Ärztliches Handeln und Barriereforschung

Prof. Dr. Julika Loss, Prof. Dr. Christian Apfelbacher PhD, Medizinische Soziologie, Institut für Epidemiologie und Präventivmedizin, Fakultät für Medizin der Universität Regensburg:

Der Schwerpunkt „Erforschung ärztlichen Handelns und Barriereforschung“ untersucht professionelles ärztliches Handeln und nimmt dabei verschiedene Perspektiven ein:
(1) Aus einer deskriptiven Perspektive geht es um die detaillierte Beschreibung ärztlichen Handelns unter Alltagsbedingungen. Dabei kann es um einzelne, isolierte Verhaltensweisen oder um komplexe Handlungsabläufe in Teams gehen.
(2) Die normative Perspektive sieht die Bewertung ärztliches Handelns vor. Kriterien für eine Bewertung können dabei das Einhalten von Leitlinien zur Diagnostik oder Therapie, das Implementieren von Neuerungen, das Ausmaß der Patientenorientierung oder die Güte der intersektoralen sowie inter- und transdisziplinären Zusammenarbeit sein.
(3) Darüber hinaus geht es um die Erforschung von Faktoren, welche ärztliches Handeln positiv oder negativ beeinflussen. Wenn sich diese Forschung auf Defizite im ärztlichen Handeln hinsichtlich der oben genannten Kriterien bezieht, wird der Begriff „Barriereforschung“ verwendet. Barriereforschung exploriert mögliche Ursachen dafür, dass ärztliches Handeln nicht einer Norm entspricht. Dabei werden Barrieren auf Ebene des Individuums (z.B. Wissen, Motivation) und des Kontextes (z.B. Personalstruktur in einer Einrichtung oder Anreize im Gesundheitssystem) betrachtet. Es kann aber auch eine nicht defizitäre Sichtweise eingenommen werden. So erscheint es sinnvoll zu erforschen, welche Faktoren oder Bedingungen ideales ärztliches Handeln erleichtern bzw. auslösen.

Vor allem zwei theoretische Bezugsrahmen finden Anwendung: Auf der Ebene des Individuums können psychologische Modelle zur Prädiktion von Verhalten herangezogen werden (z.B. „Theory of Planned Behavior“). Ziel ist dabei, durch Kenntnis sozialkognitiver Einflussfaktoren Verhalten prädizierbar und in einem nächsten Schritt beeinflussbar zu machen. Einen weit umfassenderen Bezugsrahmen stellt das „Theoretical Domains Framework“ dar, welches Konstrukte aus verschiedenen Theorien in Domänen gruppiert hat, um einen einheitlichen Rahmen für die Implementationsforschung zu schaffen.
Datenquellen, die zur Beantwortung der skizzierten Fragestellunen herangezogen werden können, sind sowohl Routinedaten (z.B. Dokumentation in Arztbriefen) als auch Selbstberichtangaben durch Ärzte (z.B. Fragebogen zur Einsatzhäufigkeit einer Maßnahme) oder Proxy-Verfahren (z.B. Befragung von Patienten). Insbesondere wenn es um die Erforschung komplexer, noch nicht gut verstandener Abläufe geht, eignen sich qualitative Methoden der Datenerhebung (z.B. leitfadengestützte Interviews oder Fokusgruppendiskussionen).

Projekt

Möglichkeiten der Verbesserung intersektoraler Zusammenarbeit am Beispiel der Versorgung kolorektaler Lebermetastasen (VISUAL)