Insekten zum menschlichen Verzehr - neue EU-Zulassungen für Insekten in Lebensmitteln

Teller mit Rohkost, Quark und Insekten

Laut einem Bericht der FAO (Food and Agriculture Organization of the United Nations, Welternährungsorganisation der Vereinten Nationen) gibt es weltweit mehr als 1900 essbare Insektenarten [1]. In Deutschland sind Insekten als Teil der Ernährung noch unüblich. Vereinzelt kam der Einsatz von Insekten zu Ernährungszwecken jedoch auch hierzulande schon vor: Aus dem 19. Jahrhundert ist das Rezept einer Maikäfersuppe überliefert, gepriesen als "vortreffliches und kräftiges Nahrungsmittel" – im Geschmack "ähnlich einer Krebssuppe, nur kräftiger" (zitiert aus "Magazin für die Staatsarzneikunde", Leipzig 1844).

In vielen Ländern der Welt, vor allem in Asien, Afrika und Lateinamerika sind Insekten jedoch schon seit Jahrtausenden ein wichtiger Bestandteil der menschlichen Ernährung. Laut Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) dienen Insekten bereits als Nahrungsquelle von 2 Milliarden Menschen [1]. Aufgrund des Geschmacks gelten Insekten in manchen Kulturen sogar als hochpreisige Spezialität und werden daher nicht nur von den armen Bevölkerungsschichten konsumiert, denen keine anderen Nahrungsquellen zur Verfügung stehen. Die geschmacklichen Vorlieben sind dabei je nach Region und Land unterschiedlich. Am häufigsten werden Käfer verzehrt, gefolgt von Schmetterlingen/Raupen sowie der Gruppe der Ameisen, Wespen und Bienen (vgl. Abb. 2). Je nach Insektenart werden außerdem Larven, Puppen oder die adulten Tiere als Lebensmittel genutzt.

Darstellung in Form eines liegenden Balkendiagramms: Reihenfolge der Balken (blau) von unten nach oben: Käfer (Coleoptera) 31%,Schmetterlinge/Raupen (Lepidoptera) 18%, Ameisen, Wespen, Bienen (Hymenoptera) 14%, Heuschrecken, Grillen, Grashüpfer (Orthoptera) 13%, Schnabelkerven, z. B. Pflanzenläuse (Hemiptera) 10%,Termiten (Isoptera) 3%, Libellen (Odonata) 3%, Fliegen (Diptera) 2%, Andere (z. B. Eintagsfliege, Tierläuse) 6%.

Abb. 2: Weltweit am häufigsten verzehrte Insekten in Prozent
(Daten aus: FAO 2013, Edible insects: future prospects for food and feed security)

In Europa lässt sich auch ein Wandel im Essverhalten feststellen. Lehnte vor Jahren die große Masse der Europäer Insekten, Würmer, Raupen, Heuschrecken, Fliegen etc. noch als ekelerregend und ungenießbar ab, erfreuen sich heute Insekten als Lebensmittel immer größerer Beliebtheit. Das Angebot an Insektenhaltigen Produkten wächst sukzessive. Ganze Insekten werden als Snack, z. B. als frittierte gewürzte Heuschrecken sowie in Schokolade oder Lutschern angeboten. Gemahlene Insekten werden als Insektenmehl z. B. in Nudeln, Patties und Riegeln verarbeitet. Die EU-Kommission schildert die Vorteile der Verwendung von Speiseinsekten zur menschlichen Ernährung wie folgt:
„Die Welternährungsorganisation FAO hat in verschiedenen Studien festgestellt, dass Insekten eine sehr nahrhafte und gesunde Nahrungsquelle mit einem hohen Gehalt an Fett, Eiweiß, Vitaminen, Ballaststoffen und Mineralien sind. Das macht sie interessant für die Suche nach Alternativen zu konventionellen Nutztieren. Mit Blick auf steigende Kosten für tierisches Eiweiß, Ernährungsunsicherheit, Umweltbelastung, Bevölkerungswachstum und steigende Nachfrage nach Proteinen in der Mittelschicht sieht die FAO Insekten als wichtiges Thema für Lebensmittel im 21. Jahrhundert an. Der Verzehr von Insekten als Alternative zu konventionellen Nutztieren trage positiv zur Umwelt, zur Gesundheit und zur Lebensgrundlage bei“. [2]

Essbare Insekten und daraus hergestellte Produkte könnten zukünftig eine alternative Proteinquelle darstellen, um den steigenden Nahrungsbedarf einer wachsenden Weltbevölkerung sicherzustellen. In diesem Zusammenhang wird natürlich die Verbraucherakzeptanz für Insekten und insektenbasierte Produkte von entscheidender Bedeutung sein.

Zulassung als neuartige Lebensmittel

Alle Insekten für den menschlichen Verzehr, sowohl ganze als auch Teile von Insekten und Erzeugnisse daraus, fallen unter die sog. Novel Food-Verordnung (VO (EU) 2015/2283) und gelten als neuartige Lebensmittel/Lebensmittelzutaten. Unter neuartigen Lebensmitteln (auch Novel Food genannt) versteht man Lebensmittel, die in der Europäischen Union vor dem 15. Mai 1997 nicht in nennenswertem Umfang zum menschlichen Verzehr verwendet worden sind. Da neuartige Lebensmittel wie die in Rede stehenden Insekten noch nicht über eine sichere Verwendungsgeschichte in der EU verfügen, müssen diese Lebensmittel entsprechend den Vorgaben der Novel Food-Verordnung - im Gegensatz zu „herkömmlichen“ Lebensmitteln - ein strenges Zulassungsverfahren durchlaufen. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) prüft im Rahmen des Zulassungsverfahrens mittels einer ausführlichen wissenschaftlichen Bewertung, ob das Lebensmittel als sicher für die menschliche Gesundheit zu bewerten ist. Nur wenn das neuartige Lebensmittel kein Sicherheitsrisiko für den Verzehr durch den Menschen darstellt, erfolgt die Zulassung durch die EU-Kommission. Anschließend werden diese Lebensmittel in die Unionsliste der zugelassenen neuartigen Lebensmittel (VO (EU) 2017/2470) aufgenommen. Dort ist jeweils detailliert geregelt, welchen Lebensmittelkategorien (z. B. Nudeln, Keksen, Getreideriegeln) die zugelassenen Speiseinsekten zugesetzt werden dürfen und bis zu welcher Menge. Zusätzlich ist vorgegeben, wie die Kennzeichnung inklusive des Allergiehinweises dieser neuartigen insektenhaltigen Lebensmittel auszusehen hat (siehe Beispiel unten).

Bislang hat die Europäische Kommission mit Stand vom 03.02.2023 folgende sechs Zulassungsanträge für das Inverkehrbringen von vier Insekten in unterschiedlichen Darreichungsformen als neuartige Lebensmittel für den EU-Markt und damit auch für Deutschland genehmigt:

  • Getrocknete Larven von Tenebrio molitor (Mehlkäfer), zugelassen ab 22.06.2021 mit VO (EU) 2021/882
  • Locusta migratoria (Wanderheuschrecke), gefroren, getrocknet und in Pulverform, zugelassen ab 05.12.2021 mit VO (EU) 2021/1975
  • Gefrorene, getrocknete und pulverförmige Mehlwürmer (Larven von Tenebrio molitor), zugelassen ab 01.03.2022 mit VO (EU) 2022/169
  • Acheta domesticus (Hausgrille, Heimchen), gefroren, getrocknet und pulverförmig, zugelassen ab 03.03.2022 mit VO (EU) 2022/188
  • teilweise entfettetes Pulver aus Acheta domesticus (Hausgrille), zugelassen ab 24.01.2023 mit VO (EU) 2023/5
  • Larven von Alphitobius diaperinus (Getreideschimmelkäfer), gefroren, als Paste, getrocknet und in Pulverform, zugelassen ab 26.01.2023 mit VO (EU) 2023/58

Bei allen sechs bisher genehmigten Zulassungsanträgen hat der jeweilige Antragsteller einen Datenschutz gemäß der EU-Novel-Food-Verordnung beantragt, d.h. nur der Antragsteller darf zunächst exklusiv das jeweilige zugelassene neuartige Lebensmittel für fünf Jahre in den Verkehr bringen. Der EFSA liegen derzeit acht weitere Insekten-Zulassungsanträge auf Marktzulassung vor [2].

Neben den bereits von der EU-Kommission bewilligten sechs Insekten-Zulassungsanträgen dürfen gemäß einer Übergangsregelung im Novel Food-Recht derzeit auch Erzeugnisse aus ganzen Insekten, für die vor dem 1. Januar 2019 ein entsprechender EU-Zulassungsantrag gestellt worden ist und die vor dem 1. Januar 2018 rechtmäßig in der EU im Verkehr waren, weiter in den Verkehr gebracht werden, bis eine Entscheidung über den Antrag auf Zulassung als neuartiges Lebensmittel getroffen worden ist.

Kennzeichnung

Jede Verbraucherin bzw. jeder Verbraucher kann eine selbstbestimmte, informierte Entscheidung treffen, ob sie/er insektenhaltige Lebensmittel konsumieren möchte oder nicht. Zu diesem Zweck müssen insektenhaltige Lebensmittel dementsprechend gekennzeichnet werden. In den EU-Zulassungsverordnungen ist jeweils detailliert geregelt, welchen Lebensmittelkategorien (z. B. Getreideriegel, Kekse) und bis zu welcher Menge die zugelassenen Speiseinsekten zugesetzt werden dürfen. Zusätzlich ist dort vorgegeben, wie die Kennzeichnung inklusive des Allergiehinweises dieser neuartigen insektenhaltigen Lebensmittel auszusehen hat. Lebensmittel, die Insekten enthalten, müssen das in ihrer Zutatenliste klar und verständlich aufführen.

Die Vorgaben im Einzelnen:

  • Nennung des deutschen und lateinischen Namens, z. B. für die im Juni 2021 zugelassenen getrockneten Larven von Tenebrio molitor also „Tenebrio molitor (Mehlkäfer)“
  • Information über die Form der Beimischung/Darreichungsformen (z. B. getrocknet, pastenartig oder pulverförmig), z. B. für die im Juni 2021 zugelassenen getrockneten Larven von Tenebrio molitor also „Getrocknete Larven von Tenebrio molitor (Mehlkäfer)“
  • Allergiehinweise in unmittelbarer Nähe der Zutatenliste, z. B. „Zutat kann bei Verbrauchern, die bekanntermaßen gegen Krebs- und Weichtiere und Erzeugnisse daraus sowie gegen Hausstaubmilben allergisch sind, allergische Reaktionen hervorrufen“.

Literatur

[1] FAO: Der Beitrag von Insekten zu Nahrungssicherung, Lebensunterhalt und
Umwelt, 2013, Internetlink: https://www.fao.org/publications/card/fr/c/5c610337-
bc47-5612-96ad-81db8b926cb3/
[2] Vertretung der EU-Kommission in Deutschland, Internetlink:
https://germany.representation.ec.europa.eu/insekten-lebensmitteln-die-
fakten_de

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