Interreg-Projekt: "PFLEGE: Ein Arbeitsmarkt der Zukunft"

Prof. Dr. phil. Dipl.-Psych., RN, Bernd Reuschenbach, Fakultät Pflege an der Katholischen Stiftungsfachhochschule in München

Im Rahmen des von der EU geförderten Interreg-Projekts "PFLEGE: Ein Arbeitsmarkt der Zukunft" (Laufzeit 2011-2013) war die Katholische Stiftungsfachhochschule für das Forschungsmodul "Unterstützungsbedarf & Versorgungsressourcen für ältere Menschen in der Modellregion" zuständig. Ziel dieses Moduls war es, Unterschiede zwischen Deutschland und Österreich im Hinblick auf die Versorgung älterer Menschen aufzudecken. In Kooperation mit der Fachhochschule Linz wurden zunächst geeignete Erhebungsinstrumente entwickelt, um die Versorgungsbedarfe zu erfassen. In einem zweiten Schritt wurden diese Methoden in ausgewählten Modellregionen angewendet, um dann über Landesgrenzen hinaus Gemeinsamkeiten in der Versorgungssituation, möglichen Versorgungslücken und Versorgungsbedarfen aufzudecken. Auf deutscher Seite wurde dazu die Modellregion Altötting ausgewählt.

Die Erwartungen der Bevölkerung wurden in qualitativen Gruppeninterviews erfragt und mit den vorhandenen Angeboten professioneller Dienstleister (ambulant und stationär) verglichen. Im Sinne einer nutzerorientierten gemeindenahen Methodik wurden die Ergebnisse der qualitativen und quantitativen Erfassung in verschiedenen Workshops mit den Betroffenen diskutiert und hieraus Handlungsempfehlungen abgeleitet.

Im Vergleich Deutschland vs. Österreich zeigte das Projekt grundlegende Unterschiede in der Planung von Versorgungsleistungen und in den Zuständigkeiten. Während in Österreich beispielsweise die Versorgung durch ambulante und stationäre Pflegedienste zentral gesteuert wird, ist in Deutschland ein deutlich freieres Spiel des Marktes erkennbar. Dies ist Chance und Risiko zugleich: Chance, weil damit ein schnelles Aufkommen von Versorgungsangeboten ohne übergeordnete Steuerungsebene ermöglicht wird; Risiko, weil in strukturschwachen Gegenden eine Unterversorgung insbesondere an innovativen wohnortnahen Angeboten droht. Besonders dort, wo Nachfragen gering sind, sind daher Strukturen zu schaffen, die das ehrenamtliche Engagement berücksichtigen.

Eine weitere Erkenntnis des Projektes war, dass die übergeordneten gliedernden Strukturen der Versorgungsforschung mehr in den Blick genommen werden müssen. In Bayern ist für die Versorgung älterer Menschen das Seniorenpolitische Gesamtkonzept in Umsetzung des Gesetzes zur Ausführung der Sozialgesetze, kurz AGSG, leitend. Es hat innovatives Potential, da es über die Leistungen der Sozialgesetzgebung hinaus auch Aspekte der Teilhabe (z. B. Mobilität in der Region) in den Blick nimmt. Als eine Alternative zu diesem Konzept wurden verschiedene Varianten des Community Health Assessments (CHA) zur Erhebung von Versorgungsbedarfen geprüft. Es zeigte sich, dass die CHAs eine theoretisch entwickelte, ganzheitlichere und partizipativere Erfassung von Versorgungsbedarfen ermöglicht. Bisher wurden solche CHA nur in Bielefeld und Landshut genutzt. Sie werden als zukunftsweisend bewertet, weil sie in anderen Ländern häufig genutzt werden und damit auch vergleichende Analysen möglich sind.