Evaluation der Umsetzung der nationalen S3-Leitlinie Diagnostik, Therapie und Nachsorge des Mammakarzinoms der Frau und des damit erreichten bevölkerungsbezogenen Outcome's in verschiedenen Regionen Deutschlands

S. Schrodi1, B. Holleczek2, A. Niedostatek4, C. Stegmaier2, A. Tillack3, C. Werner4,
G. Schubert-Fritschle1, J. Engel1
1 Tumorregister München, 2 Krebsregister Saarland, 3 Tumorzentrum Land Brandenburg, 4 Krebsregister Dresden

Hintergrund

2004 wurde in Deutschland die erste nationale S3-Leitlinie für die Diagnostik, Therapie und Nachsorge des Mammakarzinoms der Frau implementiert, 2008 erschien die erste Aktualisierung. Das Hauptziel dieser Studie war eine Evaluation der Umsetzung der Leitlinienempfehlungen und möglicher Auswirkungen auf die Ergebnisqualität anhand von bevölkerungsbezogenen Daten aus vier verschiedenen Regionen Deutschlands mit einer Bevölkerung von insgesamt 9,2 Millionen Einwohnern.

Material und Methoden

In die Analyse gingen 72.742 operierte Brustkrebsfälle der Diagnosejahre 1999 bis 2010 ein, dokumentiert in den Krebsregistern der Regionen Brandenburg (n=19.871), Dresden (n=10.052), München (n=34.862) und Saarland (n=7.957). Die Leitlinienumsetzung wurde zum einen anhand der jährlichen prozentualen Verteilung der betreffenden Qualitätsindikatoren, zum anderen anhand multipler logistischer Modelle überprüft. Die Beurteilung der Ergebnisqualität erfolgte anhand der Kaplan-Meier-Methode sowie mittels multipler Cox-Regressionsanalyse.

Ergebnisse

Die Prognosefaktoren unterscheiden sich signifikant zwischen den Regionen. So beträgt beispielsweise der Anteil befallener Lymphknoten (pN+) in Brandenburg 34,8 %, im Gegensatz zu Dresden mit 36,3 %, München mit 32,5 % und Saarland mit 39,3 %.
Im Zeitraum 1999-2003 war die Chance auf eine brusterhaltende Therapie (BET) in den Regionen München und Saarland um das 2,6-fache höher als in den Regionen Brandenburg und Dresden (95 %-KI 2,4-2,8). Die Odds Ratio für diesen Ost-West-Unterschied verringerte sich auf 1,6 (1,5-1,8) im Zeitraum 2004-2007, im Zeitraum 2008-2010 betrug sie nur noch 1,2 (1,1-1,3). Bei der Sentinel-Lymphknoten-Entfernung (SLNE) zeigte sich ein ähnliches Bild: Die Odds Ratio ging von 3,2 (3,0-3,4) im Zeitraum 2 auf 1,3 (1,2-1,4) im Zeitraum 3 zurück. Die relative 5-Jahres-Überlebenswahrscheinlichkeit beträgt 86,4 % in Brandenburg, 87,5 % in der Region Dresden, 89,2 % in der Region München und 85,2 % im Saarland. Diese Unterschiede sind im Cox-Modell nahezu aufgehoben. Der geringe univariate Überlebensvorteil von „Brustzentrums-patientinnen“ war in den nach Stadien stratifizierten multiplen Analysen nicht mehr nachweisbar.

Diskussion

Als problematisch stellte sich die vergleichende Analyse der Radiotherapie, der adjuvanten systemischen Therapie sowie zum Teil der Progressionen heraus. Aufgrund verschiedener Dokumentationswege besteht ein regional unterschiedlicher Grad an Unterdokumentation, der eine realistische Interpretation der entsprechenden Prozess- und Ergebnisqualitätsindikatoren zum Teil erschwert.

Schlussfolgerungen und Fazit

Sowohl bezüglich der lokalen Operation als auch bezüglich der Bestimmung des Nodalstatus waren die Qualitätsindikatoren der S3-Leitlinie bereits in allen Regionen erfüllt, bevor sie in der jeweiligen Fassung der Leitlinie vorgegeben wurden. Es zeigte sich aber ein Ost-West-Unterschied bei der Höhe der Raten und bei der Geschwindigkeit der Umsetzung, allerdings erwartungsgemäß ohne Einfluss auf die Überlebenswahrscheinlichkeit. Univariate regionale Unterschiede im Überleben lassen sich größtenteils durch die regional unterschiedliche Verteilung der Prognosefaktoren und ggf. durch Unterschiede bei der adjuvanten systemischen Therapie erklären.
Die Analyse der Brustzentren ergab, dass Patientinnen, die in einem zertifizierten Brustzentrum behandelt werden, günstigere Prognosefaktoren aufweisen als Patientinnen aus nicht zertifizierten Kliniken, so dass ein Überlebensvorteil von „Brustzentrumspatientinnen“ in nach Stadien stratifizierten multiplen Analysen nicht zu belegen ist.

Anhand der in den vier Krebsregistern dokumentierten Daten lässt sich die Versorgung anhand vieler Qualitätsindikatoren der S3-Leitlinie überprüfen, im zeitlichen Verlauf darstellen und einem regionalen Vergleich unterziehen. Die bevölkerungsbezogene Versorgung der Brustkrebspatientinnen in Deutschland ist weitestgehend leitliniengerecht und insbesondere die Ergebnisqualität nimmt im internationalen Vergleich einen Spitzenplatz ein.

Abschlussbericht 2012

Projekt: Evaluation der Umsetzung der nationalen S3-Leitlinie Diagnostik, Therapie und Nachsorge des Mammakarzinoms der Frau und des damit erreichten bevölkerungsbezogenen Outcome's in verschiedenen Regionen Deutschlands
Förderungsschwerpunktprogramme der Deutschen Krebshilfe (DKH): "Epidemiologische Forschung mit Daten bevölkerungsbezogener Krebsregister" Evaluation onkologischer Versorgung
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