Nikotinbeutel und andere oral zu konsumierende Portionsbeutel
Hintergrund
Seit Anfang 2020 drängen tabakfreie Nikotinbeutel, auch Nicotine Pouches oder Nicopods genannt, auf den deutschen Markt. Die Produkte werden vorrangig über Tabakgeschäfte, (Lebensmittel)-Automaten und Tankstellen vertrieben. Die Nikotinbeutel werden als rauchfreie und unauffällige Alternative zu Zigaretten beworben und sprechen unter anderem aufgrund der ansprechend gestalteten Verpackung sowie der enthaltenen Geruchs- und Geschmacksstoffe vor allem auch Kinder und Jugendliche an.
Bei den Nikotinbeuteln handelt es sich um Portionsbeutel aus Filterpapier (Größe ca. 3,5 cm, Breite ca. 1 cm), die neben Trägerstoffen auf Basis zerkleinerten Pflanzenmaterials (häufig Cellulose) und zugesetzten Aroma- und Geschmacksstoffen als wertgebenden Bestandteil Nikotin enthalten. Diese Portionsbeutel werden in den Mund genommen und unter die Oberlippe oder in die Wangentasche platziert und für längere Zeit (ca. 20-30 min) dort belassen. Durch den Kontakt mit dem Speichel werden Nikotin bzw. die eingesetzten Nikotinsalze und die weiteren speichellöslichen Bestandteile (z.B. Geschmacksstoffe) gelöst und gehen somit aus dem Zellstoffsäckchen in den Speichel über. Diese Substanzen werden zum Teil direkt über die Mundschleimhaut in den Körper aufgenommen, zum Teil werden die gelösten Substanzen aber auch mit dem Speichel geschluckt und somit über den Magendarmtrakt in den Blutkreislauf aufgenommen.
Die Beutelchen an sich werden nicht geschluckt, sondern nach dem Konsum – ähnlich wie bei einem Kaugummi - wieder aus dem Mund genommen. Auf dem Markt werden die Nikotinbeutel in unterschiedlichen Nikotinstärken und Geschmacksrichtungen (z.B. „spearmint“ und „apple“) angeboten. Der Nikotingehalt der Pouches wird häufig mit einer begrifflichen Angabe zur Nikotinstärke (z.B. „medium“, „strong“, ultra strong“) oder durch eine nicht näher definierte Skala (z.B. Stärke 3 von 5) deklariert.
Abbildung 1: Foto einer Kunststoffdose mit Nikotinbeuteln und des Pulvers, das sich in einem Nikotinbeutel befindet.
Der neue Produkttrend der „Pouches“ beschränkt sich jedoch nicht nur auf nikotinhaltige Produkte. Mittlerweile gibt es auch Portionsbeutel zum oralen Konsum auf dem Markt, die anstelle von Nikotin als wertgebende Inhaltsstoffe Cannabidiol (CBD), Koffein, Guarana oder verschiedene Vitamine enthalten.
Charakteristisch für alle „Pouches“ ist, dass die wertgebenden löslichen Inhaltsstoffe in den Speichel übergehen und zum Teil – je nach Verweildauer und Resorbierbarkeit - bereits durch die Mundschleimhaut resorbiert bzw. in gewissen Anteilen mit dem Speichel geschluckt werden. Die oral zu konsumierenden Portionsbeutel stellen somit eine neue Angebotsform dar, die man als Mischung aus Lutschbonbon und Kaugummi ansehen kann: Wie bei einem Lutschbonbon lösen sich auch aus den Portionsbeuteln wegen der langen Verweilzeit große Anteile der speichellöslichen Inhaltsstoffe und können somit teilweise über die Mundschleimhaut resorbiert werden bzw. werden mit dem sich ständig bildenden Speichel heruntergeschluckt. Wie bei einem Kaugummi wird die unlösliche „Trägermasse“, d.h. die unlösliche Kaumasse im Falle von Kaugummi bzw. der Portionsbeutel mit den unlöslichen Bestandteilen (Pflanzenfasern, Cellulose) wieder ausgespuckt. Der Reiz und die Attraktivität dieses neuen Produkttrends liegen vor allem darin, dass die Produkte jederzeit, wenn eine anregende oder wachmachende Wirkung (z.B. durch Nikotin, Coffein, Guarana) bzw. ein Vitaminkick gewünscht sind, unauffällig (d.h. für andere nicht sichtbar) konsumiert werden können, z.B. während sportlicher Aktivitäten oder während Prüfungen.
Rechtliche Einstufung
Nikotinbeutel enthalten zwar Nikotin, einen der wesentlichen Inhaltsstoffe von Tabak, jedoch keinen Tabak selbst und diese Produkte werden oral konsumiert und nicht geraucht. Daher unterliegen Nikotinbeutel - im Gegensatz zum tabakhaltigem, in Deutschland verbotenem „Snus“ (für nähere Informationen hierzu siehe auch den Artikel „Tabak zum oralen Gebrauch – Snus & Co. auf der Spur“) - nicht den tabakrechtlichen Vorgaben.
Da Nikotinbeutel oral konsumiert werden und die löslichen Inhaltsstoffe über die Mundschleimhaut sowie den Magendarmtrakt aufgenommen werden, werden Nikotinbeutel als Lebensmittel i.S. der Lebensmittel-Basis-Verordnung (VO (EG) Nr. 178/2002) eingestuft. Auch die Sachverständigen der anderen Bundesländer sind der Auffassung, dass es sich bei derartigen Produkten um Lebensmittel handelt, da die Art und Weise des Konsums bzw. der Aufnahme dem eines Lebensmittels entspricht. Inzwischen liegen zur rechtlichen Einstufung von Nikotinbeuteln als Lebensmittel bereits zahlreiche verwaltungsgerichtliche Beschlüsse bzw. Urteile vor. Alle deutschen Gerichte kamen bisher übereinstimmend zu dem Ergebnis, dass es sich bei Nikotinbeuteln um Lebensmittel handelt, die somit die Grundsätze und Anforderungen des europäischen Lebensmittelrechts erfüllen müssen. Auch das Aufkommen von Nahrungsergänzungsmitteln in dieser neuen Angebotsform und von Portionsbeutelprodukten mit typischen Lebensmittelinhaltsstoffen (Coffein, Vitamine) bestätigt die Einstufung von Produkten in dieser neuen Angebotsform als Lebensmittel.
Untersuchungsergebnisse
Von Januar 2020 bis November 2025 wurden dem LGL von den bayerischen Lebensmittelüberwachungsbehörden insgesamt 184 Nikotinbeutel mit unterschiedlichen Geschmacksrichtungen und Nikotinstärken zur Begutachtung vorgelegt. Da laut Deklaration in den Proben jeweils Nikotin enthalten war, wurde in 160 von 184 Proben der Nikotingehalt analytisch bestimmt. Bei den übrigen 24 Proben verzichtete das LGL auf eine Bestimmung des Nikotingehaltes, da die Beurteilung dieser Proben auf Grundlage bereits begutachteter Produkte erfolgen konnte. Die gemessenen Nikotingehalte der 160 untersuchten Proben reichten von 2,2 mg bis 56 mg Nikotin pro Beutel (siehe Abb. 2). Der Mittelwert aller untersuchten Proben betrug 13,0 mg Nikotin pro Portionsbeutel.
Abbildung 2: Nikotingehalte in mg pro Portionsbeutel der von Januar 2020 bis November 2025 vom LGL untersuchten 160 Nikotinbeutel-Proben.
Bei Nikotin handelt es sich um eine neuartige Lebensmittelzutat i.S. der EU-Novel Food-Verordnung (VO (EU) 2015/2283). Neuartige Lebensmittelzutaten dürfen nur in den Verkehr gebracht werden, wenn sie nach der EU-Novel Food-Verordnung zugelassen wurden. Da es für Nikotin als neuartige Lebensmittelzutat keine Zulassung gibt, sind Lebensmittel, denen Nikotin zugesetzt wurde, per se nicht verkehrsfähig.
Hinsichtlich möglicher Risiken für die Gesundheit beim oralen Konsum dieser Produkte erfolgte anschließend eine toxikologische Risikobewertung der ermittelten Nikotin-Gehalte. Die toxikologische Bewertung ergab, dass die in den Proben jeweils enthaltene Nikotinmenge, die beim Konsum der Nikotinbeutel vom Menschen aufgenommen wird, mit einer gesundheitsschädlichen Wirkung verbunden ist. Alle 184 vom LGL begutachteten Proben wurden aufgrund ihres Nikotingehaltes als gesundheitsschädliches und damit als nicht sicheres Lebensmittel i.S. des europäischen Lebensmittelrechts (Art. 14 Abs. 2 Buchst. a VO (EG) Nr. 178/2002) beurteilt. Diese Produkte waren somit nicht verkehrsfähig und mussten aufgrund der Gesundheitsgefahr vom Markt genommen werden.
Das LGL hat von Januar 2020 bis November 2025 auch 18 nikotinfreie Produkte dieser neuen Lebensmittelangebotsform begutachtet.
Neun Portionsbeutel-Produkte enthielten jeweils als Zutat CBD oder einen CBD-Extrakt. Ein Produkt wurde als nicht verkehrsfähig eingestuft, da es sich bei dieser Zutat um ein nicht zugelassenes neuartiges Lebensmittel i.S. der EU-Novel Food-Verordnung handelte. Die anderen acht Produkte wurden nach ergangener Rechtsprechung als nicht verkehrsfähige Arzneimittel eingestuft.
Fünf weitere Portionsbeutelprodukte, die u.a. Süßstoffe, Aromen oder Pflanzenextrakte enthielten, wurden aufgrund verschiedener Kennzeichnungsmängel (z.B. fehlende Bezeichnung des Lebensmittels, Pflichtangaben nicht in deutscher Sprache) beanstandet.
Außerdem hat das LGL bei vier Produkten, die jeweils Coffein und Vitamine enthielten und als Nahrungsergänzungsmittel in den Verkehr gebracht wurden, Verstöße gegen die europäische Verordnung über gesundheitsbezogene Angaben (VO (EG) Nr. 1924/2006) und gegen weitere Kennzeichnungsvorgaben festgestellt.
Somit wurden bei allen untersuchten nikotinfreien Portionsbeutel-Produkten Verstöße gegen das Lebensmittel- oder Arzneimittelrecht festgestellt.
Fazit
Das LGL hat im Untersuchungszeitraum von Januar 2020 bis November 2025 alle 184 zur Begutachtung vorgelegten Nikotinbeutel-Produkte als nicht verkehrsfähige Lebensmittel eingestuft, da einerseits die enthaltene Nikotinmenge bei der Aufnahme durch den Menschen gesundheitsschädlich ist und andererseits für das enthaltene Nikotin keine Zulassung als neuartiges Lebensmittel vorliegt.
Auch bei allen 18 untersuchten nikotinfreien Portionsbeutel-Produkten stellte das LGL Verstöße gegen das Lebensmittel- oder Arzneimittelrecht fest. Das LGL wird auch weiterhin im Sinne des Verbraucherschutzes diese neue Lebensmittelangebotsform unter die Lupe nehmen.

