Bioverfügbarkeit von Weichmachern im Hausstaub und in Nahrungsmitteln nach oraler Zufuhr im Tierexperiment

Das Projekt wird im Auftrag des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit, Pflege und Prävention vom Sachgebiet Chemikaliensicherheit und Toxikologie des LGL in Zusammenarbeit mit dem Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) durchgeführt.

Hintergrund

Kleinkinder nehmen oral große Mengen an Staub auf (60-100 mg/Tag). Dies kann ein gesundheitliches Risiko darstellen, da sich teils beträchtliche Mengen an Schadstoffen im Hausstaub finden. Mengenmäßig und insbesondere toxikologisch bedeutsam sind in diesem Zusammenhang die Phthalate (Weichmacher), welche zu den wichtigsten Industriechemikalien zählen.

Phthalate sind Ester der 1,2-Benzoldicarbonsäure (ortho-Phthalsäure) und befinden sich seit über 40 Jahren im großtechnischen Einsatz. Aufgrund ihrer chemisch-physikalischen Charakteristika werden Phthalate, vor allen Dingen das DEHP (Diethylhexylphthalat), zu ungefähr 90 % als Weichmacher, insbesondere bei der Herstellung von Weich-PVC und anderen Polymerisaten eingesetzt. Sie finden darüber hinaus Anwendung in vielen Produkten der Medizin wie Infusions- und Dialysebeuteln, Handschuhen und Kontaktlinsen. Weitere Anwendungsbereiche sind der Einsatz als Dielektrikum in Kondensatoren, Entschäumer bei der Papierherstellung, Emulgatoren für Kosmetika, Hilfsstoffe in Pharmaka, Textilhilfsstoffe, Beschichtungssysteme, in Klebstoffen, Farben/Lacken und Dichtungsmassen. Wesentliche Eckpunkte zu Exposition und Toxikologie von Phthalaten wurden in umfangreichen Risk Assessment Reports der EU zusammengestellt. Viele Phthalate erwiesen sich im Tierexperiment nach oraler Zufuhr als reproduktionstoxisch und zeigten anti-androgene Wirkungen.

Als Ersatzprodukt wird zunehmend auch ein Gemisch von Diisononylestern der 1,2-Cyclohexandicarbonsäure, das sogenannte DINCH (Di-(isononyl)-cyclohexan-1,2-dicarboxylat) eingesetzt. Es wird insbesondere unter dem Handelsnamen Hexamoll DINCH® von der BASF AG in großtechnischem Maßstab hergestellt. Das DINCH weist im Vergleich zum DEHP nach derzeitigem Kenntnisstand günstigere toxikologische Eigenschaften auf. Vor diesem Hintergrund wird dieses Substanzgemisch mittlerweile vermehrt in Produkten, z. B. auch im medizinischen Bereich, eingesetzt. Während jedoch für die bisher eingesetzten Phthalate ausreichend toxikologische Daten vorliegen, sind diese für DINCH nur begrenzt vorhanden bzw. nicht verfügbar, da diese nur den Zulassungsbehörden vorliegen.

Sowohl in Hausstaub als auch in Nahrungsmitteln konnten Phthalate bereits nachgewiesen werden. Kenntnisse bezüglich deren oraler Bioverfügbarkeit in vivo aus der Matrix Hausstaub und Nahrungsmittel fehlen bisher. Es gibt bisher lediglich zwei Studien zur Bioverfügbarkeit von anderen Substanzen bei oraler Aufnahme von Hausstaub. Dabei untersuchten Huwe et. al. (2008) die Absorption und Bioakkumulation diverser polybromierter Diphenylether (PBDEs) in männlichen Ratten und Freeman et. al. (1995) die Bioverfügbarkeit von Arsen in weiblichen Affen. In beiden Studien konnte nachgewiesen werden, dass die Aufnahme aus Nahrung und Staub im Vergleich zur intravenösen Gabe eine geringere Bioverfügbarkeit zeigt. In einem In-vitro-Verdauungstest konnte eine Resorptionsverfügbarkeit von Phthalaten aus Staub zwischen 10,2% (DEHP) und 32% (Dimethylphthalat) bestimmt werden (Kang et al. 2012).

Projektziele

Im Rahmen des Projektes soll die Frage geklärt werden, wie die Bioverfügbarkeit von verschiedenen Weichmachern im Hausstaub bzw. in der Nahrung nach oraler Aufnahme im Modellorganismus einzuschätzen ist. Nur durch Kenntnisse zur Bioverfügbarkeit von Substanzen kann im Rahmen der Risikobewertung eine fundierte Abschätzung der internen Exposition bei oraler Aufnahme getroffen werden. Als Modellorganismus wird das Schwein (Ferkel) gewählt, da von einem dem Menschen (hier: Kleinkind) sehr ähnlichem Stoffwechsel der Weichmacher auszugehen ist.

Versuchsablauf

Im Rahmen der Untersuchung werden 3-4 Wochen alte Schweine eingesetzt. An jedem Tier sollen folgende Versuche mit einer Auswaschphase von jeweils 3 Tagen durchgeführt werden:
- Intravenöse Gabe einer definierten Menge an Weichmachern
- Orale Zufuhr einer definierten Menge an Weichmachern über das normale Futter
- Orale Verabreichung von unterschiedlichen Innenraumstäuben

Die Reihenfolge der Versuche variiert zwischen den Tieren. Zwei Tage vor sowie während des gesamten Versuchs dürfen die Schweine nicht anderen Weichmachern ausgesetzt sein. Das bedeutet insbesondere, dass das Futter und die Innenraumluft möglichst frei von den zu analysierenden Weichmachern sein müssen. Dies wird vorher durch entsprechende Messungen getestet und ggf. durch Minderungsmaßnahmen abgesichert.

Die Analyse der Primär- und Sekundärmetaboliten der Phthalate und des DINCH im Urin erfolgt 0, 1, 2, 3, 4, 5, 6, 8, 10, 12, 14, 24, 28, 32, 34, 36 und 38 Stunden nach Aufnahme.

Ergebnisse

Ergebnisse werden nach Abschluss des Projektes Ende 2016 erwartet.

Literatur

Huwe, J.K., et al., Comparative absorption and bioaccumulation of polybrominated diphenyl ethers following ingestion via dust and oil in male rats. Environ Sci Technol, 2008. 42(7): p. 2694-700.

Freeman, G.B., et al., Bioavailability of arsenic in soil and house dust impacted by smelter activities following oral administration in cynomolgus monkeys. Fundam Appl Toxicol, 1995. 28(2): p. 215-22.

Kang, Y., et al., Risk assessment of human exposure to bioaccessible phthalate esters via indoor dust around the Pearl River Delta. Environ Sci Technol, 2012. 46(15): p. 8422-30.

Mehr zu diesem Thema

Allgemeine Informationen zum Thema