Herausforderungen für die Versorgungsforschung am Forschungszentrum für Management im Gesundheitswesen an der Universität der Bundeswehr München

Prof. Dr. Günther E. Braun, Forschungszentrum für Management im Gesundheitswesen im Institut für Management öffentlicher Aufgaben an der Fakultät für Wirtschafts- und Organisationswissenschaften, Universität der Bundeswehr München

Versorgungsforschung ist nach Pfaff (2005) „ein fachübergreifendes Forschungsgebiet, das die Kranken- und Gesundheitsversorgung und ihre Rahmenbedingungen beschreibt und kausal erklärt, zur Entwicklung wissenschaftlich fundierter Versorgungskonzepte beiträgt, die Umsetzung neuer Versorgungskonzepte begleitend erforscht und die Wirksamkeit von Versorgungsstrukturen und -prozessen unter Alltagsbedingungen evaluiert“.

ersorgungsforschung bedient sich dabei des systemtheoretischen Input-Throughput-Output-Outcome-Bezugsrahmens, der es erlaubt, reale Erfahrungsobjekte des Gesundheitswesens einzuordnen und einer beschreibenden, erklärenden, evaluierenden und praktisch-normativen Analyse zuzuführen. Der interdisziplinäre Ansatz zeigt sich darin, dass es unterschiedliche Teilgebiete der Versorgungsforschung gibt, die ihrerseits auf Wissensbestände verschiedenartiger („Heimat“-)Disziplinen zurückgreifen können. Zu den Teilgebieten zählen nach Paff (2005) Bedarfsforschung, Inanspruchnahmeforschung, Organisationsforschung, Health Technology Assessment, Versorgungsökonomie, Qualitätsforschung und Versorgungsepidemiologie.

Wesentliche Herausforderungen der Versorgungsforschung bestehen darin, (in den unterschiedlichen Teildisziplinen) die einzelnen Bestandteile des oben erwähnten Bezugsrahmens und ihre Zusammenhänge zu klären. Zentrale Ausprägungen von Input, Throughput, Output und Outcome (ggf. Outcome in Abgrenzung zu Impact) von Gesundheitsversorgung und die wesentlichen Beeinflussungen der einzelnen Elemente durch andere Elemente, z.B. Throughput durch Input, Output/Outcome durch Input und Output/Outcome durch Throughput sind zu analysieren. Hierbei sind wichtige Fragestellungen einer Versorgungsforschung: In welchem Maße gelingt es einzelnen Versorgungsbereichen, input-, throughput,- output- und outcomebezogene Zielvorstellungen umzusetzen? Welche Erfolgs- und Misserfolgsfaktoren sind dabei zu identifizieren? Und: wie wirtschaftlich bzw. effizient ist das Handeln von Einrichtungen und Unternehmen des Gesundheitswesens, gemessen z.B. an Relationen von Input zu Output/Outcome?

Die moderne, managementorientierte Betriebswirtschaftslehre kann (neben anderen Disziplinen) einen Beitrag zur Lösung der aufgeworfenen Fragen leisten. Ihr geht es um eine effiziente Erfüllung öffentlicher Interessen, Ziele und Aufgaben im Gesundheitswesen. Damit weist das Erkenntnisobjekt des „Gesundheitsmanagements“ als Teildisziplin der BWL, die sich mit dem Gesundheitswesen beschäftigt, auf eine duale Zielorientierung dieser Disziplin hin. Auf der einen Seite stehen öffentliche Interessen, Ziele und Aufgaben des Gesundheitswesens, die in einer hierarchischen Beziehung stehen und vom Abstrakten zum Konkreten zu entwickeln sind. Hierbei ist die Regulierung bzw. öffentliche Bindung der Einrichtungen/Unternehmen des Gesundheitswesens zu berücksichtigen. Regulierung meint, dass durch Gesetze oder aufgrund von Gesetzen den einzelnen Einrichtungen/Unternehmen Einschränkungen (Pflichten) aufzuerlegen sind, die ihr Handeln grundlegend tangieren. Dies zeigt sich z.B. deutlich an der Leistungs- und Preispolitik von Kliniken und Arztpraxen. Ein (verhaltensökonomisch akzentuiertes) Gesundheitsmanagement fragt hierbei danach, welche Anreize oder Fehlanreize durch Regulierung entstehen, und wie anreizkompatibles Verhalten der einzelnen Akteure zu erreichen ist. Damit erschließt sich zwanglos auch die andere Ausrichtung des Gesundheitsmanagements, die Aspekte der Wirtschaftlichkeit bzw. Effizienz aufgreift.

Wirtschaftlichkeit und Effizienz werden dabei als Synonym betrachtet, und es herrscht ein weites Begriffsverständnis vor. Es geht allgemein um ein optimales Verhältnis von Mitteleinsatz und Zielerreichung. Es kommt auf den konkreten Sachverhalt an, was als „Mitteleinsatz“ und „Ziel“ betrachtet wird. Unterschiedliche, einzelwirtschaftliche, aber auch gesellschafts-, gesundheits- und wirtschaftspolitische Zielsetzungen erlauben eine weite Betrachtung von Wirtschaftlichkeit und Effizienz. Auf diese Weise ist z.B. eine Wirtschaftlichkeitsanalyse umfassender Zielsetzungen für einzelne Akteure des Gesundheitswesens möglich („wie kostenträchtig ist z.B. eine umweltfreundliche, nachhaltige Beschaffungs-und Investitionspolitik in einzelnen Kliniken zu gestalten, und was ist davon von der Klinik selbst bzw. von Beitragszahler und Steuerbürger zu tragen?“). Das engere und weitere Verständnis von Wirtschaftlichkeit/Effizienz führt dazu, die einzelnen Indikatoren für Mitteleinsatz und Zielerreichung ganz unterschiedlich zu messen: betriebswirtschaftliche und volkswirtschaftliche Rechengrößen, aber auch dimensionslose Nutzengrößen, spielen eine Rolle. Dies erlaubt einen breiten Einsatz von Methoden zur Beurteilung von Wirtschaftlichkeit /Effizienz. Hier stehen betriebswirtschaftliche und volkswirtschaftliche Methoden neben einer Nutzwertanalyse.

Gesundheitsmanagement greift solche Themenbereiche der Versorgungsforschung auf, die zu einem Erkenntnisgewinn hinsichtlich Effektivität und Effizienz in Einrichtungen/Unternehmen des Gesundheitswesens führen, um damit Allokationsentscheidungen im gesundheitspolitischen Kontext zu fundieren.