REDUDOK: Reduktion des Dokumentationsaufwandes in der stationären Altenpflege

Prof. Dr. phil. Dipl.-Psych., RN, Bernd Reuschenbach, Fakultät Pflege an der Katholischen Stiftungsfachhochschule in München

Ausgehend von der immer wieder beklagten Dokumentationslast in der Altenpflege ging das Projekt REDUDOK der Frage nach, inwieweit die Versorgungsqualität mit der Dokumentation in Verbindung steht. Als Maß für die Versorgungsqualität wurden Selbsteinschätzungen der Akteure zur Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität herangezogen.

In einem Pre-Test wurde zunächst mittels qualitativen Methoden die Einschätzung der beruflich Pflegenden zum Dokumentationsaufwand in vier Münchner Einrichtungen erhoben. Ergänzend wurde eine Zeiterfassung durchgeführt, die zu einem durchschnittlichen tagebezogenen Minutenaufwand zur Durchführung der Dokumentation verdichtet werden konnte.
Es erfolgte dann über zwei Monate hinweg die Intervention. Diese bestand aus Reflexionsrunden der Akteure in der Praxis ausgehend von folgenden Leitfragen:
Welche Dokumente, Assessments oder Verfahrensanweisungen sind im Sinne einer Bewohnerorientierung wirklich wichtig? Welche Anforderungen stellt eine dokumentationsfreie Pflege an die Gesundheitsakteure? Ausgehend von diesen Reflexionsrunden wurde die Dokumentation reduziert, meist eine andere theoretische Fundierung gewählt und das professionelle Pflegeverständnis verstärkt in das Handeln eingebracht.

Nach der Intervention wurde die Wirksamkeit im Hinblick auf die Versorgungsqualität durch zwei Erhebungsmethoden bestimmt:

  1. Es wurden erneut Fokusgruppen in den Pflegeeinrichtungen zu erlebten Unterschieden im Pflegehandeln und den Auswirkungen auf die Versorgungsqualität durchgeführt.
  2. Es wurde eine erneute Zeiterfassung auf den Modellwohnbereichen durchgeführt. Die Zeiterfassung erlaubte also einen Prä-Post-Vergleich. Ergänzend wurde die Zeiterfassung in vier Kontroll-Wohnbereichen ohne Intervention durchgeführt.

Ergebnis

Die Ergebnisse der Fokusgruppeninterviews zeigen, dass es gelingen kann, den Dokumentationsaufwand deutlich zu reduzieren, ohne dass es zu Einbußen in der Versorgungsqualität kommt. Die Pflegenden berichten sogar von mehr Zeit für die Interaktion mit den Bewohnerinnen und Bewohnern. Allerdings wird auch deutlich, dass nach Jahren eines stetigen Anwachsens qualitätssichernder Maßnahmen in der Pflege Unsicherheiten über die rechtlichen Konsequenzen einer dokumentationsreduzierten Pflege bestehen.

Die Auswertung der Zeiterfassung zeigt, dass es über alle vier Stationen hinweg zu einer Zeitersparnis pro Person und Dienstschicht von knapp 10 Minuten gekommen ist. In einigen Wohnbereichen hat sich der Dokumentationsaufwand halbiert, so dass pro Monat knapp 45 Stunden mehr Zeit für die eigentliche Bewohnerversorgung zur Verfügung stehen.

Die Ergebnisse zeigen, dass es - eine entsprechende angeleitete Reflexion und einen hohen Anteil an Fachkräften vorausgesetzt - gelingen kann, trotz einer Reduktion der Dokumentation die Versorgungsqualität in der Altenpflege zu erhalten oder zu verbessern. Das Projekt und die Evaluation des Projektes verdeutlichen aber auch, dass auf die Dokumentation nicht gänzlich verzichtet werden kann, da besonders bei langsamen Veränderungen die Dokumentation den Blick für notwendige Pflegemaßnahmen schärft.