Benchmarking zur Qualität der Versorgung von Dickdarmkrebs
Abstract
Das Bayerische Krebsregister (BayKR) am Bayerischen Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) hat sich im Jahr 2024 an dem bundesweiten Benchmarking für Dickdarmkrebs beteiligt. Dabei wurde die Versorgungsqualität der Krebserkrankten mit Hilfe von drei Qualitätsindikatoren und fünf sogenannten Versorgungsindikatoren beschrieben und getrennt nach medizinischem Leistungserbringer, wie beispielsweise Kliniken und Praxen, aufgeschlüsselt. Die Ergebnisse aus Bayern waren mit den bundesweiten Ergebnissen vergleichbar und weisen darauf hin, dass noch kein Optimum der Versorgung erreicht ist. Bei der Interpretation der Ergebnisse muss jedoch bedacht werden, dass Lücken in den Daten durch fehlende Therapiemeldungen eine schlechte Versorgungsqualität vortäuschen können. Das BayKR bemüht sich daher, die Meldetätigkeit und -qualität der medizinischen Leistungserbringer im kontinuierlichen Austausch zu verbessern.
Ein weiterer Internet-Artikel thematisiert ebenfalls Dickdarmkrebs und legt dabei den Fokus auf den spezifischen Qualitätsindikator „unterstützende Chemotherapie nach erfolgreicher Operation im Tumorstadium III“.
Er geht der Frage nach, wie wirksam diese Behandlung für Patientinnen und Patienten ab 75 Jahren ist.
Hintergrund
Wie gut ist die Versorgung von Patientinnen und Patienten mit Krebserkrankungen in Bayern und entspricht sie den Empfehlungen medizinischer Fachgesellschaften?
Das BayKR erfasst – ebenso wie andere klinische Landeskrebsregister nach § 65c SGB V – routinemäßig Daten, die zur Beantwortung dieser Fragen genutzt werden können. Die Daten des BayKR werden für ganz Bayern erhoben und liefern somit ein flächendeckendes Bild.
Bei den Analysen der Versorgungsqualität spielen sogenannte Qualitätsindikatoren (QI) eine wichtige Rolle. Die QI werden im Rahmen des Leitlinienprogramms Onkologie für die verschiedenen Krebserkrankungen mit jeweils eigener Leitlinie entwickelt und sollen eine Überprüfung der leitliniengerechten Versorgung ermöglichen. In einer gemeinsamen Analyse haben die verschiedenen Landeskrebsregister – darunter das BayKR – Qualitätsindikatoren für Kolonkarzinome ausgewertet. Die Erfüllung der QI sollte dabei auch auf Ebene der behandelnden medizinischen Einheiten wie Kliniken und Praxen dargestellt werden, den sogenannten Leistungserbringern.
Ergänzend zu den Qualitätsindikatoren wurden von der bundesweiten Arbeitsgruppe „Qualitätsindikatoren“ sogenannte Versorgungsindikatoren (VI) entwickelt, die ebenfalls analysiert wurden. Die QI greifen Leitlinienempfehlungen auf, die oft nur für spezifische Untergruppen aller Fälle relevant sind und somit den Anspruch, die Versorgungsqualität von Krebserkrankungen zu beschreiben, nur bedingt erfüllen können. Die Versorgungsindikatoren ergänzen die Qualitätsindikatoren, indem sie zum Teil allgemeinere Aspekte der Versorgung aufgreifen, die für einen größeren Anteil der Fälle relevant sind. Ein anderer Teil der VI beruhen ebenso wie die QI auf den Leitlinien, greifen dabei aber Leitlinienempfehlungen auf, die in den Qualitätsindikatoren aufgrund der weniger umfassenden Studienlage nicht berücksichtigt wurden. Die Versorgungsindikatoren dienen somit der ergänzenden Beschreibung der Therapie, sind aber im strengen Sinne nicht als Qualitätskriterium zu verstehen.
Ergebnisse
In den Leitlinien für Darmkrebs sind elf Qualitätsindikatoren (QI) definiert, von denen sich sieben auf den Dickdarm beziehen. Hiervon lassen sich grundsätzlich drei mit Daten der Landeskrebsregister analysieren. Für die übrigen vier QI werden die erforderlichen Daten nicht erfasst. Aufgrund der vergleichbaren Datenerhebung in den verschiedenen Landeskrebsregistern und der von ihnen gemeinsam erarbeiteten Rechenregeln ließen sich die Ergebnisse der einzelnen Landeskrebsregister zu einem bundesweiten Benchmarking der Leistungserbringer zusammenfassen. Das bundesweite Benchmarking wurde im Jahr 2024 auf dem Deutschen Krebskongress präsentiert und kann online eingesehen werden.
In die Analysen gingen 15.504 Dickdarmkrebs-Fälle ein, die in den Jahren 2018 – 2021 in Bayern diagnostiziert und / oder behandelt wurden. Die meisten Fälle traten im Alter von 70 bis 84 Jahren auf, der Anteil der Frauen lag bei 46 %, 20 % der Fälle waren zum Zeitpunkt der Diagnose bereits metastasiert. Bei 74 % der Fälle war eine Operation bekannt, bei 26 % eine systemische Therapie und bei 2 % eine Bestrahlung.
Die Qualitätsindikatoren und Versorgungsindikatoren sowie die Ergebnisse für Bayern sind in der Tabelle dargestellt. Angegeben ist dabei, wie viel Prozent der insgesamt 15.504 Fälle für die Berechnung der QI und VI genutzt werden konnten, sowie der Gesamtanteil, bei dem der jeweilige QI bzw. VI erfüllt war.
DieQualitätsindikatoren
Bei anderen Qualitätsindikatoren sind die Fallzahlen größer und die Analysen daher aussagekräftiger. Unter den 3.133 Fällen mit metastasiertem Dickdarmkrebs war bei 46 % eine Vorstellung in einer prätherapeutischen Tumorkonferenz bekannt (QI 7). Bei 44 % von 2.464 Fällen mit Dickdarmkrebs im Stadium III, die erfolgreich operiert wurden (R0-Resektion), erfolgte eine unterstützende („adjuvante“) Chemotherapie (QI 8).
| Indikator | Anteil der Tumore, die in der Berechnung berücksichtigt wurden [%] | Einhaltung des QI bzw. VI in Bayern [%] |
|---|---|---|
| QI 4: Bei Fällen mit metastasiertem kolorektalen Karzinom und ECOG 0-1*1 wird als Erstlinientherapie eine Kombinationschemotherapie durchgeführt | 2 | 80 |
| QI 7: Fälle mit Dickdarmkrebs Stadium IV*2 werden in einer prätherapeutischen Tumorkonferenz vorgestellt | 20 | 46 |
| QI 8: Fälle mit Dickdarmkrebs Stadium III erhalten nach einer R0-Resektion*3 des Primärtumors eine adjuvante Chemotherapie | 16 | 44 |
| VI 1: In der tumorresezierenden OP wurde R0 (kein Residualtumor) erreicht | 68 | 93 |
| VI 2: Bei Fällen mit tumorresezierender OP wurden mindestens 12 Lymphknoten untersucht | 68 | 94 |
| VI 3 a: Bei Fällen mit tumorresezierender OP mit R0-Resektion*3 wird innerhalb von 8 Wochen eine adjuvante Chemotherapie begonnen – Stadium II*2 | 21 | 4*4 |
| VI 3 b: Bei Fällen mit tumorresezierender OP mit R0-Resektion*3 wird innerhalb von 8 Wochen eine adjuvante Chemotherapie begonnen – Stadium III*2 | 16 | 38 |
| VI 4 a: analog QI 8, jedoch nur Fälle im Alter < 75 Jahre | 9 | 61 |
| VI 4 b: analog QI 8, jedoch nur Fälle im Alter ≥ 75 Jahre | 8 | 23 |
| VI 5 a: analog QI 8 unter Beschränkung auf Oxaliplatinhaltige*5 adjuvante Chemotherapie, Fälle im Alter < 70 Jahre | 6 | 56 |
| VI 5 b: analog QI 8 unter Beschränkung auf Oxaliplatinhaltige*5 adjuvante Chemotherapie, Fälle im Alter ≥ 70 Jahre | 10 | 14 |
Erklärungen:
1 ECOG 0-1: Maß für die gesundheitliche Verfassung
2 Stadium I-IV: Informationen über die Bedeutung der Stadien („Staging“) finden sich beispielsweise auf der Seite der Krebsinformationsdienstes
3 R0-Resektion: Operation, bei der ein Tumor vollständig bis ins gesunde Gewebe entfernt wird.
4 Im Stadium II ist eine adjuvante Chemotherapie laut Leitlinie nicht gefordert, aber möglich. Weitere Erläuterungen im Text.
5 Oxaliplatin ist ein Chemotherapeutikum
Zwischen den medizinischen Leistungserbringern besteht eine große Streuung bezüglich der Erfüllung der QI. Abbildung 1 zeigt beispielhaft die Ergebnisse der Auswertung für den QI 8. Der Erfüllungsgrad ist für größere medizinische Leistungserbringer (ab mindestens 30 Fällen) separat aufgeführt, während kleinere Kliniken und Praxen aufsummiert werden. Der Erfüllungsgrad reicht von 0 % bis 94 %. Der größte Teil der medizinischen Einheiten liegt zwischen 40 % und 60 %.
Abbildung: Benchmarking der behandelnden medizinischen Einheiten hinsichtlich des QI 8. Angezeigt ist der Erfüllungsgrad des QI 8. Größere medizinische Leistungserbringer (LE) mit mindestens 30 Fällen werden separat in absteigendem Erfüllungsgrad aufgeführt (LE001 bis LE036), kleinere Kliniken und Praxen werden aufsummiert (die zwei rechten Balken).
Bei der Interpretation ist zu beachten, dass Informationen über Begleiterkrankungen oder andere Faktoren, die einen Einfluss auf Therapieentscheidungen haben können, bei der Analyse nicht berücksichtigt sind. Diese könnten die Unterschiede im Erfüllungsgrad der QI erklären, wenn beispielsweise in bestimmten Klinken bzw. Praxen besonders häufig Fälle mit solchen Ko-Faktoren behandelt werden.
Die Versorgungsindikatoren weisen zusätzlich darauf hin, dass der allergrößte Teil der Operationen mit Erfolg verlief (VI 1: 93 %), d. h. eine R0-Resektion erfolgte, und im Rahmen der Operation in der Regel auch die erforderlichen mindestens 12 Lymphknoten untersucht wurden (VI 2: 94 %). Die VI 3, 4 und 5 beschreiben ergänzend die Stadien- und Altersabhängigkeit von therapeutischen Maßnahmen. So wird berechnet, dass im Alter von unter 75 Jahren der QI 8 häufiger erfüllt wird als im Alter ≥ 75 Jahren (61 % versus 23 %). Dies ist dadurch erklärbar, dass im fortgeschritteneren Alter häufiger Begleiterkrankungen vorliegen, die bestimmte Therapien unmöglich machen, zum anderen aber auch Therapien häufiger von den Patientinnen und Patienten abgelehnt werden. VI 3 ist ebenfalls eine Ergänzung zu dem QI 8. QI 8 fordert eine adjuvante Chemotherapie innerhalb von 20 Wochen nach der Operation bei Stadium III und wird in 44 % der Fälle erfüllt. VI 3b beschreibt einen Beginn bereits innerhalb von 8 Wochen. Dieses wird bei 38 % erreicht. Im Stadium II ist der Nutzen einer adjuvanten Chemotherapie unklar, so dass sie laut Leitlinie nicht gefordert wird, aber möglich ist. Entsprechend ist der Anteil der Fälle, die eine solche Therapie erhalten, im Stadium II deutlich niedriger (VI 3a: 4 %).
Die Ergebnisse aus Bayern sind mit den bundesweiten Ergebnissen vergleichbar. So liegt der Erfüllungsgrad bezüglich des QI 7 bundesweit etwas niedriger als in Bayern (42 % versus 46 %), bezüglich des QI 8 ist er exakt gleich (jeweils 44 %).
Fazit
Die flächendeckende klinische Krebsregistrierung ermöglicht eine bundesweite Analyse der Versorgung von Krebserkrankungen und ein bundesweites Benchmarking von medizinischen Leistungserbringern. Die Analyse der bayerischen Daten weist darauf hin, dass bei der Versorgungsqualität von Dickdarmkrebs das Optimum noch nicht erreicht ist. Allerdings müssen die Ergebnisse vorsichtig interpretiert werden. Hierbei können auch fehlende Therapiemeldungen in den Daten des Landeskrebsregisters eine Rolle spielen. Obwohl eine Meldepflicht vorliegt, ist schwer sicherzustellen, dass das Landeskrebsregister Meldungen zu allen relevanten Behandlungen von Krebserkrankungen erhält, diese zeitgerecht erfolgen und auch vollständige Angaben enthalten.
Maßnahmen
Im Austausch mit den medizinischen Leistungserbringern unternimmt das BayKR Maßnahmen, um die Meldetätigkeit zu verbessern. Dazu zählen das Angebot neuer Meldewege (Einrichtung eines Meldeportals), Meldeschulungen, die Rekrutierung von medizinischen Einheiten, die bisher noch nicht gemeldet haben, sowie die Rückspiegelung und Diskussion der Ergebnisse an die medizinischen Leistungserbringer in Form von Rückmeldeberichten oder Qualitätskonferenzen. Dies ermöglicht eine Identifikation von Versorgungslücken und somit letztendlich eine Verbesserung der Versorgung.



