. Weiterhin wird explizit vorgegeben, welche Informationen der Hersteller mittels einer sogenannten Konformitätserklärung an den Weiterverarbeiter oder Verwender des Materials übermitteln muss (Anlage IV). Diese Informationen muss der Hersteller zudem im Rahmen der Konformitätsarbeit belegen. Die Konformitätsarbeit ist die Basis für die Erstellung der Konformitätserklärung und kann mittels Einzeluntersuchungen, Berechnungen oder Worst-Case-Betrachtungen umgesetzt werden.

Was ist Migration in Bezug auf Lebensmittelbedarfsgegenstände? Migration (in Anlehnung an die VO (EU) Nr. 10/2011) ist die Abgabe eines bestimmten Stoffes oder einer Stoffgruppe aus einem Material oder Gegenstand in Lebensmittel.

Gleichzeitig haben Hersteller die Materialien nach Guter Herstellungspraxis gemäß VO (EG) Nr. 2023/2006 zu produzieren. Das heißt, dass ein wirksames und dokumentiertes Qualitätssicherungssystem (QS-System) vorliegen muss, zu dem unter anderem festgelegte Rezepturen, Prozesse und Spezifikationen gehören. So müssen beispielsweise Verfahren eingerichtet sein, die verhindern, dass Druckfarben in Lebensmittel gelangen können.
Daneben muss ein Qualitätskontrollsystem aufgebaut sein, mit dem die entsprechenden Vorgaben des QS-Systems regelmäßig überprüft und dokumentiert werden.

GMP und Konformitätsarbeit sind für die Konformität der Materialien gleichermaßen relevant. Für ein festgelegtes Verfahren (mit konkreten Grenzwerten oder Sollwerten) und das resultierende Endprodukt muss der Betrieb eine Risikobetrachtung durchführen. Im Rahmen der Konformitätsarbeit werden die Materialien, die nach diesem festgelegten Verfahren hergestellt wurden, auf ihre Migrationseigenschaften überprüft und damit ihre Konformität bestätigt. Werden Prozessparameter bei der Herstellung nicht eingehalten, können sich unbeabsichtigt Stoffe (NIAS − not intentionally added substances) bilden, die ein Gesundheitsrisiko bergen können.

Ergebnisse

Gute Herstellungspraxis

Die zwölf überprüften Betriebe im Zeitraum 2019-2020 zeigten sich im Bereich GMP grundsätzlich gut aufgestellt. Alle Betriebe hatten ein QS-System etabliert, Herstellverfahren waren festgelegt und die Betriebe hatten beispielsweise das Risiko des Farbabklatsches von der bedruckten auf die lebensmittelzugewandte Seite im Blick und unter Kontrolle.
Die Risikobewertung der Prozesse war jedoch nicht immer ausreichend. Die Überprüfungen zeigten, dass Hersteller die Qualität oftmals eher nach optischen oder physikalischen Gesichtspunkten wie Farbe und Form prüfen. Der Einfluss bestimmter Parameter auf die Migration wird dagegen oft nicht ausreichend berücksichtigt. Dies war bei den Kontrollen insbesondere an den Parametern Prozesstemperatur bei der Extrusion der Kunststoffe und dem Rework-Anteil im Produkt festzustellen. Die Extrusion bezeichnet ein Verfahren, bei dem die plastisch verformbare Kunststoffmasse unter Druck kontinuierlich aus einer formgebenden Öffnung (Düse) herausgepresst wird. Rework sind in diesem Fall im Betrieb anfallende Reste wie Stanz- oder Zuschnittreste. Diese beiden sowie eine Vielzahl weiterer Parameter können Einfluss auf die Migrationseigenschaft haben.

Die im Rahmen der Kontrollen genommenen Proben in allen Betrieben waren insgesamt unauffällig und nicht zu beanstanden. Es wurden Migrationsparameter und sensorische Eigenschaften untersucht sowie die Kennzeichnung der Erzeugnisse beurteilt.

Konformitätsarbeit und -erklärung

Die formal geprüften Konformitätserklärungen wiesen in zehn von 14 Fällen Mängel auf, insbesondere aufgrund fehlender oder unzureichender Angaben gemäß der Anlage IV der VO (EU) 10/2011. Diese waren zum Beispiel:

  • Verwendungsbedingungen werden oft zu unbestimmt angegeben – außerhalb des festgelegten Rahmens besteht die Gefahr der Bildung oder einer erhöhten Migration von unerwünschten, möglicherweise gesundheitsgefährdenden Stoffen.
  • Die Konformitätserklärung war in Einzelfällen nicht vorhanden. Der Inverkehrbringer muss das Dokument bei Lebensmittelkontaktmaterialien aus Kunststoff jedoch aktiv zur Verfügung stellen, eine Erstellung auf Kundenwunsch ist nicht ausreichend.
  • Bei Zusatzstoffen, die zusätzlich als Lebensmittelzusatz- oder Aromastoff zugelassen sind (sogenannte Dual-Use-Stoffe), fehlte teilweise deren Angabe in den Konformitätserklärungen. Die Angabe von Dual-Use-Stoffen mit Beschränkungen sind für nachfolgende Weiterverarbeiter oder Verwender für deren eigene Risikoabschätzung/Konformitätsprüfung erforderlich, um rechtlich vorgegebene Grenzwerte nicht zu überschreiten.
  • In produktübergreifenden Konformitätserklärungen waren Angaben nicht für alle aufgeführten Gegenstände zutreffend. Produktübergreifende Konformitätserklärungen, bei denen zum Beispiel in einem Dokument für mehrere Gegenstände verschiedener Farben aus einer Produktreihe die Konformität bestätigt wird, müssen für alle aufgeführten Gegenstände ausreichend und zutreffend sein.

Auch im Rahmen der Konformitätsarbeit wurde in zehn von 16 Fällen Defizite beim Nachweis bzw. der Plausibilisierung der Angaben festgestellt. Diese waren zum Beispiel:

  • Oftmals fehlte die Prüfung der organoleptischen Eigenschaften, obwohl deren Einhaltung über die VO (EG) Nr. 1935/2004 bestätigt wurde.
  • Weiterhin fehlten Nachweise wie analytische Prüfungen, Berechnungen, Worst-Case-Betrachtungen zur spezifischen und zur Gesamtmigration.
  • Prüfbedingungen entsprachen teilweise nicht den EU-Vorgaben, da die späteren Verwendungsbedingungen nicht berücksichtigt wurden oder nach FDA-Vorgaben (Food and Drug Administration) geprüft wurde.
  • Auch die mögliche Bildung von NIAS wurde oftmals nicht in einer Risikobewertung betrachtet (vgl. Art. 19 VO (EU) Nr. 10/2011), weshalb auch keine Belege vorgelegt werden konnten.

Im Rahmen der Schwerpunktaktivität wurden neben 12 Herstellern auch zwei Importeure geprüft. Nur einer der zwei Betriebe konnte Belege vorlegen, welche aber nicht vollständig aussagekräftig waren. Auch Importeure sind für die Konformität der von ihnen in die EU eingeführten Produkte verantwortlich und müssen die Anforderungen z. B. der VO (EU) Nr. 10/2011 zur Konformitätsarbeit erfüllen. Dieser Zuständigkeit sind sie sich jedoch nicht immer bewusst. Importeure sollten daher künftig verstärkt in den Fokus der Überwachungsbehörden genommen werden.

Fazit

Die Betriebe machten hinsichtlich ihrer innerbetrieblichen Organisation einen guten Eindruck. Auch das in allen Betrieben vorhandene QS-System ist positiv hervorzuheben. Mängel wurden insbesondere durch die kombinierte Kontrolle von GMP, Konformitätserklärung und Konformitätsarbeit ersichtlich. Die stichprobenartige Prüfung mehrerer Konformitätserklärungen und der gleichzeitige Abgleich zur Plausibilisierung mit den Belegen erwies sich als zielführende Kontrollmethode und zeigte diverse Mängel in diesem Bereich auf.

Die Besonderheit der Lebensmittelkontaktmaterialien ist ihre fachliche Spezifität und Komplexität. Entsprechend ist auch die Überwachung der Betriebe inklusive der Prüfung der dazugehörenden Konformitätsdokumentation eine herausfordernde Aufgabe, bei der das LGL als Fachbehörde die zuständigen Vor-Ort-Behörden bei Bedarf fachlich unterstützt.