Aufklärung lebensmittelassoziierter Ausbruchsgeschehen – nur ein interdisziplinärer Ansatz führt zum Erfolg

Von einem „lebensmittelassoziierten Ausbruchsgeschehen“ spricht man per definitionem, sobald zwei oder mehr Erkrankungsfälle mit demselben Lebensmittel (wahrscheinlich) in Zusammenhang stehen oder bei einer Situation, in der sich die festgestellten Fälle stärker häufen als erwartet (§ 3 Nr. 4 AVV Zoonosen Lebensmittelkette).

Diese Definition ebenso wie die allgemeinere Ausbruchsdefinition aus dem Infektionsschutzgesetz (zwei oder mehr gleichartige Erkrankungsfälle die (mutmaßlich) in einem epidemischen Zusammenhang stehen, d. h. eine zeitliche oder örtliche Häufung oder direkter Kontakt der Personen untereinander), spiegelt sich am besten in geschlossenen Ausbruchsgeschehen, d. h. lebensmittelassoziierte Erkrankungen nach Feierlichkeiten wie Hochzeiten, Geburtstage, Firmenfeste oder in Schulen, Kindergärten oder Altenheimen im Rahmen der Gemeinschaftsverpflegung wider. Hier lassen sich die Erkrankungsfälle auf ein Ereignis zurückführen, sie stehen also in einem direkten örtlichen und zeitlichen Zusammenhang, der Auslöser ist eine sog. „Punktquelle“. Derartige geschlossene Ausbruchsgeschehen lassen sich relativ leicht erkennen.

Bei Erkrankungen, wie z. B. Listeriose, bei denen häufig nur wenige Einzelfälle mit zum Teil sehr schweren Erkrankungsverläufen bekannt werden, die meist mit großem zeitlichen oder örtlichen Abstand zueinander auftreten, ist eine Zuordnung von Fällen zu einem Ausbruch im Regelfall dagegen nicht ohne weiteres möglich. Zur Zuordnung derartiger Ausbrüche sind daher weiterführende labordiagnostische Verfahren (wie z. B. das sog. Next-Generation-Sequencing“ [NGS], ein molekularbiologisches Hochdurchsatzverfahren zur Genomsequenzierung notwendig, um Zusammenhänge aufzudecken. Die Befragung von erkrankten Personen ist bei einer Listerioseerkrankung aus verschiedenen Gründen (unzureichende Verzehranamnese aufgrund langer Inkubationszeiten, sowie Nennung häufig verzehrter Lebensmittel, die auch in der Allgemein- oder Bezugsbevölkerung häufig verzehrt werden, des Alters der Erkrankten, der Krankheitsschwere, etc.) sehr schwierig und liefert bei Einzelfällen in der Regel keine eindeutigen Ergebnisse. Erst sobald durch die Typisierung mittels NGS bei humanen Erkrankungsfällen der Verdacht auf einen Zusammenhang besteht, können Verzehrgewohnheiten abgeglichen und so Hinweise auf ein mögliches Lebensmittel als Quelle ermittelt werden. Die Identifikation von Gemeinsamkeiten ist bei wenigen Fällen entsprechend schwierig, da viele Lebensmittel von einem breiten Teil der Bevölkerung verzehrt werden.

Patientenbefragungen – Hinweise auf ein potentiell inkriminiertes Lebensmittel

Um Hinweise auf evtl. beteiligte Lebensmittel zu erhalten, werden erkrankte Personen bzw. deren Angehörige von Mitarbeitern des öffentlichen Gesundheitsdienst (ÖGD) entweder zu den bei einem bestimmten Ereignis verzehrten Lebensmitteln oder zu ihren Verzehrgewohnheiten im Allgemeinen befragt. Eine allgemeinere Befragung erfolgt im Falle von Erregern, wie z. B. Listeria monocytogenes, die eine lange Inkubationszeit (bis zu 14 Tage) aufweisen, so dass häufig, gerade bei älteren Personen, eine detailliertere Erinnerung an die in diesem Zeitraum verzehrten Lebensmittel nicht mehr möglich ist. Hier behilft man sich mit den Vorlieben für bestimmte Lebensmittel, aber auch Einkaufsgewohnheiten und mögliche Außer-Haus-Verpflegung finden Berücksichtigung. Bei Bewohnern von Gemeinschaftseinrichtungen werden auch die Speisepläne der Einrichtung ausgewertet, wobei es immer zu berücksichtigen gilt, dass auch hier Speisen außerhalb verzehrt werden können. Die im Regelfall sehr detaillierten Fragebögen werden im Anschluss ausgewertet und auf Gemeinsamkeiten zwischen den Fällen geprüft. Sofern bei den Patienten sehr spezifische Verzehrgewohnheiten (z. B. vegetarische oder vegane Ernährung) vorliegen, kann dies die Suche nach dem betroffenen Lebensmittel erleichtern. Dies gilt auch, wenn in der betroffenen Gruppe manche Lebensmittelkategorien überdurchschnittlich häufig verzehrt werden (z. B. Wurstwaren). Diese Hinweise aus den Patientenbefragungen können bei örtlich und zeitlich nicht begrenzten Ausbruchsgeschehen beispielsweise für gezielte Monitoringprogramme zur Untersuchung von Proben möglicherweise ursächlicher Lebensmittel herangezogen werden. Hinweise auf einen konkreten Hersteller lassen sich aus der Auswertung der Patientenbefragungen nahezu nie gewinnen, es sei denn, es handelt sich um regionale Spezialitäten, die nur von wenigen Betrieben produziert werden. (s. Listeria monocytogenes in Lebensmitteln - Untersuchungsergebnisse 2019/2020)

Die interdisziplinäre Zusammenarbeit als Schlüssel zum Erfolg

Unabhängig davon, ob es sich um einen Ausbruch ausgehend von einer „Punktquelle“ oder um ein diffuses Ausbruchscluster handelt, das örtlich und zeitlich in keinem offensichtlichen Zusammenhang steht, stellt die interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen dem öffentlichen Gesundheitsdienst (ÖGD) und der Lebensmittelüberwachung bzw. dem öffentlichen Veterinärdienst (ÖVetD) einschließlich den jeweils zugehörigen Laboreinheiten, den entscheidenden Schlüssel zum Erfolg dar. Gerade bei Ausbruchsgeschehen, die in keinem offensichtlichen örtlichen und zeitlichen Zusammenhang stehen, muss ein regelmäßiger Abgleich der vorhandenen NGS-Daten von Human-, Veterinär- und Lebensmittelisolaten sowie der Informationen aus Patientenbefragungen, Laboruntersuchungen, Ergebnissen aus Monitoringprogrammen und Betriebskontrollen im Lebensmittelbereich erfolgen. Da Ausbruchsgeschehen häufig Grenzen von Bundesländern oder EU-Mitgliedstaaten überschreiten, ist ferner die nationale und internationale Zusammenarbeit von herausragender Bedeutung. Je vollständiger Human-, Veterinär- und Lebensmittelisolate europaweit sequenziert und die Sequenzen international abgeglichen werden, umso höher ist die Wahrscheinlichkeit eines Treffers bei Isolaten aus Lebensmittelproben, der auf eine mögliche Ausbruchsquelle hinweist. So sind inzwischen, gerade bei Listeria monocytogenes, eine Vielzahl von nationalen und internationalen Ausbruchsclustern bekannt, bei denen entweder ein Verdacht auf eine mögliche Quelle besteht (häufig Räucherlachs) oder aber denen noch kein Lebensmittelisolat schlüssig zugeordnet werden konnte.

Auch wenn moderne Laborverfahren, wie das NGS, es inzwischen leichter machen, mögliche Zusammenhänge zwischen humanen Erkrankungsfällen untereinander bzw. zwischen Erkrankungsfällen und Lebensmitteln zu erkennen, stellen sie nur einen Baustein der Ausbruchsaufklärung dar. Dies ist im Wesentlichen folgenden Tatsachen geschuldet:

  • Bisher liegen nur eingeschränkte Kenntnisse über das Vorkommen und die Häufigkeit unterschiedlicher NGS-Cluster bei einzelnen Erregern vor, so dass die Zugehörigkeit eines (Lebensmittel-)Isolates zu einem Cluster nicht automatisch den Rückschluss auf einen Kausalzusammenhang mit den lebensmittelassoziierten Erkrankungen zulässt.
  • Die Identifizierung einer möglichen Eintragsquelle (Betrieb) mittels NGS eröffnet nicht automatisch die Möglichkeit, lebensmittelrechtliche Maßnahmen zu ergreifen, da für einige lebensmittelassoziierte Erreger aufgrund der für eine Erkrankung notwendigen Infektionsdosis ein bestimmter Gehalt an Erregern im Lebensmittel toleriert wird und somit keine Nulltoleranz im verzehrfertigen Lebensmittel besteht. Sofern die Möglichkeit einer Vermehrung im Lebensmittel gegeben ist, klärt somit die Identifizierung des Herstellers auch nicht zwangsläufig die „Schuldfrage“ im juristischen Sinn. Vielmehr ist es in einem solchen Fall notwendig, alle möglichen Eintragswege entlang der Lebensmittelbe- und -verarbeitung bis hin zur (fehlerhaften) Handhabung des Lebensmittels in der Gastronomie, in Einrichtungen oder im Privathaushalt (z. B. Überlagerung) mit einzubeziehen.

Erst in Kombination mit epidemiologischen Daten aus dem ÖGD und der Lebensmittelüberwachung lassen sich Infektionsketten absichern und Ausbruchsgeschehen effektiv stoppen. Hierzu gehören u. a.:

  • Plausibilität der im Verdacht stehenden Lebensmittel-Erreger-Kombination (beispielsweise wären Dauerbackwaren wie Butterkekse aus fachlicher Sicht eine äußerst ungewöhnliche Quelle für einen Listeriose-Ausbruch, da der dort vorliegende sehr geringe Wassergehalt eine Vermehrung von Listeria monocytogenes nicht zulässt)
  • Verzehrs- und ggf. Einkaufsgewohnheiten
  • ggf. Saisonalität bei länger andauernden Ausbruchsgeschehen
  • Vertriebswege (Gastronomie, Gemeinschaftsverpflegung, Einzelhandel)
  • Vertriebsgebiete (lokal, regional, national, international)

Maßnahmen in dem betroffenen Lebensmittelbetrieb

Welche Maßnahmen in dem jeweiligen Lebensmittelbetrieb ergriffen werden, hängt entscheidend davon ab, um welches Lebensmittel es sich handelt und wie der Erregereintrag erfolgt ist. Sofern beispielsweise in einem lebensmittelverarbeitenden Betrieb in einer Vielzahl von Proben entlang des Produktionsprozesses Listeria monocytogenes nachgewiesen wird, ist das Problem häufig nur noch mit einer aufwendigen professionellen Reinigung und Desinfektion durch eine externe Firma mit einer anschließenden Kontrolle des Reinigungs- und Desinfektionserfolges oder durch die Anschaffung neuer Gerätschaften zu bewältigen. Sofern der Eintrag sporadisch über die Rohware erfolgt, können auch geringere Änderungen im Be- oder Verarbeitungsprozess zum Erfolg führen (s. Behördliche Interaktionen beim Nachweis von Listerien)
Wurde der Ausbruch durch bakterielle Toxine ausgelöst, sind zumeist Fehler im Temperaturmanagement (nicht ausreichendes Warmhalten oder Abkühlen verzehrfertiger Speisen) zu beheben.

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