AmigA-M - Arbeitsförderung mit gesundheitlicher Ausrichtung in München

Prof. Dr. med. Dennis Nowak, Institut und Poliklinik für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, Klinikum der Universität München:

Das Projekt AmigA-M – Arbeitsförderung mit gesundheitlicher Ausrichtung – richtete sich an ältere Langzeitarbeitslose (> 50 Jahre) mit vermittlungsrelevanten gesundheitlichen und/oder psychosozialen Einschränkungen. Das Konzept zielt einerseits auf die Förderung der Gesundheit und andererseits auf eine verbesserte Integrationsfähigkeit und nachhaltige berufliche Wiedereingliederung in den ersten Arbeitsmarkt. Die Maßnahme wurde in mehreren deutschen Arbeitsagenturen mit jüngeren Langzeitarbeitslosen eingeführt und im beschriebenen Projekt von 2009-2010 in München in einem kontrollierten und randomisierten Design evaluiert.
Ein besonderes Merkmal des Projekts ist die Integration der Gesundheitsförderung in Maßnahmen der Arbeitsmarktintegration. Ein interdisziplinäres Fallmanagementteam, bestehend aus Fallmanager, (Sozial-)Mediziner und Psychotherapeut, übernimmt die Begleitung der älteren Langzeitarbeitslosen, um eine Verzahnung von Arbeitsvermittlungsmaßnahmen mit gesundheitsbezogenen Intervention zu gewährleisten. Basierend auf einer genauen medizinischen, psychologischen und berufsbezogenen Diagnostik wird ein hochgradig individualisiertes Vorgehen realisiert. In der Regel beträgt die Dauer der Begleitung sechs Monate.
Die Analyse der Wirksamkeit erfolgte durch eine Prozess- und Ergebnisevaluation. Dabei wurde ein randomisiertes Interventions-/Kontrollgruppendesign umgesetzt, wobei die Kontrollgruppe die AmigA-Maßnahme nach Beendigung der Studie erhielt. Die Gesundheitssituation der Teilnehmer wurde im Sinne der Lebensqualität und kognitiven Leistungsfähigkeit sehr breit erfasst. Die Beschäftigungssituation wurde durch die Aktivierungs- und Integrationsstatistik ausgewertet. Physische und psychische Gesundheit wurde durch Beurteilung der Gesundheitsexperten (Mediziner, Psychotherapeut), Fragebögen sowie standardisierte Testverfahren erhoben. Zudem wurden individuelle und umweltbezogene Ressourcen und Stressoren erfasst, die sich ebenfalls auf die Vermittlungschancen in die Arbeitswelt auswirken können. Die Veränderung der Integrationsfähigkeit wurde schließlich anhand der sogenannten „Kunden-Profillage“, wie sie in der Bundesagentur für Arbeit genutzt wird, bestimmt.
Durch die Individualisierung der Maßnahme an die Bedürfnisse der Kunden erschwert sich die Evaluation der Effekte, da keine Standardisierung der Betreuung vorliegt. Daher wurde auch der Prozessevaluation ein großes Gewicht beigemessen.
Insgesamt konnten mit einer Teilnahmequote von 68.9% zu t2 71 Teilnehmer (Interventionsgruppe N = 27, Wartegruppe N = 44) in die Evaluation eingeschlossen werden. Die t1 Ergebnisse zeigten eine hochgradig psychisch und körperlich belastete Gruppe, z.B. hatten 25.5% zu diesem Zeitpunkt den Befund einer Major Depression. In der Interventionsgruppe zeigten sich im Vergleich zur Wartegruppe zu t2 signifikante Verbesserungen in der Depressivität. Tendenziell fanden sich u.a. Verbesserungen der Lebensqualität und der Selbstwirksamkeitsüberzeugungen, allerdings waren die wenigen gefundenen Effekte meist klein. Andere Zielkriterien, wie etwa das durch die Fallmanager eingeschätzte Integrationsprofil, veränderten sich nicht systematisch, oder zeigten, wie verschiedene Aspekte kognitiver Leistungsfähigkeit, reine Übungseffekte.
Das Projekt AmigA zeigt eine starke gesundheitliche Belastung älterer Menschen in Langzeitarbeitslosigkeit, welche die Notwendigkeit verdeutlicht, Gesundheitsbelange in die Arbeitsmarktförderung zu integrieren. Die Intervention war mit durchschnittlich 10.5 h Kontakt zum Fallmanagement-Team und durchschnittlich 5.2 gesundheits- und arbeitsbezogenen Maßnahmen sehr aufwändig und es muss diskutiert werden, ob vor dem Hintergrund kurz- und langfristiger gesellschaftlicher Kosten, dies in der gegebenen, hochgradig individualisierten Form bei älteren Langzeitarbeitslosen realisierbar und sinnvoll ist.