Übersicht zu häufig gestellten Fragen zum Thema Radioaktivität in Lebensmitteln

1. Weisen Lebensmittel in Bayern aufgrund des Reaktorunfalls in Tschernobyl im April 1986 bis heute eine erhöhte Strahlenbelastung durch künstliche Radionuklide auf?

Wie den Jahresberichten des LGL zum Thema "Radioaktivität in Lebensmitteln" entnommen werden kann, werden nur noch bei Wildpilzen und Wildfleisch nennenswerte Cäsium-137 Werte festgestellt. Bei allen anderen Lebensmittelmatrizes liegen die Cäsium-137 Gehalte unterhalb der Nachweisgrenze bzw. nur geringfügig darüber. Alle anderen künstlichen Radionuklide, die durch den Reaktorunfall in Tschernobyl nach Bayern gelangten, wie z. B. das Cäsium-134 bzw. das Jod-131, spielen aufgrund deren deutlich kürzeren Halbwertszeiten keine Rolle mehr.

Jahresberichte des Bayerischen Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL)

2. Welche Auswirkungen hatte der Reaktorunfall von Fukushima im März 2011 auf Strahlenbelastung von Lebensmittel?

Wie die Radioaktivitätsmessdaten in den Jahresberichten des LGL der vergangenen Jahre belegen, hatte der Reaktorunfall von Fukushima keine messbaren Auswirkungen auf eine durch künstliche Radionuklide verursachte Strahlenbelastung in Lebensmitteln. Für Importe aus Japan gelten derzeit die Durchführungsverordnungen (EU) Nr. 2017/2058 vom 10. November 2017 und (EU) 2019/1787 vom 24. Oktober 2019. Unter folgendem Link des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) kann eine aktuelle Importliste der an die EU-Kommission gemeldeten Messergebnisse zur Strahlenbelastung japanischer Lebensmittel eingesehen werden.

3. Nach welchen Kriterien und rechtlichen Grundlagen werden in Bayern Lebensmittel auf Radioaktivität überwacht und wo finden die Verbraucher die Ergebnisse?

Der Reaktorunfall in Tschernobyl im April 1986 führte zur Einführung von bundesweiten Messprogrammen zur Überwachung der künstlichen Radioaktivität in Lebensmitteln. Seitdem leisten diese Überwachungsprogramme einen wichtigen Beitrag zum Schutz der Bevölkerung vor künstlichen Radionukliden in Lebensmitteln. Gemäß § 162 Strahlenschutzgesetz (StrlSchG) in Verbindung mit der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Integrierten Mess- und Informationssystem zur Überwachung der Radioaktivität in der Umwelt (AVV-IMIS) werden in Bayern jährlich über 800 Lebensmittelproben untersucht. Die zu untersuchenden Probenmatrizes umfassen den gesamten Lebensmittelbereich. Für die Erstellung der Probenpläne und die Bewertung der Ergebnisse ist das LGL verantwortlich. Die Messungen der Proben nimmt das LfU vor. Zusätzlich zu den Messprogrammen des Bundes untersucht das LfU im Auftrag des LGL innerhalb eines Jahres bis zu 400 Wildfleisch- und Wildpilzproben auf Radioaktivität. Diese bayerischen Messprogramme sind freiwillig. Alle Messergebnisse der amtlichen Lebensmittelüberwachung sind auch auf der Internetseite des LfU bzw. in den Jahresberichten des LGL einsehbar.

4. Warum werden bis heute insbesondere bei Wildschweinfleisch nennenswerte Radiocäsiumwerte nachgewiesen?

Für die bis heute nachweisbare, radioaktive Belastung durch das künstliche Radionuklid Cäsium-137 in Wildschweinfleisch, ist vor allem der Reaktorunfall 1986 in Tschernobyl verantwortlich. Dabei ist der direkte Zusammenhang der Cäsium-137-Belastung in Wildpilzen und Wildschweinfleisch von entscheidender Bedeutung. Für die weiterhin nennenswerten Cäsiumgehalte (Cäsium-137) in Wildschweinfleisch sind folgende Faktoren verantwortlich: Die lange Halbwertszeit des Cäsium-137 von 30 Jahren, die Höhe der Bodenbelastung, das Fressverhalten des Schwarzwildes, die gute biochemische Verfügbarkeit des Cäsium-137 in Waldböden und die damit im Zusammenhang stehende, starke Cäsiumaufnahmefähigkeit von diversen Pflanzen (z. B. Pilze, Hirschtrüffel, Wurzeln), die als Nahrungsmittel für Schwarzwild infrage kommen. Auf diesem Wege reichert sich das Cäsium-137 unterschiedlich stark, insbesondere beim Schwarzwild, im Muskelfleisch an. Dies erklärt die Tatsache, dass obwohl die Cäsium-137 Belastungen der Waldböden sinken, es weiterhin zu einer Anreicherung des Cäsium-137 im Fleisch des Schwarzwildes mit teils deutlichen Höchstwertüberschreitungen kommen kann. Auch in den kommenden Jahren ist nicht von einer Verringerung der Cäsiumbelastung in Wildschweinfleisch auszugehen.

5. Welcher gesetzliche Radioaktivitätshöchstwert findet Anwendung auf Wildfleisch?

Im Nachgang zur Reaktorkatastrophe in Tschernobyl wurden Radioaktivitätshöchstwerte für Importerzeugnisse aus den betroffenen Ländern festgelegt. Nach der Durchführungsverordnung (EU) 2020/1158 der Kommission vom 5. August 2020 gilt für radioaktives Cäsium, allgemein für Lebensmitteln, ein Höchstwert von 600 Bq/kg. Für Milch und bestimmte Milcherzeugnisse sowie für Lebensmittel für die Ernährung speziell von Säuglingen während der vier bis sechs ersten Lebensmonate gilt nach unseren Informationen der niedrigere Wert von 370 Bq/kg.

Nach der Empfehlung (2003/274/Euratom) der Kommission vom 14. April 2003 haben sich die Mitgliedsstaaten verpflichtet, dieselben Höchstwerte auch beim Handel innerhalb der Gemeinschaft anzuwenden. Somit gilt der Höchstwert von 600 Bq/kg radioaktivem Cäsiums auch für Wildfleisch.

6. Welche Aufgabe übernimmt das LGL bei der Überwachung von Wildfleisch auf Radioaktivität?

Das LGL ist für die Radioaktivitätsüberwachung im Rahmen der amtlichen Lebensmittelüberwachung zuständig. In diesem Zusammenhang überprüft das LGL stichprobenartig, ob Lebensmittelunternehmer der Verpflichtung zur Einhaltung Ihrer Sorgfaltspflicht nach Art. 17 Abs. 1 der Verordnung (EG) 178/2002 entsprechen. Diese risikoorientierten Probenpläne des LGL umfassen die Untersuchung von jährlich mehr als 150 bayerischen Wildproben auf deren Radiocäsiumgehalt. Das LGL ist zuständig für die Überwachung von Wilderzeugnissen, die als Lebensmittel in den Verkehr gebracht werden. Daher konzentriert sich das LGL auf Wildproben, insbesondere Wildschweinproben aus dem Handel (Metzgereien, Gaststätten, Groß- und Einzelhandel). Um einen flächendeckenden Überblick über die Situation im bayerischen Handel zu erhalten, ergeht jedes Jahr eine Probenanforderung vom LGL an alle 96 bayerischen Kreisverwaltungsbehörden (KvB).

7. Welche Verantwortung haben die bayerischen Jäger?

Die primäre Verantwortung dafür, dass die Grenzwerte eingehalten werden, liegt bei den Lebensmittelunternehmern, was die Jäger einschließt. Als Lebensmittelunternehmer bringen sie Wildfleisch in Verkehr. Lebensmittelunternehmer unterliegen der Anforderung der Einhaltung der Sorgfaltspflicht nach Art. 17 Abs. 1 der Verordnung (EG) 178/2002. Um die Anforderungen zur Einhaltung der Sorgfaltspflicht zu entsprechen, führen die Jäger Eigenkontrollen mithilfe der "Qualifizierten Messstellen" durch. Diese Untersuchungen sind juristisch als Eigenkontrollen von Lebensmittelunternehmern zu betrachten.

8. Wie viele "Qualifizierte Messstellen" gibt es in Bayern?

In Bayern gibt es derzeit ca. 150 "Qualifizierte Wildbretmessstellen" (QWM). Circa 110 QWM werden von Seiten des Bayerischen Jagdverbandes betrieben. Ca. 30 QWM liegen im Zuständigkeitsbereich der Bayerischen Staatsforsten und 8 QWM sind bei bayerischen Landratsämtern angesiedelt.

9. Wie erfolgt die Qualifizierung dieser Messstellen?

Seit Anfang des Jahres 2016 ist das LGL für Anerkennung der "Qualifizierten Wildbretmessstellen" in Bayern zuständig. Das LGL wird bei dem Anerkennungsverfahren durch das Bayerische Landesamt für Umwelt (LfU) fachlich und messtechnisch unterstützt. Für Fragen zum Thema QWM wenden Sie sich bitte an den Autor: Kommentar zur Seite an den Autor senden (siehe Seitenende)!

10. Erhalten Jäger eine Entschädigung von Wildfleisch, das den Höchstwert von 600 Bq/kg überschreitet?

Wird bei Wildfleisch eine Überschreitung des vorgeschriebenen Höchstwertes für radioaktives Cäsium-137 festgestellt, kann der Jäger gemäß § 38 Abs. 2 Atomgesetz eine Entschädigung beantragen. Für die Beantragung einer Entschädigungszahlung ist ein Messprotokoll einer Qualifizierten Wildbretmessstelle vorzulegen, in dem bescheinigt wird, dass das Wildbret ausgemessen wurde und das Messergebnis den Radiocäsium Höchstwert von 600 Bq/kg überschreitet. Auf der Homepage des Bundesverwaltungsamtes (BVA) ist ein Antragsformular zum Schadensausgleich für Wildbret erhältlich. Dieses Antragsformular muss vollständig ausgefüllt bei der zuständigen Kreisverwaltungsbehörde (z. B. Landratsamt) eingereicht werden. Die zuständige Kreisverwaltungsbehörde (KVB) prüft die Richtigkeit der Angaben und leitet den Antrag bei positiver Prüfung an das Bundesverwaltungsamt (BVA) weiter.

Bundesverwaltungsamt: Ausgleichszahlung nach § 38 Abs. 2 Atomgesetz (AtG)

11. Was passiert mit Wildfleisch, welches den Höchstwert überschreitet?

Wildbret, das den Höchstwert von 600 Bq/kg überschreitet, darf nicht in Verkehr gebracht werden und muss über eine Tierkörperverwertungseinrichtung entsorgt werden. Dem Antrag auf Entschädigungszahlung ist ein entsprechender Entsorgungsbeleg beizulegen.

12. Welcher Grenzwert gilt für getrocknete Pilze

Nach der Durchführungsverordnung (EU) 2020/1158 der Kommission vom 5. August 2020 gilt der aufgeführte Höchstwert von 600 Bq/kg radioaktivem Cäsiums auch für Pilze. Der Grenzwert von 600 Bq/kg bezieht sich im Falle von Pilzen auf das Gesamtgewicht und nicht auf die Trockenmasse.

Pilze verlieren beim Trocknen ca. 90 % ihres ursprünglichen Gewichtes. Daher wird der ermittelte Cäsium-137 Messwert der getrockneten Pilze durch den Korrekturfaktor 10 dividiert.

13. Wie ist der Verzehr einer Portion Wildfleisch mit dem Höchstwert von 600 Bq/kg Radiocäsium aus Sicht des Verbraucherschutzes einzuschätzen?

In Deutschland liegt die durchschnittliche, natürliche Strahlenbelastung der Bevölkerung bei ca. 2,1 mSv pro Jahr. Bezieht man die künstliche Strahlenbelastung durch medizinische Untersuchungen mit ein, erhöht sich die jährliche, durchschnittliche Strahlenbelastung einer Person in Deutschland um weitere 2 mSv auf ca. 4,1 mSv pro Jahr. Geht man nun von einer Portion von 0,5 kg mit einer Radiocäsiumbelastung von 600 Bq/kg aus, errechnet sich unter Einbeziehung des Dosiskoeffizienten für das Leitnuklid Cäsium-137 eine effektive Dosis von 3,9 µSv. Somit hätte der Verzehr der soeben, beschriebenen Portion, nur einen 0,1 %-igen Anteil an der durchschnittlichen, jährlichen Strahlenbelastung eines Verbrauchers in Deutschland. Dementsprechend bleibt die Belastung durch die Radioaktivität auch im Falle eines überdurchschnittlichen Verzehrs insgesamt untergeordnet im Vergleich zur natürlichen und künstlichen durchschnittlichen Strahlenbelastung und stellt eine vergleichsweise vernachlässigbare Gefahr dar.

14. Wie ist die Cäsium-137 Belastung von bayerischen Wildpilzen einzuschätzen?

Grundsätzlich können bayerische Waldpilze aufgrund des Reaktorunglücks in Tschernobyl bis heute eine erhöhte Cäsium-137 Belastung aufweisen. Eine pauschale Aussage zur Höhe der radioaktiven Cäsiumbelastung in Wildpilzen für eine bestimmte bayerische Region ist aufgrund folgender Faktoren nicht möglich: Zum einen können deutliche Schwankungen der regionalen Kontamination der oberen Waldbodenschichten mit Cäsium-137 auftreten, zum anderen unterscheiden sich die Pilzsorten in ihrer Fähigkeit Cäsium-137 aus dem Waldboden aufzunehmen. Somit können die Cäsium-137 Konzentrationen in den Waldböden und somit in den Wildpilzen bereits innerhalb eines Landkreises äußert unterschiedlich ausfallen. Weitere Informationen zu diesem Thema finden Sie unter folgenden Links des Bayerischen Landesamtes für Umwelt und des Bundesamtes für Strahlenschutz:

LfU: FAQs zum Jahrestag „25 Jahre Tschernobyl“

BfS: INFOBLATT Wildpilze – Bedenkenloser Genuss ?

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