Nitrosoverbindungen - nicht nur ein Thema bei Lebensmitteln

Nitrosoverbindungen enthalten unterschiedliche Stoffklassen. Dazu gehören beispielsweise N-Nitrosoaminosäuren und die N-Nitrosamine. Während in Lebensmitteln und Tabakerzeugnissen beide Stoffgruppen von Interesse sind, spielen in Arzneimitteln und Verbraucherprodukten nur die N-Nitrosamine eine Rolle.

Die N-Nitrosamine sind eine große Stoffklasse organisch-chemischer Verbindungen aus etwa 300 Vertretern, deren gemeinsames Merkmal die Nitrosogruppe N=O als funktionelle Gruppe ist. Die allgemeine chemische Struktur ist in folgender Abbildung verdeutlicht:

allgemeine chemische Struktur von Nitrosaminen

Foto: ©Wikimedia Commons

Je nach N-Nitrosamin enthalten die anhängenden Reste R1 und R2 unterschiedliche Molekülgruppen. Die Unterscheidung der N-Nitrosoverbindungen erfolgt nach ihrer chemischen Struktur, nach chemisch-physikalischen Eigenschaften oder ihren natürlichen Ausgangsstoffen wie Alkaloiden. Entsprechend ihren chemisch-physikalischen Eigenschaften werden flüchtige und nicht flüchtige Nitrosoverbindungen differenziert (weitere Details siehe N-Nitrosamine und N-Nitrosoaminsäuren in Lebensmitteln). Der Begriff „tabakspezifische Nitrosamine“ wie N-4-(Methylnitrosamino)-1-(3-pyridyl-)1-Butanon (NNK), N-Nitrosonornikotin, N-Nitrosoanabasin und Nitrosoanatabin bezieht sich auf die N-Nitrosamine, die aus den typischen Alkaloiden der Tabakpflanze gebildet werden und nur in Tabak natürlich vorkommen.

Entstehung von Nitrosoaminosäuren und N-Nitrosaminen

N-Nitrosamine und nitrosierte Aminosäuren entstehen als Reaktionsprodukte im Stoffwechsel von Lebewesen oder in industriellen Herstellungsprozessen bei gleichzeitiger Anwesenheit von nitrosierbaren und nitrosierenden Substanzen (Nitrosierungsmitteln). Zu den nitrosierbaren Stoffen gehören Aminosäuren wie Prolin oder Sarkosin, Amine, biogene Amine, pflanzliche Alkaloide und Verbindungen wie bestimmte Vulkanisationsbeschleuniger, in deren Strukturen Aminogruppen enthalten sind, die unter bestimmten Bedingungen wieder freigesetzt werden können. Als Nitrosierungsmittel können Oxide des Stickstoffs (Stickoxide), Nitrit/Nitrat oder organische Nitroverbindungen wie Bronopol dienen. Bronopol wird als Konservierungsmittel eingesetzt und kann beim Abbau Stickoxide freisetzen.

Kontakt des Menschen mit Nitrosoverbindungen

Es ist bekannt, dass N-Nitrosoverbindungen wie N-Nitrosoprolin oder N-Nitrosodimethylamin im Körper gebildet werden und einen nicht unerheblichen Anteil an der Belastung des Menschen ausmachen. Neben der endogenen Bildung im Körper kann der Mensch über unterschiedliche Wege N-Nitrosoverbindungen aufnehmen. Die Hauptquelle für N-Nitrosoaminosäuren und N-Nitrosamine ist die Nahrung. Details hierzu finden Sie auf der Seite N-Nitrosamine und N-Nitrosoaminosäuren in Lebensmitteln. Unter bestimmten Bedingungen kann ein Patient über die Einnahme verschiedener Arzneimittel mit N-Nitrosaminen belastet werden. Raucher atmen diese Stoffe in größeren Mengen ein. An bestimmten Arbeitsplätzen wie der gummiverarbeitenden Industrie können bei ungenügenden Arbeitsschutzmaßnahmen N-Nitrosamine über die Lungen in den Körper gelangen. Die menschliche Haut kann mit N-Nitrosaminen über Verbraucherprodukte, Kosmetika oder bestimmte Spielwaren in Kontakt kommen.
Wie die Belastung mit N-Nitrosaminen entsteht, wird an folgenden Beispielen näher erläutert.

Arzneimittel

Bei Arzneimittelwirkstoffen, die eine gewisse Signalstruktur beinhalten oder deren Synthese mit bestimmten Reagenzien durchgeführt wird, ist eine N-Nitrosaminbelastung prinzipiell denkbar. Im Jahr 2019 wurde festgestellt, dass Magensäure-blockende Ranitidin-haltige Arzneimittel N-Nitrosodimethylamin (NDMA) enthalten können. Es wird ein lagerungsbedingter Abbau des Wirkstoffs, ausgelöst vor allem durch höhere Temperaturen, vermutet. Kontaminierte Chargen wurden von den Herstellern zurückgerufen. In blutdrucksenkenden Arzneimitteln mit der Wirkstoffklasse der Sartane wurden NDMA oder N-Nitrosodiethylamin (NDEA) nachgewiesen. Diese entstanden vor allem im Rahmen der Wirkstoffsynthese. Am Bayerischen Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit wurden entsprechende Untersuchungen auf NDMA und NDEA durchgeführt (s. Nitrosamine in Blutdrucksenkern-Untersuchungsergebnisse 2018).

Verbraucherprodukte und Medizinprodukte aus Latex

In der Herstellung von Latexprodukten wie Reifen, Luftballons, Kondomen, Schutzhandschuhen, Schaummatratzen wurden bzw. werden u. a. Vulkanisationsbeschleuniger eingesetzt, die häufig in ihrer Struktur sekundäre Amine enthalten. Während des Vulkanisationsprozesses können diese sekundären Amine u. U. freigesetzt werden. Freie sekundäre Amine sind nitrosierbare Substanzen. Die in den 80er Jahren üblichen Produktionsbedingungen lieferten die Nitrosierungsmittel Stickoxide, Nitrat und Nitrit. Heute wurde soweit möglich durch Umstellung der Herstellungsverfahren die Entstehung von Stickoxiden, Nitrat und Nitrit unterdrückt, um die N-Nitrosaminbelastung der Produkte zu senken. Derzeit kann bei der Produktion von Latex-Verbraucherprodukten oder bestimmten Spielwaren wie z. B. Fingermalfarben noch das organische Nitrosierungsmittel Bronopol zur Vermeidung von Bakterien- oder Pilzbefall angewendet werden.
Berichte über höhere Mengen an N-Nitrosaminen in Babyflaschen sowie Beruhigungs- und Flaschensauger gehören jedoch i. d. R. der Vergangenheit an.
Während bei Analysen von Luftballons, die in den Jahren 2001/2002 in Deutschland und den Niederlanden durchgeführt wurden, häufig N-Nitrosodimethylamin, N-Nitrosomorpholin und N-Nitrosodibutylamin in nennenswerten und z. T. hohen Mengen festgestellt wurden, zeigten Untersuchungen des Bayerischen Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit im Zeitraum von 2016 bis 2019 eine deutliche Verbesserung der Situation: nur bei 4,2 % der 119 untersuchten Luftballonproben waren die Grenzwerte für Nitrosamine und nitrosierbare Stoffe überschritten (s. rechtliche Regelungen).

Kosmetik

In Kosmetika werden Alkanolamine wie Mono- oder Triethanolamin und andere nitrosierbare Stoffe eingesetzt. Weitere Informationen findet man unter Amine in Produkten. In Anwesenheit von nitrogruppenhaltigen Substanzen wie z. B. dem Konservierungsstoff Bronopol können N-Nitrosamine entstehen. Im Rahmen des in den Jahren 2014, 2015 und 2018 durchgeführten bundesweiten Monitorings wurden Haarfärbemittel, Wimperntuschen und Nagellacke untersucht. Einzelne Haarfarbstoffe enthalten Strukturen mit sekundären Aminen, die nach Nitrosierung Nitrosamine bilden können. Die hier gefundenen Gehalte an N-Nitrosodiethanolamin waren eher gering. Im Gegensatz dazu waren die Gehalte in Wimperntuschen und Nagellacken jedoch nicht zu vernachlässigen. In Nagellacken wurden in vielen Proben auch N-Nitrosomorpholin, N-Nitrosodiethylamin oder N-Nitrosodimethylamin nachgewiesen. Sie entstehen hier durch Wechselwirkungen zwischen den in Nagellacken häufig verwendeten Bestandteilen Nitrocellulose und Stearalkoniumverbindungen. Außerdem wurden im europäischen Schnellwarnsystem Shampoos, Gele, Eyeliner sowie Wimperntuschen wegen der festgestellten N-Nitrosamingehalte gemeldet und wegen der Verstöße gegen die EU-Kosmetikverordnung vom Markt genommen.

Tabakerzeugnisse

Neben Rauchtabakerzeugnissen wie Zigaretten und Zigarren gibt es auch rauchlose Tabakprodukte wie Schnupftabak, Tabak zum oralen Gebrauch (z. B. Snus) und Kautabak. Alle Tabakerzeugnisse können nitrosierte Aminosäuren wie z. B. N-Nitrososarcosin, nicht flüchtige z. B. die tabakspezifischen N-Nitrosamine und flüchtige N-Nitrosamine wie N-Nitrosodimethylamin, N-Nitrosopyrrolidin enthalten. N-Nitrosamine können während der Verarbeitung und Lagerung entstehen oder während des Konsums von diversen Rauchtabakerzeugnissen gebildet werden. Tabakspezifische Nitrosamine entstehen aus spezifischen Alkaloiden der Tabakpflanze und Nitrosierungsmitteln, z. B. Nitrit. Wie hoch die Belastung eines Tabakerzeugnisses ist, hängt unter anderem von den verwendeten Tabaksorten, den Anbaubedingungen, der eingesetzten Trocknungsart und den gewählten Fermentationsprozessen ab. Durch Erhitzen des Tabaks können zusätzlich weitere N-Nitrosamine gebildet werden. Beispielsweise entsteht N-Nitrosopyrrolidin durch die Reaktion von Pyrrolidin mit Stickoxiden. So konnten N-Nitrosamine im Tabakprodukt, Haupt- Nebenstrom von Rauchtabakerzeugnissen, in der Raumluft und im Staub eines Raucherhaushalts oder im Staub von Haushalten, deren Bewohner rauchlose Tabakprodukte konsumieren, nachgewiesen werden. In allen Tabakerzeugnissen können die Gehalte der tabakspezifischen Nitrosamine stark schwanken. Sehr geringe Mengen (unter der Nachweisgrenze) bis hohe Mengen (bis einige tausende µg/kg Tabak Trockensubstanz) wurden berichtet. In nikotinhaltigen Liquids von E-Zigaretten können tabakspezifische Nitrosamine in Spuren festgestellt werden, im durch Erhitzen der Flüssigkeit entstehendem Dampf können sie in geringen Mengen enthalten sein.

Toxikologische Eigenschaften

Etwa 90 % aller im Tierversuch untersuchten N-Nitrosamine zeigten krebserzeugende Wirkung. Für die Krebsentstehung wird die Schädigung der Erbsubstanz (genotoxische Wirkung) durch aus N-Nitrosaminen gebildete Stoffwechselprodukte verantwortlich gemacht. Die Abbauwege sind abhängig von der chemischen Struktur des Amins, dem betrachteten Organismus und dem Pfad, auf dem die N-Nitrosamine in den Körper gelangen. Sie variieren von Organ zu Organ. Besitzt ein Amin z. B. eine tert-Butylgruppe wie N-Nitrosoethyl-tert-butylamin oder N-Nitrosomethyl-tert-butylamin wird es über andere Stoffwechselwege abgebaut als N-Nitrosamine ohne tert-Butylgruppe und ist nicht krebserzeugend. Auch bei Di-Allyl-Nitrosaminen wie N-Nitrosodiallylamin, sind die chemische Struktur und der Stoffwechselprozess für das Fehlen der krebserzeugenden Wirkung ausschlaggebend. Aldehyde wie Formaldehyd, die aus bestimmten N-Nitrosaminen, z. B. NNK, im Rahmen des Stoffwechsels des Organismus entstehen, können die genotoxische Wirkung verstärken. Der Ausschuss für Gefahrstoffe hat N-Nitrosomethyl-tert-butylamin, N-Nitrosodiallylamin sowie weitere Nitrosamine wie N-Nitrosodicylohexylamin als nicht krebserzeugend eingestuft (TRGS 552).

Minimierungsgebot und rechtliche Regelungern

Bei krebserzeugenden Stoffen gilt das ALARA (as low as reasonably achievable) - Prinzip: die Belastung ist so niedrig wie möglich zu halten, um das Risiko der Krebsentstehung zu minimieren. Grenzwerte oder Verbote, die Auswahl geeigneter Roh- und Hilfsstoffe sowie die Auswahl spezieller Herstellungsverfahren in Arzneimittel- und Gummiproduktion sollen die gleichzeitige Anwesenheit von Nitrosierungsmitteln und nitrosierbaren Substanzen vermeiden und sicherstellen, dass ihre Gehalte an N-Nitrosaminen so niedrig wie möglich gehalten werden.

Hersteller von Valsartan und anderen Sartan-haltigen Arzneimitteln müssen im Rahmen der Herstellungsverfahren Kontrollen auf N-Nitrosamine durchführen und dabei festgelegte Grenzwerte für verschiedene Nitrosamine einhalten.

In Deutschland regelt die Verordnung über die Sicherheit von Spielzeug vom 7. Juli 2011, dass Spielzeug aus Natur- oder Synthesekautschuk für Kinder unter 36 Monaten, das bestimmungsgemäß oder vorhersehbar in den Mund genommen werden kann, bei den insgesamt freigesetzten N-Nitrosaminen einen Grenzwert von 0,01 mg/kg und bei den freigesetzten N-nitrosierbaren Stoffen (Ausgangssubstanzen, aus denen Amine freigesetzt werden) ein Limit von 0,1 mg/kg nicht überschreiten darf. Darüber hinaus ist gemäß § 6 in Verbindung mit Anlage 5 der Bedarfsgegenständeverordnung für Luftballons aus Natur- oder Synthesekautschuk festgelegt, dass die Migration für Nitrosamine einen Grenzwert von 0,05 mg/kg und für in Nitrosamine umsetzbare Stoffe einen Grenzwert von 1 mg/kg nicht übersteigen darf.

Nach EU-Kosmetikverordnung ist der Einsatz bestimmter Amine verboten. Nitrite sollen nicht in Anwesenheit von nitrosierbaren Stoffen verwendet werden. Nur technologisch nicht vermeidbare Mengen in gesundheitlich unbedenklichen Anteilen sind in Kosmetikprodukten erlaubt.

Weitergehende Informationen und Literaturhinweise

ABDA (2019) Online-Nachricht: AMK: Liste der (Chargen-)Rückrufe Ranitidin-haltiger Arzneimittel
Ausschuss für Gefahrstoffe (2018) Krebserzeugende N-Nitrosamine der Kat 1A und 1B. Anhang 2 in Technische Regeln für Gefahrstoffe (TRGS) 552
Bekanntmachung des Umweltbundesamtes (2016) Stellungnahme der Innenraumhygienekommission (IRK) zu elektronischen Zigaretten (E-Zigaretten)
Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM)(2004) Nitrosamine in Kondomen
BfArM (2020) Informationen für Zulassungsinhaber: Bewertung des Risikos möglicher Nitrosaminverunreinigungen - Q&A-Dokument und PharmNet.Bund-Portal
Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (2015): BVL-Report 11.3 Berichte zur Lebensmittelsicherheit. Monitoring 2015
Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (2018) BLV-Report 14.4 Berichte zur Lebensmittelsicherheit. Monitoring 2018
DAZ-online: Kontaminiertes Ranitidin: Keine Überraschung
Deutsches Krebsforschungszentrum (2006) Rauchlose Tabakprodukte: Jede Form von Tabak ist gesundheitsschädlich. Rote Reihe Tabakprävention und Tabakkontrolle, Band 6
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