Formaldehyd
- Eigenschaften von Formaldehyd
- Verwendung und Entstehung von Formaldehyd
- Formaldehydgehalte in Bedarfsgegenständen oder anderen Verbraucherprodukten
- Rechtliche Vorgaben für Formaldehyd in Verbraucherprodukten
- Belastungen des Menschen durch Formaldehydfreisetzungen aus Verbraucherprodukten
- Quellen und weiterführende Literatur
- Mehr zu diesem Thema
Eigenschaften von Formaldehyd
Formaldehyd ist ein wichtiger industrieller Rohstoff. In Gasform tritt es als farbloses Gas mit stechendem Geruch auf, in Wasser kommt es als Formaldehydhydrat vor.
Formaldehyd wird im Stoffwechsel von Pflanzen, Tieren und Menschen als Zwischenprodukt gebildet. Beispielsweise entsteht es beim Abbau des Zellwandbestandteils Lignin aus verholzten Pflanzenteilen.
Gasförmiges Formaldehyd wird bei unvollständigen Verbrennungsprozessen freigesetzt, die z. B. im Verkehr, aus Heizungen oder beim Rauchen von (E-)Zigaretten, Shishas vorkommen.
Formaldehyd ist gemäß Anhang VI Teil 3 Tabelle 3 VO (EG) Nr. 1272/2008 als kanzerogen der Kategorie 1 B („Kann beim Einatmen Krebs erzeugen“), als hautätzend Kategorie 1 B („Verursacht schwere Verätzungen der Haut und schwere Augenschäden“) und als hautsensibilisierend Kategorie 1 („Kann allergische Hautreaktionen verursachen“) eingestuft.
Der Einsatz von Formaldehyd soll nach Europäischen Agentur für Chemikaliensicherheit (ECHA) reduziert werden.
Verwendung und Entstehung von Formaldehyd
Formaldehydhaltige Lösungen, häufig als Formalin-Lösung bezeichnet, werden wegen ihrer antibakteriellen, antifungiziden (gegen Pilze und Sporen) oder antiviralen Wirkungen zur Instrumentensterilisation und Desinfektion von Geräten, Flächen oder Wäsche im Krankenhaus oder im Rahmen von Desinfektionsmaßnahmen im Veterinärbereich eingesetzt. Vernebelte oder verdampfte Formaldehyd-Lösungen (Begasung) können zur Raumdesinfektion in Laboren, medizinischen Einrichtungen oder Tierställen z. B. Hühnerställen dienen.
Chemische Verbindungen wie Dimethylol Urea, DMDM-Hydantoin setzen als Formaldehydabspalter (Formaldehyddepotstoffe) über längere Zeiträume geringe Mengen Formaldehyd frei. Sie werden beispielsweise Kühlschmierstoffen, Klebern oder Desinfektionsreinigern als Biozide zugesetzt bzw. auf Mineralwolle oder Wolltextilien zum Schutz von Pilzen aufgebracht. Auch als synthetische Gerbstoffe in der Lederverarbeitung finden sie Verwendung.
Aus Formaldehyd und Harnstoff, Melamin oder Phenolen entstehen Kunstharze wie Amino-, Phenoplaste und Melaminharze. Diese Harze werden vielfältig genutzt: als Bindemittel in Holzwerkstoffen (Spanplatten, Sperrholz, Tischlerplatten, verleimtes Holzspielzeug), als Hilfsmittel zur Verbesserung der Formbeständigkeit von Baumwolltextilien, zur Nassfestausrüstung von Papier, bei der Produktion von Melamin-Kunststoffküchenartikeln oder –geschirr oder in speziellen aushärtenden Lacken.
Formaldehydgehalte in Bedarfsgegenständen oder anderen Verbraucherprodukten
Zu den Verbraucherprodukten gehören auch Bedarfsgegenstände wie Textilien oder Lederwaren mit Körperkontakt, Holzspielzeug, z. B. Puzzle oder Steckteile, und Reiniger. Zudem fallen beispielsweise Vorhänge, Bodenbelägen oder Holzwerkstoffen auch unter die rechtliche Bestimmung des Begriffs „Verbraucherprodukte“.
Manche Reinigungsmittel enthalten Formaldehyd gemäß ihrer Rezeptur in geringen Mengen, andere setzen es unter bestimmten Bedingungen, z. B. bei Erhitzen, frei. Bestimmte Desinfektionsreiniger auf Aldehydbasis, Desinfektionsmittel, Kühlschmierstoffe, Harnstoff-Formaldehyd-Ortschäume oder bestimmte Farben und Lacke stellen Sonderfälle dar, die industriell oder gewerblich genutzt werden.
Abhängig von der Untersuchungsmethode und den rechtlichen Vorgaben wird der Formaldehydgehalt als Massengehalt (%), Massenkonzentration (mg/kg,) als Konzentration pro Luftvolumen in speziellen Prüfräumen (mg/m3) bzw. als Freisetzungsrate aus der Oberfläche des Erzeugnisses pro Zeiteinheit (mg/m2 x h) angegeben. Deshalb sind bei den in Tabelle 1 dargestellten Untersuchungsergebnissen ausgewählter Verbraucherprodukte die Dimensionen unterschiedlich.
Erzeugnis | Formaldehyd | Dimension |
---|---|---|
Desinfektionsreiniger, Desinfektionsmittel | 1 bis ≤ 50 | % |
Holzspielzeug | 7,3 - 981 | mg/kg |
Bekleidung | 2 - 1400 | mg/kg |
Möbel | < 0,01 - 0,18 | mg/m3 |
Hölzer unterschiedlicher Baumarten, Bodenbeläge aus Naturholz |
0,004 - 0,82 0,004 - 0,84 | mg/m3 mg/m2x h |
Bodenbeläge-Laminate | 0,006 - 0,12 < 0,003 - 0,35 |
mg/m3 mg/m2x h |
Teppiche | < 0,01 - 0,11 | mg/m3 |
Vorhänge | 0,001-0,011 | mg/m3 |
Spanplatten (unterschiedliche Verarbeitungen, einschließlich OSB-Spanplatten) | < 0,01 - 0,023 0,13 - 4,7 |
mg/m3 mg/m2x h |
Farben, Lacke | 0,001 - 0,10 0,023; 0,43 < 0,01; 0,01 |
mg/m2x h mg/m3 zu Beginn der Ausgasung mg/m3 nach gewisser Ausgasungszeit |
Rechtliche Vorgaben für Formaldehyd in Verbraucherprodukten
Aufgrund der oben erwähnten Einstufung von Formaldehyd gemäß der VO (EG) Nr. 1272/2008 und der bekannten unerwünschten Raumluftbelastungen wurden eine Vielzahl unterschiedlicher nationaler und europaweit gültiger rechtlicher Bestimmungen zur Beschränkung des Einsatzes von Formaldehyd und zur Kennzeichnung von Produkten mit Formaldehyd erlassen.
Nach Bedarfsgegenständeverordnung (BedGgstV) müssen Wasch- und Reinigungsmittel mit einem Massengehalt von mehr als 0,1 % freiem Formaldehyd mit „enthält Formaldehyd“ gekennzeichnet werden. Ab einem Massengehalt von mehr als 0,2 % Formaldehyd dürfen Wasch-, Reinigungs- und Pflegemittel in Deutschland gemäß der Verordnung über Verbote und Beschränkungen des Inverkehrbringens und über die Abgabe bestimmter Stoffe, Gemische und Erzeugnisse nach dem Chemikaliengesetz (Chemikalien-Verbotsverordnung - ChemVerbotsV) nicht in den Verkehr gebracht werden.
Gemäß CLP-V müssen formaldehydhaltige Desinfektionsreiniger oder Desinfektionsmittel ihrer Einstufung entsprechende Gefahrensymbole und Warnhinweise wie z. B. „Kann allergische Hautreaktionen verursachen.“, „Verursacht schwere Verätzungen der Haut und schwere Augenschäden“ bzw. „Kann Krebs erzeugen“ tragen. Diese Kennzeichnungsvorgaben dienen auch dem Schutz des privaten Verbrauchers.
Ein gesetzlicher Grenzwert für Formaldehyd in Textilien oder Schuhen existiert derzeit nicht. Die Bedarfsgegenständeverordnung schreibt lediglich für Textilien mit einem Massengehalt von mehr als 0,15 % an freiem Formaldehyd, die bei bestimmungsgemäßem Gebrauch mit der Haut in Berührung kommen können und die mit einer Ausrüstung versehen sind, den Warnhinweis „Enthält Formaldehyd. Es wird empfohlen, das Kleidungsstück zur besseren Hautverträglichkeit vor dem ersten Tragen zu waschen“ vor.
Ab 1. November 2020 gelten gemäß Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 (REACH-Verordnung) Beschränkungen für Formaldehyd in Kleidung, bestimmten Schuhwaren und Textilien bzw. Kleidung, die bei normaler und vernünftigerweise vorgesehener Verwendung mit der menschlichen Haut in Berührung kommen und aus homogenen Materialien bestehen. In solchen Erzeugnissen darf der Grenzwert von zunächst 300 mg/kg Formaldehyd – später dann ab 01. November 2023 75 mg/kg - nicht überschritten werden. Teppichböden, sonstige Fußbodenbelege, andere Textilien und Schuhwaren fallen nicht unter die Beschränkungen nach REACH-Verordnung.
Nach Spielzeugrichtlinie darf Formaldehyd in Spielzeug, in Spielzeugkomponenten oder in aufgrund ihrer Mikrostruktur unterscheidbaren Spielzeugkomponenten nicht verwendet werden. Gemäß der Europäischen Norm „Sicherheit von Spielzeug“ Teil 9 (DIN EN 71-9) gilt für Spielzeug für Kinder unter drei Jahren eine empfohlene Begrenzung auf 30 mg Formaldehyd/kg in textilen Bestandteilen und in Papier-Bestandteilen bzw. auf 80 mg/kg in kunststoffverleimten Holz.
Ob die rechtlichen Vorgaben eingehalten werden, wird in der chemischen Marktüberwachung, amtlichen Überwachung von Kosmetika, Bedarfsgegenständen im Lebensmittel- bzw. Körperkontakt und Spielwaren überprüft. Beispiele hierzu finden sich auf weiteren Seiten des Bayerischen Landesamtes für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (siehe verwandte Themen und mehr zu diesem Thema)
Belastungen des Menschen durch Formaldehydfreisetzungen aus Verbraucherprodukten
Die Europäische Behörde für Chemikaliensicherheit (ECHA) hat aus den Freisetzungsraten von Formaldehyd aus Möbeln, Textilien, Bodenbelägen und Baumaterialien eine Gesamtbelastung der Innenraumluft in Höhe von 0,065 bis 0,084 mg/m3 abgeschätzt. In dem Summenwert ist auch ein Eintrag geringer Mengen von Formaldehyd aus der Außenluft enthalten. Der Einsatz eines 0,09 %-igen formaldehydhaltigen Reinigungsmittels führt nach ECHA u. U. schätzungsweise zu einer vorübergehenden Belastung der Raumluft in Höhe von 0,024 mg/m3. Der zum Schutz der Gesundheit der Bevölkerung abgeleitete Richtwert für Innenraumluft der Weltgesundheitsbehörde und des Ausschusses für Innenraumluft des Umweltbundesamtes in Höhe von 0,1 mg/m3 wird in beiden Szenarien einzeln betrachtet eingehalten.
Quellen und weiterführende Literatur
Berger M, Nitschke L. (2015) Messung von Formaldehyd bei Hühnerstallbegasungen. Gefahrstoffe-Reinhaltung der Luft 75(4): 127-132
European Commission: RASFF Portal
European Commission Safety Gate - Most recent alerts. Weekly Reports
European Chemical Agency (ECHA) (2017) Regulation (EU) No 528/2012 concerning the making available on the market and use of biocidal products- Evaluation of active substances: Assessment Report Formaldehyde Product-type 02 (Disinfectants and algaecides not intended for direct application to humans or animals)
ECHA (2019): Annex XV Restriction report proposal for a restriction- substance name: formaldehyde and formaldehyde releasers
Richtwert für Formaldehyd in der Innenraumluft. Mitteilung des Ausschusses für Innenraumluftwerte. Bundesgesundheitsbl 2016, 59:1040-44
Roth L, Rupp G. (2019) Formaldehyde, 2. Auflage, Ecomed, Landsberg a. Lech
Weltgesundheitsbehörde (WHO) WHO Guidelines for indoor air quality - selected pollutants (2010) formaldehyde. pp 103-156