Der mündige Patient und das verhaltensökonomische Konzept der Anstöße (Nudges) im Gesundheitswesen

Prof. Dr. Günther E. Braun, Forschungszentrum für Management im Gesundheitswesen im Institut für Management öffentlicher Aufgaben an der Fakultät für Wirtschafts- und Organisationswissenschaften, Universität der Bundeswehr München:

Einführung

Der mündige Patient ist das Leitbild des seit 2013 geltenden Patientenrechtegesetzes. Ob das Leitbild, das unabhängig davon im Gesundheitswesen eine wichtige Rolle spielt, ein unrealistisches Modell darstellt oder eine Chance zur Umsetzung besitzt, stellt ein Forschungsprojekt am Forschungszentrum für Management im Gesundheitswesen dar. Es ist eingebettet in den Forschungsschwerpunkt „Anreize und Anstöße (Nudges) im Gesundheitswesen – Verhaltensökonomie im Gesundheitswesen“. Denn mit Hilfe des von Thaler-Sunstein (2008) in die Diskussion eingeführten verhaltensökonomischen Konzeptes der Anstöße können vielfältige Aspekte des mündigen Patienten analysiert werden.

Ziele des Forschungsprojekts und eine wichtige Veröffentlichung im Forschungsprojekt

Es gilt deshalb im Rahmen des Forschungsprojekts zu prüfen, welche Impulse das Thaler-Sunstein-Konzept für eine verhaltensökonomische Analyse des mündigen Patienten zu geben geeignet ist. Für eine Einführung zum Thema wird auf den Vortrag von Prof. Braun auf dem DAK-Forum in Nürnberg am 21.03.2013 hingewiesen. Vgl. http://www.unibw.de/wow8/

Eine partnerschaftliche Arzt-Patienten-Beziehung, die zu einer partizipativen Entscheidungsfindung führt (vgl. statt vieler Härter, Hamburg), konkretisiert das Leitbild vom mündigen Patienten. Empirische Analysen zeigen, dass Patienten eine solche Entscheidungsfindung auch wollen. Doch lassen sich in der Praxis mannigfache Hemmnisse für die Umsetzung des partizipativen Modells erkennen. Informations- und Kommunikationsasymmetrien zwischen Arzt und Patient und mangelndes Vertrauen spielen hierbei eine wichtige Rolle. Im Aufbau einer Gesundheitskompetenz des Patienten (health literacy) wird ein wichtiges Konzept zum Abbau solcher hemmenden Faktoren gesehen (vgl. zur health literacy statt vieler Dierks, Hannover, und Mühlhauser, Hamburg). Vielfältige Instrumente zur Stärkung der Kompetenz werden diskutiert. Doch offensichtlich ist die persönliche Gesundheitskompetenz von Versicherten und Patienten immer noch als defizitär einzuschätzen, gemessen an den Möglichkeiten, die zur Verfügung stehen. Warum verpuffen etwa die vielfältigen Appelle, mit dem Rauchen aufzuhören, obwohl wir um die negativen Folgen des Rauchens wissen?

Erste Ergebnisse

An diesem Punkt setzt das Forschungsprojekt an, das diesen Sachverhalt analysiert und im Sinne Thaler-Sunsteins nach Anreizen bzw. Anstößen für Patienten fragt, damit diese sich wirklich für eine Steigerung ihrer Gesundheitskompetenz entscheiden, was sie offensichtlich wünschen, aber nicht in ausreichendem Maße umzusetzen in der Lage sind. Das Thaler-Sunstein-Konzept des liberalen Paternalismus scheint im heuristischen Sinne im Rahmen einer Versorgungsforschung als Basis für eine Stärkung der Gesundheitskompetenz von Versicherten und Patienten geeignet zu sein. Die Versorgungsforschung ist deshalb besonders angesprochen, da eine Überwindung der Informations- und Kommunikationsasymmetrien bei Patienten als öffentliche Aufgabe zur Stärkung von Gesundheitskompetenz und damit Senkung vermeidbarer Gesundheitskosten zu begreifen ist (vgl. Eckpunkte des Netzwerks der Versorgungsforschung 2013).