Koma Outcome von Patienten der Frührehabilitation – Register (KOPF-Register)

Prof. Dr. Ulrich Mansmann, Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU), Institut für Medizinische Informationsverarbeitung, Biometrie und Epidemiologie (IBE):

Schwere Bewusstseinsstörungen sind eine häufige Folge von akuten Hirnschädigungen im Rahmen von Schädel-Hirn-Trauma oder anderen nichttraumatischen Ereignissen, wie Gehirnblutungen, Herzstillstand oder Schlaganfall. Das klinische Bild wird als Koma, Wachkoma oder minimaler Bewusstseinszustand beschrieben. Patienten sind nicht ansprechbar, zeigen aber teilweise Zeichen von Wachheit. Sie können Bewusstsein und Kontaktfähigkeit wiedererlangen, aber auch im Zustand des Koma oder des minimalen Bewusstseinszustandes bleiben.

Die Prognose der Langzeitoutcomes ist eine Herausforderung für Akutversorgung und neurologische Rehabilitation. Eine verlässliche Prognose wird für die Beratung der Angehörigen und die weitere Therapieplanung benötigt. Zu negative Erwartungen können zu ungerechtfertigtem Entzug lebenserhaltender Maßnahmen führen und damit zur sich selbst erfüllenden Prophezeiung. Zu positive Erwartungen können bei Angehörigen unrealistische Erwartungen wecken.

Trotzdem ist die Prognose dieser schwer beeinträchtigten Patientengruppe unklar. Seit 20 Jahren gilt das Konsensus-Statement der US-amerikanischen Multi-Society Task Force als Entscheidungsgrundlage für Patienten, die nicht innerhalb eines Monats nach akuter Hirnschädigung das Bewusstsein wiedererlangt haben. Schlussfolgerung war, dass Koma bei Patienten nach Schädel-Hirn-Trauma nach 12 Monaten und bei Patienten nach nichttraumatischen Ereignissen nach 3 Monaten als irreversibel angesehen werden muss.
Diese Ansicht wurde in den letzten Jahren zunehmend in Frage gestellt. Studien zeigen, dass bis zu 70% der Patienten mit Schädel-Hirn-Trauma im Verlauf der Rehabilitation auch nach ein bis zwei Jahren völlig oder teilweise das Bewusstsein wiedererlangen können. Obwohl völlige funktionale Wiederherstellung nicht zu erwarten ist, hat das nicht unbedingt einen Einfluss auf die Lebensqualität der Überlebenden. Eine Entscheidung, in einem frühen Stadium lebenserhaltende Maßnahmen oder später neurologische Rehabilitation vorzuenthalten, kann daher nicht auf der Basis der derzeitigen Datenlage getroffen werden.

2011 haben vier neurologische Rehabilitationskliniken in Bayern in Zusammenarbeit mit der Neurologischen Klinik und dem Institut für medizinische Informationsverarbeitung, Biometrie und Epidemiologie der LMU München ein Register etabliert. Diese Kliniken bieten Versorgungsstrukturen der Phase B, also Frührehabilitation mit der Möglichkeit der Akutversorgung an. Das Register („KOPF-Register“) erfasst den Verlauf von Patienten mit schweren Bewusstseinsstörungen von der Akutversorgung bis in die häusliche Umgebung hinsichtlich klinischer und funktionaler Parameter. Vorrangiges Ziel des Registers ist es, belastbare Evidenz hinsichtlich Prognosefaktoren und langfristiger Outcomes zu generieren und damit bessere prognostische Instrumente zu entwickeln.

In diesem Register werden während der Akutphase verschiedene klinische Marker und in einem definierten Zeitintervall nach der Hirnschädigung (t1=6 Monate, t2=1 Jahr, dann jährlich) Bewusstsein, Funktionsfähigkeit, Lebensqualität, Depression, Angehörigenbelastung und klinische Daten erhoben. Die gewonnenen Daten werden sowohl deskriptiv als auch multivariabel ausgewertet. Längsschnittlicher Aspekt und der Einfluss regionaler Unterschiede werden mittels Multilevelanalysen modelliert.