Differenzierung von Wald- und Kulturheidelbeeren mittels DNA-Sequenzierung

Signet Jahresbericht 2024

Abstract

Die OPSON-Operationen, die seit 2011 von Europol koordiniert werden, zielen insbesondere darauf ab, irreführende und betrügerische Praktiken im Lebensmittelbereich zu bekämpfen. Deutschland beteiligt sich seit 2015 aktiv daran. Ziel der OPSON XIII-Operation 2023/2024 in Deutschland war es, die Authentizität von Waldheidelbeeren zu überprüfen. Heidelbeeren, die zur Gattung Vaccinium gehören, werden in verschiedene Gruppen unterteilt. Die korrekte Kennzeichnung dieser Früchte ist für den Verbraucherschutz wichtig, da „Waldheidelbeeren“ (V. myrtillus) in der Regel teurer sind als andere Heidelbeerarten.

Zur Überprüfung der Authentizität von Heidelbeeren hat das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) ein neues DNA-Barcoding-Verfahren entwickelt, da herkömmliche Methoden nicht ausreichend differenzierende Sequenzen lieferten. Neu entwickelte Primer ermöglichen die Identifizierung relevanter Heidelbeerarten. Mit der neuen Methode wies das LGL bei acht von 23 als „Waldheidelbeeren“ bezeichneten Proben (35 %) nach, dass es sich nicht um „Waldheidelbeeren“ (V. myrtillus) handelte.

Hintergrund

Seit 2011 werden die von Europol koordinierten OPSON-Operationen durchgeführt. Das Hauptziel dieser Operationen ist die ressortübergreifende Bekämpfung irreführender und betrügerischer Praktiken sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene. Deutschland beteiligt sich seit OPSON V (2015/2016) aktiv an diesen Initiativen. Im Zeitraum 2023/2024 hat das LGL an der OPSON XIII-Operation teilgenommen, bei der als nationales Untersuchungsziel Produkte mit der Angabe „Waldheidelbeeren“ im Fokus standen. Neben dem LGL in Bayern haben auch Lebensmittelüberwachungsbehörden aus Baden-Württemberg, Berlin, Brandenburg, Hamburg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein an dieser Operation mitgewirkt.

Heidelbeeren gehören zur Gattung Vaccinium und lassen sich in mehrere Arten unterteilen. Als Lebensmittel werden insbesondere V. myrtillus L. (Sektion Myrtillus) sowie V. angustifolium und V. corymbosum aus der Sektion Cyanococcus verwendet. Die Beeren von V. myrtillus haben im Vergleich zu den nordamerikanischen Heidelbeeren der Sektion Cyanococcus einen höheren Gehalt an Anthocyanen, die eine intensive Blaufärbung des Fruchtfleisches bewirken. In Konserven sind die verschiedenen Heidelbeerarten jedoch optisch kaum zu unterscheiden.

Die Bezeichnung der Heidelbeerarten ist in den Leitsätzen des Deutschen Lebensmittelbuchs für Obsterzeugnisse geregelt. Darin ist festgelegt, dass Obstkonserven mit der Bezeichnung „Waldheidelbeeren“ aus den Früchten der Waldheidelbeere V. myrtillus L. hergestellt werden. Die Früchte derart ausgelobter Erzeugnisse dürfen somit nicht durch andere Heidelbeerarten ersetzt werden. Das ist für den Verbraucherschutz von Bedeutung, da Waldheidelbeeren in der Regel zu höheren Preisen gehandelt werden als andere Heidelbeerarten.

Analytik

Die Bestimmung der Authentizität von Pflanzen erfolgt auf DNA-Ebene oft durch das DNA-Barcoding. Dieses Verfahren basiert auf der Polymerasekettenreaktion (PCR), gefolgt von der Bestimmung der DNA-Sequenz des resultierenden PCR-Produkts. In der PCR werden zwei Primer eingesetzt, die sich an die DNA vieler Pflanzenarten anlagern können. Die DNA-Sequenz zwischen diesen beiden Primern sollte jedoch bei verschiedenen Pflanzenarten möglichst unterschiedlich sein. Diese Sequenz wird nach der PCR durch DNA-Sequenzierung ermittelt und mit Einträgen in einer oder mehreren Datenbanken abgeglichen, wodurch die Identifizierung der Pflanzenart oder -gattung stattfindet (siehe Abbildung 1). Allerdings zeigen viele gängige DNA-Barcoding-Systeme wie rbcL, trnL oder ITS bei Heidelbeeren keine ausreichend großen Sequenzunterschiede, um eine Unterscheidung der Arten zu ermöglichen. Deshalb hat das LGL einen neuen DNA-Barcode entwickelt, der eine Unterscheidung der relevanten Arten der Gattung Vaccinium ermöglicht.

Die Abbildung zeigt schematisch den Untersuchungsablauf bei der Differenzierung von Wald- und Kulturheidelbeeren. Die DNA wird aus der Probe isoliert. Anschließend wird diese DNA mittels PCR vervielfältigt und anschließend die DNA-Sequenz des Produkts bestimmt. Diese Sequenz wird mit Einträgen von Sequenzdatenbanken verglichen und so die Heidelbeerart bestimmt.

Abbildung 1: Schematische Darstellung des Untersuchungsablaufs zur Differenzierung von Wald- und Kulturheidelbeeren. Die extrahierte DNA wird mit den universellen Barcoding-Primern vervielfältigt. Anschließend wird die DNA-Sequenz zwischen den Primerbindestellen bestimmt. Diese Sequenz wird mit den Referenzsequenzen verschiedener Heidelbeerarten in einer Datenbank abgeglichen und dadurch die Art identifiziert.

Für die Entwicklung eines neuen DNA-Barcodes analysierte das LGL die Sequenzen der Chloroplasten-DNA der relevanten Heidelbeerarten und identifizierte eine Region, die ausreichend große Unterschiede zwischen den Arten zeigt. Um diese Region zu vervielfältigen, wurden spezielle Primer entwickelt, die an die DNA aller relevanten Heidelbeerarten binden können.

Im Rahmen der Operation OPSON XIII untersuchte das LGL 18 Proben aus dem Handel und zusätzlich sechs Routineproben des LGL. Es handelte sich um Heidelbeerkonserven, getrocknete oder gefrorene Heidelbeeren und Heidelbeerpulver. Alle Proben bis auf eine waren als „Waldheidelbeeren“ gekennzeichnet. Eine Routineprobe war als „Kulturheidelbeere“ gekennzeichnet. Aus allen Proben isolierte das LGL die DNA, vervielfältigte diese mittels PCR und sequenzierte sie anschließend mit dem neuen DNA-Barcode. Die resultierenden DNA-Sequenzen verglich das LGL mit den Einträgen in der Datenbank des National Center for Biotechnology Information (NCBI), um die jeweilige Art zu identifizieren.

Ergebnisse

Bei acht der 18 OPSON XIII-Proben stellte das LGL eine nicht zutreffende Kennzeichnung als „Waldheidelbeere“ fest. Hierbei handelte es sich um Konserven. In sieben dieser Proben wurden Heidelbeeren der Art V. angustifolium detektiert. Eine Probe ließ sich nicht eindeutig zuordnen, allerdings konnte anhand der DNA-Sequenz ausgeschlossen werden, dass es sich um „Waldheidelbeeren“ (V. myrtillus) handelt. Die acht nichtzutreffend als „Waldheidelbeeren“ gekennzeichneten Proben beanstandete das LGL als irreführend.

Die als „Kulturheidelbeere“ gekennzeichnete Routineprobe wurde über das DNA-Barcoding korrekt der Sektion Cyanococcus zugeordnet. Die anderen fünf Routineproben waren ebenfalls nicht zu beanstanden, weil bestätigt werden konnte, dass es sich um „Waldheidelbeeren“ (V. myrtillus) handelte.

Fazit und Ausblick

Der vom LGL neu entwickelte DNA-Barcode erlaubt eine Unterscheidung der verschiedenen Heidelbeerspezies auf DNA-Ebene. Bei acht von 23 als „Waldheidelbeeren“ bezeichneten Proben (35 %) wies das LGL nach, dass es sich nicht um „Waldheidelbeeren“ (V. myrtillus) handelte. Damit war etwa jede dritte Probe „Waldheidelbeeren“ falsch gekennzeichnet. Aufgrund der hohen Beanstandungsquote wird das LGL die Thematik weiter im Blick behalten.

Die Methode soll in einer wissenschaftlichen Fachzeitschrift veröffentlicht und anderen amtlichen Untersuchungslaboratorien zur Verfügung gestellt werden.

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