Tuberkulose

Erreger

Die Tuberkulose wird von verschiedenen Arten der Gattung Mycobacterium (Mykobakterien) verursacht. Dabei handelt es sich um langsam wachsende, grampositive, unbewegliche Stäbchenbakterien, die sich besonders durch ihre Säure- und Alkoholfestigkeit und das Vorkommen von Mykolsäuren in der Zellwand auszeichnen. Letzteres verleiht ihnen eine hohe Umweltstabilität (Tenazität) und Widerstandsfähigkeit gegenüber der vollständigen Abtötung und Beseitigung durch das Immunsystem.

Die veterinärmedizinisch wichtigste mykobakterielle Erkrankung ist die Tuberkulose des Rindes, die überwiegend durch die Arten Mycobacterium bovis und Mycobacterium caprae verursacht wird. Beide Arten gehören zum sogenannten Mycobacterium tuberculosis Complex (MTC). In diesem werden die Erreger der Tuberkulose von Mensch und Tier zusammengefasst, wobei auch der Impfstamm M. bovis BCG dem Mycobacterium tuberculosis-Complex zugerechnet wird. Weitere dem MTC zugehörige Erreger sind unter anderem: M. tuberculosis als Haupterreger der Tuberkulose des Menschen, M. africanum, M. microti, M. pinnipedii, M. canettii und M. mungi.

Vorkommen und Übertragungswege

Die Tuberkulose der Rinder ist eine sogenannte Zoonose, das heißt der Erreger kann vom Tier auf den Menschen oder umgekehrt vom Menschen auf Tiere übertragen werden.

Die Infektion wird in der Regel über Speichel und hochgehustete Sekrete aus den tiefen Atemwegen (Tröpfcheninfektion), durch die Luft (aerogen) und über Milch (oral) übertragen. Auch Infektionen über Harn und Sperma sind bekannt.

Krankheitsbild

Erkrankungen bei Rindern:

Die Rindertuberkulose ist eine chronische Infektionskrankheit. Das bedeutet, infizierte Tiere können über lange Zeit klinisch unauffällig bleiben. Leistungsrückgang unklarer Ursache, Abmagerung oder chronischer, therapieresistenter Husten können auf die Erkrankung hinweisen. In der Erstinfektionsphase entwickelt sich eine granulomatöse Entzündung, d. h. es bilden sich knötchenförmige Veränderungen (Tuberkel) an der Eintrittspforte und in den zugehörigen Lymphknoten (Primärkomplex). Die Veränderungen finden sich je nach Infektionsweg an unterschiedlichen Organsystemen. Häufig sind Lymphknoten des Kopfes, des Atmungs- oder Verdauungstrakts betroffen. Danach treten verschiedene Verlaufsformen auf. Bei der Frühgeneralisation bilden sich Tuberkel in verschiedenen Organen, unter anderem in der Leber und den Nieren sowie an Brust- und Bauchfell (Miliartuberkulose). Neben einer heute eher seltenen generalisierten Form mit Tuberkelbildung in einer Vielzahl von Organsystemen, tritt die Rindertuberkulose überwiegend als chronische Organtuberkulose auf. Dabei ist meist nur ein Organsystem mit den zugehörigen Lymphknoten, z. B. die Lunge betroffen. In der Endphase des Erkrankungsgeschehens kann es dann durch Ausbreitung des Erregers über das Blut zur Spätgeneralisation kommen, wobei sich die Mykobakterien im gesamten Organismus ausbreiten. Die generalisierten Verlaufsformen werden in der Regel von einem Zusammenbruch des Immunsystems eingeleitet.

Erkrankungen bei Wildtieren:

Die Erreger der Rindertuberkulose werden auch bei Wildtieren nachgewiesen. Wildtiere wie der Dachs in England, der Fuchskusu in Neuseeland und der Weißwedelhirsch in den USA stellen ein dauerhaftes Reservoir für M. bovis dar. Im Alpenraum wird beim Rotwild (Hirsche) regional M. caprae regelmäßig nachgewiesen (Reservoirwirt).

Diagnostik

Nachweis am lebenden Tier

Der Nachweis einer Tuberkuloseinfektion beruht auf einer speziellen Reaktion des Immunsystems betroffener Rinder, einer immunologischen Überempfindlichkeitsreaktion vom verzögerten Typ (delayed type of hypersensitivity, DTH), die von sensibilisierten T-Lymphozyten ausgeht. Im sogenannten Tuberkulintest wird ein Zellwandextrakt aus Mykobakterien (Tuberkulin) in die Haut gespritzt. Im positiven Fall – bei infizierten Tieren - nimmt die Hautdicke innerhalb von drei Tagen zu (Schwellung), unter Umständen mit Schmerzempfindlichkeit und vermehrter Wärme. Ein ähnliches Nachweisprinzip liegt dem gamma-Interferontest (Bovigam®-Test) zugrunde, bei dem nach Blutentnahme im Labor (in vitro) sensibilisierte T-Lymphozyten durch Stimulierung mit Tuberkulin zur Ausschüttung von Interferon-gamma (IFN-Ɣ) veranlasst werden. Die Messung der IFN-Ɣ-Ausschüttung erfolgt mittels Enzymimmun-Assay. Dieser Ɣ-Interferontest (Bovigam®-Test) ist zur Diagnose der Tuberkulose der Rinder zugelassen. Zur amtlichen Feststellung des Ausbruchs der Rindertuberkulose nach positivem oder zweifelhaftem Tuberkulin-Test oder Bovigam®-Test erfolgt der Erregernachweis mittels PCR oder Kultur.

Nachweis am toten Tier

Bei toten Tieren umfasst die Untersuchung auf Tuberkulose die Feststellung mit bloßem Auge sichtbarer Veränderungen in den Organen, die mikroskopische Untersuchung des Probenmaterials auf säurefeste Stäbchen oder auf spezifische Veränderungen des Gewebes (pathohistologische Untersuchung), den molekularbiologischen Direktnachweis der Erbsubstanz (DNA) von Mykobakterien aus dem Organgewebe durch eine real-time PCR (engl. Polymerase Chain Reaction), sowie die Anzucht (Kultur) des Erregers auf festen und flüssigen Nährmedien (Erregerisolierung). Die Kultur ist die empfindlichste Nachweismethode und gilt nach wie vor als Goldstandard. Durch das langsame Wachstum von Mykobakterien kann der Kulturnachweis jedoch sechs bis acht Wochen dauern. Arbeiten zur Erregerisolierung und der Umgang mit Kulturisolaten sind aus Arbeitschutzgründen nur in Laboren der Biosicherheitsstufe 3 (biosafety level 3, BSL3) im LGL-Labor in Oberschleißheim gestattet.

Zur Unterscheidung der verschiedenen Arten von Mykobakterien (Speziesdifferenzierung) aus einem gewonnenen Isolat werden kommerzielle Testsysteme verwendet, die auf der DNA-Strip-Technologie beruhen. Darüber hinaus erlauben weitere molekularbiologische Analysen der Nukleinsäuresequenzen die Feincharakterisierung und Subtypisierung der Isolate.

Gesetzliche Regelungen

Die Tuberkulose der Rinder (hervorgerufen durch Mycobacterium bovis und Mycobacterium caprae, Mycobacterium tuberculosis, Mycobacterium africanum oder Mycobacterium microti) ist eine anzeigepflichtige Tierseuche. Ihre Bekämpfung ist in der Verordnung zum Schutz gegen die Tuberkulose des Rindes (Tuberkulose-Verordnung) gesetzlich geregelt. Die Tuberkulose anderer Tierarten und Tuberkulosen, die nicht durch die Verordnung über anzeigepflichtige Tierseuchen abgedeckt sind, sind meldepflichtig.

Mit Entscheidung 97/76/EWG der Kommission vom 17. Dezember 1996 (abgelöst durch Entscheidung 1999/467/EG) wurde Deutschland mit Wirkung vom 1. Juli 1996 als "amtlich frei von Rindertuberkulose" anerkannt. Dies bedeutet nach Definition der EU, dass 99,9% der Rinderherden frei von Rindertuberkulose sind und deutschlandweit in höchstens 0,1% der Bestände jährlich infizierte Tiere entdeckt werden. Auf Grund der Tuberkulosesituation wurden die routinemäßig durchgeführten Untersuchungen der Rinder mittels Tuberkulintest ab dem Jahr 1997 eingestellt und durch Untersuchungen im Rahmen der amtlichen Fleischuntersuchung am Schlachthof ersetzt. Dort wird auf entsprechende pathologisch-anatomische Veränderungen geachtet. In begründeten Fällen kann die zuständige Behörde eine Tuberkulinisierung anordnen.

  • Verordnung zum Schutz gegen die Tuberkulose des Rindes (Tuberkulose-Verordnung)
  • Verordnung über anzeigepflichtige Tierseuchen
  • Entscheidung 1999/467/EG der Kommission vom 15. Juli 1999 über die amtliche Anerkennung der Tuberkulosefreiheit von Rinderbeständen in bestimmten Mitgliedsstaaten und Regionen der Mitgliedsstaaten und zur Aufhebung der Entscheidung 97/76/EG