Per- und polyfluorierte Alkylverbindungen (PFAS) (einschl. Ersatzprodukte)

Hintergrund

Erst relativ spät um das Jahr 1930 setzte die industrielle Entwicklung der organischen Fluorchemie ein. Insgesamt durchzieht der Einsatz von organischen Fluorverbindungen mittlerweile viele Lebensbereiche.

Unter dem Begriff per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen (PFAS) wird eine Untergruppe der organischen Fluorverbindungen verstanden, bei denen alle oder weitgehend alle Wasserstoffatome am Kohlenstoffgerüst durch Fluoratome ersetzt sind (siehe Abb. 1). Eine ältere Bezeichnung für diese Substanzklasse lautet perfluorierte Kohlenwasserstoffe (PFC). Da es sich bei der polaren Kohlenstoff-Fluor-Bindung um eine der stabilsten Bindungen in der organischen Chemie handelt, weisen die PFAS eine höhere thermische und chemische Stabilität auf als analoge Kohlenwasserstoffverbindungen.
Eine Untergruppe der PFAS sind die sogenannten perfluorierten Tenside. Diese Bezeichnung ist jedoch nur im deutschen Sprachraum üblich. Es handelt sich um Substanzen mit einem amphiphilen Charakter. Während die fluorierte Kohlenstoffkette lipophil ist, besitzt die Kopfgruppe hydrophile Eigenschaften. Dadurch sind sie, wie andere Tenside, in der Lage, die Oberflächenspannung einer Flüssigkeit oder die Grenzflächenspannung zwischen zwei Phasen herabzusetzen. Die derzeit am meisten diskutierten Stoffgruppen der perfluorierten Tenside sind die perfluorierten Alkylcarbonsäuren (PFCA), die perfluorierten Alkylsulfonsäuren (PFSA) und die Fluortelomeralkohole (FTOH).
PFOS-Verbindungen („PFOS related compounds“) sind eine große Gruppe von anthropogenen Chemikalien, die alle Derivate der Perfluoroctansulfonsäure (PFOS) sind oder in der Umwelt in diese umgewandelt werden können. In der Abbildung 1A ist das Anion der Perfluoroctansulfonsäure, das Perfluoroctansulfonat, grafisch dargestellt. Bei den perfluorierten Alkylcarbonsäuren (PFCA) handelt es sich um Chemikalien, die eine Carbonsäuregruppe direkt an der perfluorierten Kohlenstoffkette tragen. Als Beispiel ist in Abbildung 1B die Perfluoroctansäure (PFOA) gezeigt. Auch der Begriff PFOA wird als Gruppenname für die eigentliche Säure und ihre Salze verwandt.
Bei den Fluortelomeralkoholen handelt es sich um verschiedene Chemikalien, die neben der fluorierten Kohlenstoffkette noch kohlenstoffgebundene Wasserstoffatome und eine OH-Gruppe aufweisen. Ihre Benennung erfolgt durch Angabe der Anzahl fluorierter Kohlenstoffatome zu denen, die ein Wasserstoffatom tragen, getrennt durch einen Doppelpunkt. In der Abbildung 1C ist das 8:2 FTOH (Perfluoroctylethanol) grafisch dargestellt.

chemische Strukturformeln.

Abb. 1: Strukturformeln von (A) Perfluoroctansulfonat (PFOS), (B) Perfluoroctansäure (PFOA), (C) Perfluoroctylethanol (8:2 FTOH) und (D) Ammoniumsalz der Perfluor-4,8-dioxa-3H-nonansäure (ADONA)

Tab. 1: Auswahl wichtiger perfluorierter Verbindungen
Akronym Substanzname
Perfluorierte Alkylcarbonsäuren (PFCA)
PFBA Perfluorbutansäure
PFPeA Perfluorpentansäure
PFHxA Perfluorhexansäure
PFHpA Perfluorheptansäure
PFOA Perfluoroctansäure
PFNA Perfluornonansäure
PFDA Perfluordecansäure
PFUnDA Perfluorundecansäure
PFDoDA Perfluordodecansäure
Perfluorierte Alkylsulfonsäuren (PFSA)
PFBS Perfluorbutansulfonsäure
PFPeS Perfluorpentansulfonsäure
PFHxS Perfluorhexansulfonsäure
PFHpS Perfluorheptansulfonsäure
PFOS Perfluoroctansulfonsäure
PFNS Perfluornonansulfonsäure
PFDS Perfluordecansulfonsäure
PFUnDS Perfluorundecansulfonsäure
PFDoDS Perfluordodecansulfonsäure
Fluortelomeralkohole(FTOH)
4:2 FTOH 2-Perfluorbutylethanol
6:2 FTOH 2-Perfluorhexylethanol
8:2 FTOH 2-Perfluoroctylethanol
10:2 FTOH 2-Perfluordecylethanol
12:2 FTOH 2-Perfluordodecylethanol
14:2 FTOH 2-Perfluortetradecylethanol
16:2 FTOH 2-Perfluorhexadecylethanol

Aufgrund ihrer thermischen und chemischen Stabilität, ihrer Beständigkeit gegenüber UV-Strahlung und Verwitterung sowie der schmutz-, farb-, fett-, öl- und wasserabweisenden Eigenschaften fanden PFOS-Verbindungen in einer Vielzahl von Industrie- und Konsumprodukten Anwendung. Im Gegensatz zu PFOS werden PFOA-Verbindungen im Wesentlichen nur als Prozessierungshilfe (Emulgatoren) in der Herstellung von Fluorpolymeren eingesetzt. Eine Verunreinigung der Umwelt ist somit insbesondere durch Emissionen während des Herstellungsprozesses und als Verunreinigung in Polymeren sowie anderen Anwendungen zu befürchten.

Die vorgenannten Substanzen lassen sich in vielen Umweltmedien und Organismen nachweisen und sind aufgrund ihrer Persistenz und Akkumulation teilweise verboten. Vor diesem Hintergrund werden verstärkt Ersatzprodukte entwickelt und eingesetzt. Eines ist das sogenannte ADONA (Ammoniumsalz der Perfluor-4,8-dioxa-3H-nonansäure; siehe Abbildung 1D), das anstelle von PFOA als Prozessierungshilfe im Rahmen der Fluorpolymerproduktion eingesetzt wird.

Möglichkeiten einer Bewertung

Im Rahmen einer Neubewertung hat sich die Kommission Humanbiomonitoring am Umweltbundesamt mit PFOS und PFOA befasst und aktuelle HBM-I-Werte von 2 µg/l Blutplasma für PFOA und 5 µg/l für PFOS abgeleitet (siehe "Links" in der rechten Spalte). Die Neubewertungen waren insbesondere deshalb notwendig, da epidemiologische Studien Effekte auf die Schilddrüse, das Immunsystem und die Reproduktion in sehr niedrigen Dosisbereichen ergeben haben. Dabei kennzeichnet ein HBM-I-Wert die Konzentration eines Stoffes in einem Körpermedium, bei deren Unterschreitung nach dem aktuellen Stand der Bewertung nicht mit einer gesundheitlichen Beeinträchtigung zu rechnen ist. Eine ausführliche Erläuterung der HBM-II-Werte für PFOA, deren Anwendung und die gesundheitliche Bewertung finden Sie auf der Internetseite "Umweltkontamination durch Freisetzung von Perfluoroctansäure (PFOA) im Landkreis Altötting - Gesundheitliche Bewertung nach Einführung der HBM-II-Werte für PFOA".

Bewertung von perfluorierten Substanzen im Trinkwasser

Für PFAS im Trinkwasser sind in der Trinkwasserverordnung (TrinkwV) bislang keine verbindlichen Grenzwerte festgelegt. Grundsätzlich dürfen allerdings nach § 6 Abs. 1 TrinkwV im Trinkwasser chemische Stoffe „nicht in Konzentrationen enthalten sein, die eine Schädigung der menschlichen Gesundheit besorgen lassen.“
Nach einer gesundheitlichen Bewertung von für Trinkwasser relevanten PFAS-Verbindungen hat das UBA nach Anhörung der Trinkwasserkommission im Jahr 2017 eine Empfehlung für den Umgang überwachender Behörden und Institutionen mit der Angabe von 13 Leitwerten (TWLW) bzw. Gesundheitlichen Orientierungswerten (GOW) bewertbarer PFAS-Verbindungen im Trinkwasser veröffentlicht. Dabei stellen Leitwerte bzw. GOW Beurteilungswerte dar, bei deren Einhaltung auch bei lebenslanger Aufnahme über das Trinkwasser keine gesundheitliche Besorgnis im Sinne von § 6 Abs. 1 TrinkwV gegeben ist. Die Leit- und Orientierungswerte sind in der nachfolgenden Tabelle zusammengefasst.

Tab. 2: Empfehlungen zu Trinkwasser-Leitwerten (TWLW) und Gesundheitlichen Orientierungswerten (GOW)
Name, Abkürzung (CAS Nr.) TWLW (μg/l) GOW (μg/l)
Perfluorbutansäure, PFBA (375-22-4) 10 -
Perfluorpentansäure, PFPeA (2706-90-3) - 3,0
Perfluorhexansäure, PFHxA (307-24-4) 6 -
Perfluorheptansäure, PFHpA (375-85-9) - 0,3
Perfluoroctansäure, PFOA (335-67-1) 0,1 -
Perfluornonansäure, PFNA (375-95-1) 0,06 -
Perfluordecansäure, PFDA (335-76-2) - 0,1
Perfluorbutansulfonsäure, PFBS (375-73-5) 6 -
Perfluorhexansulfonsäure, PFHxS (355-46-4) 0,1 -
Perfluorheptansulfonsäure, PFHpS (375-92-8) - 0,3
Perfluoroctansulfonat, PFOS (1763-23-1) 0,1 -
H4-Polyfluoroctansulfonsäure, H4PFOS (27619-97-2) - 0,1
Perfluoroctansulfonamid, PFOSA (754-91-6) - 0,1

Das UBA hat im Dezember 2019 einen neuen „Vorsorge-Maßnahmenwert“ in Höhe von jeweils 50 ng/L für PFOA bzw. PFOS empfohlen. Dieser Wert gilt nur für die besonders empfindlichen Bevölkerungsgruppen Schwangere, stillende Mütter, Säuglinge und Kleinkinder bis zu einem Alter von 24 Monaten.

Bei den Leitwerten, GOW und dem Vorsorge-Maßnahmenwert handelt sich nicht um rechtsverbindliche Grenzwerte, sondern um das Ergebnis wissenschaftlicher Bewertungen.

Am 12. Januar 2021 ist die novellierte EU-Trinkwasserrichtlinie (Richtlinie (EU) 2020/2184) in Kraft getreten, welche erstmals Parameterwerte für PFAS vorsieht. Der Summenparameterwert für „PFAS gesamt“ (alle PFAS in der Trinkwasserprobe) beträgt 500 ng/L. Für die Summe 20 definierter PFAS mit einem perfluorierten Alkylanteil aus drei bis 13 Kohlenstoffatomen („Summe der PFAS“) beträgt der Parameterwert 100 ng/L. Die novellierte EU-Trinkwasserrichtlinie muss noch in nationales Recht, d. h. im Wesentlichen in der TrinkwV, umgesetzt werden. Ob es dabei aufgrund der beschriebenen toxiko-logischen Bewertungen zur Festlegung strengerer Grenzwerte, Leitwerte oder GOW für ausgewählte PFAS im Trinkwasser kommen wird, ist Gegenstand laufender Abwägungen.

Bewertung von perfluorierten Substanzen in Lebensmitteln

Die amerikanische Umweltschutzbehörde (US EPA) hat in einer aktuellen Bewertung auf der Basis tierexperimenteller Studien eine Reference Dose (RfD) von jeweils 20 ng/kg KG (Körpergewicht) für PFOA und PFOS abgeschätzt (siehe "Links" in der rechten Spalte). Von der amerikanischen Agency for Toxic Substances and Disease Registry (ATSDR) wurden 2018 sogenannte „Intermediate Oral Minimal Risk Levels“ in Höhe von 3 ng/kg KG für PFOS und 2 ng/kg KG für PFOS abgeleitet.

Die europäische Lebensmittelbehörde (EFSA) hat 2020 eine duldbare wöchentliche Aufnahme (TWI, tolerable weekly intake) von 4,4 ng/kg KG für PFOA, PFOS, PFNA und PFHxS abgeleitet (siehe "Links" in der rechten Spalte). Umgerechnet auf einen Tag entspricht dies einer täglichen Aufnahmemenge von 0,63 ng/kg KG, die lebenslang aufgenommen werden kann, ohne dass gesundheitsschädliche Auswirkungen anzunehmen sind.

Die EU-Kommission hat mit der Verordnung (EU) 2022/2388 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1881/2006 Höchstgehalte für die vier von der EFSA bewerteten PFAS (PFOA, PFOS, PFNA, PFHxS) sowie deren Summengehalt in bestimmten Lebensmitteln tierischen Ursprungs eingeführt, die seit 01.01.2023 gelten. Höchstgehalte wurden festgelegt für Hühnereier, Fischfleisch (in Abhängigkeit von der Fischart unterteilt in drei Kategorien), Krebstiere und Muscheln, Fleisch und Innereien von Rindern, Schweinen und Geflügel sowie von Schafen und von Wild.

Da bei anderen Lebensmitteln bislang nur in wenigen Fällen PFAS-Gehalte festgestellt werden konnten, verzichtete der Gesetzgeber vorerst auf die Festlegung von Höchstgehalten für diese Lebensmittel, sondern legte mit der Empfehlung (EU) 2022/1431 lediglich Richtwerte für Obst, Gemüse, stärkehaltige Wurzeln und Knollen, Wildpilze, Milch und Beikost fest. Wenn diese Richtwerte überschritten werde, sollte eine weitergehende Untersuchung der Ursachen für die Kontamination durchgeführt werden.

Bewertung der Luft an Arbeitsplätzen

Die DFG-Senatskommission zur Prüfung gesundheitsschädlicher Arbeitsstoffe hat 2005 für PFOA und ihre anorganischen Salze eine maximale Arbeitsplatzkonzentration ( MAK-Wert) von 0,005 mg/3 und 2010 für PFOS und ihre anorganischen Salze von 0,01 mg/m3 in der alveolengängigen Staubfraktion festgelegt.