Tuberkulose-Situation in Bayern 2022

Im Jahr 2022 wurden nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG) insgesamt 588 Tuberkulose-Fälle gemäß Referenzdefinition an das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) übermittelt (Datenquelle SurvNet, Datenstand 01.03.2023). Diese Fallzahl entspricht einer Inzidenz von 4,5 Fällen pro 100.000 Einwohner.

Zeitlicher Verlauf

Die Meldezahlen waren seit dem Jahr 2002 mit über 1100 Neuerkrankungen bis zum Jahr 2007 fast kontinuierlich zurückgegangen. In den Jahren 2007 bis 2014 bewegte sich die jährliche Fallzahl mit gewissen Schwankungen auf einem Plateau zwischen circa (ca.) 600 -700 Meldungen. Für das Jahr 2015 war aufgrund der Migrationsbewegungen mit 1048 Fällen gegenüber 692 Fällen im Vorjahr erstmals wieder eine deutliche Zunahme der Meldungen auf ein ähnlich hohes Niveau wie zuletzt im Jahr 2003 (1023 Fälle) zu beobachten. Während im Jahr 2016 mit 1038 Fällen noch eine nur knapp unter dem Niveau vom Vorjahr liegende Anzahl zu verzeichnen war, ergab sich ab dem Jahr 2017 (874 Fälle) wieder ein Rückgang der Meldungen, der sich in den Folgejahren fortsetzte. In den Jahren 2018, 2019 ,2020 und 2021 wurden 854, 750,631 und 524 Fälle an das LGL übermittelt. Im Jahr 2022 ergab sich gegenüber dem Vorjahr ein leichter Anstieg auf 588 Fälle(Stichtag 01.03.2023, siehe Abbildung 1).

In einem Säulendiagramm sind die gemeldeten Tuberkulose-Neuerkrankungen in Bayern für die Jahre 2001 bis 2022 dargestellt (Datenquelle: SurvNet; Datenstand: 01.03.2022)

Abbildung (Abb.) 1: Anzahl übermittelter Tuberkulose-Neuerkrankungen in Bayern für die Meldejahre 2001-2022 (Datenquelle: SurvNet; Datenstand: 01.03.2023)

Geographische Verteilung

Die höchste Tuberkulose-Inzidenz in Bayern wurde im Meldejahr 2022 im Regierungsbezirk Mittelfranken verzeichnet mit 4,95 Fällen pro 100.000 Einwohner, gefolgt von Niederbayern mit einer Inzidenz von 4,87 Fällen pro 100.000 Einwohner. Für Oberfranken ergab sich eine Inzidenz von 4,71, für Oberbayern von 4,67 und für Unterfranken von 4,62. Die niedrigsten Inzidenzen mit 3,18 bzw. 4,12 Fällen pro 100.000 Einwohner wiesen Schwaben und die Oberpfalz auf. Die Inzidenz für Bayern gesamt betrug 4,46 Fälle pro 100.000 Einwohner (s. Tabelle 1).

Tab. 1: Anzahl und Inzidenzen (Fälle/100.000 Einwohner) übermittelter Tuberkulose-Neuerkrankungen in Bayern je Regierungsbezirk für das Meldejahr 2022 (Datenquelle: SurvNet; Datenstand: 01.03.2023)
Regierungs-Bezirk 2022
Anzahl (n) Inzidenz
Mittelfranken 88 4,95
Niederbayern 61 4,87
Oberbayern 221 4,67
Oberfranken 50 4,71
Oberpfalz 46 4,12
Schwaben 61 3,18
Unterfranken 61 4,62
Gesamt 588 4,46

Demographische Verteilung

Insgesamt wurden wie in den Vorjahren auch im Jahr 2022 Tuberkulose-Erkrankungen deutlich häufiger bei Männern als bei Frauen gemeldet: 382 gegenüber 204 Erkrankungsfällen (2 Fälle Geschlecht unbekannt ) dies entspricht einer Inzidenz von 5,85 bzw. 3,07 Fällen pro 100.000 Einwohner).

Die altersgruppierten Inzidenzen (siehe Abbildung 2) zeigten einen Hauptgipfel bei Männern der Altersgruppe 20-24 Jahre, gefolgt von den Altersgruppen 25-29 Jahre und 30-39 Jahre sowie Jugendlichen zwischen 15-19 Jahren.

Bei Frauen ergaben sich Inzidenzgipfel in der Altersspanne von 20-29 Jahren, gefolgt von den 30-39 jährigen.

23 Fälle (3,8 % der gemeldeten Tuberkulose-Fälle) traten bei Kindern unter 15 Jahren auf. Das entspricht einer Inzidenz von 1,25 Fällen pro 100.000 Einwohnern. Es waren 19 männliche und 6 weibliche Kinder betroffen.

In einem Säulendiagramm sind die Inzidenzen übermittelter Tuberkulose-Neuerkrankungen in Bayern (d.h. Fälle pro 100.000 Einwohner) für das Meldejahr 2022 aufgeschlüsselt nach Altersgruppen und Geschlecht dargestellt (Datenquelle: SurvNet; Datenstand: 01.03.2023)

Abb 2: Inzidenz (Fälle/100.000 Einwohner) übermittelter Tuberkulose-Neuerkrankungen in Bayern 2022, aufgeschlüsselt nach Altersgruppen und Geschlecht (2 Fälle Geschlecht unbekannt, Datenquelle: SurvNet; Datenstand: 01.03.2023)

Angaben zum Geburtsland der Erkrankten lagen bei 582 von 588 (Fällen ( 98,9 %) vor. Dabei betrafen 151 Fälle (25,9 %) in Deutschland gebürtige Personen, 431 (74,1%) Fälle Patienten mit einem Geburtsort außerhalb Deutschlands.

Für außerhalb Deutschlands Geborene ergaben sich in der Altersspanne von 15-59 Jahren deutlich höhere Fallzahlen als bei den in Deutschland Gebürtigen im gleichen Altersbereich. Der Hauptgipfel lag bei der Altersgruppe der 30-39jährigen, gefolgt von weiteren Gipfeln bei den Altersgruppen der 25-29jährigen und 40-59 jährigen sowie den 20-24jährigen. Umgekehrt fanden sich höhere Fallzahlen bei in Deutschland geborenen Erwachsenen ab einem Alter von 60 Jahren. In dieser Altersspanne nahmen die Fallzahlen für Personen mit ausländischem Geburtsland mit steigendem Alter dem gegenüber ab (siehe Abbildung 3).

in einem Säulendiagramm sind die Tuberkulose-Fälle in Bayern für das Meldejahr 2022 - aufgeschlüsselt nach Altersgruppen und Geburtsort in Deutschland oder im Ausland - dargestellt. (Datenquelle: SurvNet; Datenstand: 01.03.2023)

Abb. 3: Anzahl übermittelter Tuberkulose-Neuerkrankungen in Bayern für das Melde-Jahr 2022, aufgeschlüsselt nach Altersgruppe und Geburtsort in Deutschland oder im Ausland (Datenquelle: SurvNet; Datenstand: 01.03.2023)

Klinische Aspekte

Die Lunge wurde bei 455 (77,4 %) der übermittelten Tuberkulose-Erkrankungen als hauptsächlich betroffenes Organ angegeben. Davon wiesen 66 Fälle (14,4 %) die sogennante geschlossene (nicht-infektiöse) Krankheitsform auf. Bei den offenen Tuberkulosen handelte es sich in 237 Fällen (60,8%) um die besonders infektiöse Form mit positiver Mikroskopie (mikroskopischer Nachweis von säurefesten Stäbchen in Untersuchungsmaterial aus den Atemwegen).

Bei den 133 (22,6,3%) ausschließlich extra-pulmonalen, nicht-infektiösen Erkrankungen waren anteilsmäßig die Lymphknoten - extrathorakal 50 Fälle, intrathorakal 22 Fälle - und die Pleura mit 23 Fällen die am häufigsten befallenen Organe, gefolgt von Knochen und Gelenken (einschließlich Wirbelsäule - 15 Fälle), Peritoneum/Verdauungstrakt (12 Fälle) sowie Urogenitaltrakt (4 Fälle). Eine disseminierte Tuberkulose wurde in 3 Fällen übermittelt, ein Befall des ZNS (Hirnhaut) in einem Fall sowie ein Befall sonstiger Organe in 3 Fällen.

Insgesamt 20 Patienten (8 davon weiblich) verstarben im Meldejahr 2022 an ihrer Tuberkulose-Erkrankung (Verstorben gemäß Basisdaten, 2 Fälle ohne Angaben zum Verstorben-Status). Dies entspricht einer Letalität von 3,3%. Betroffen waren in der Mehrheit Personen ab 50 Jahren (16 von 20 Fällen, Median 59 Jahre, 15 mit Geburtsort in Deutschland). Hauptsächlich betroffenes Organ bei den Verstorbenen war ganz überwiegend die Lunge (19 von 20 Fällen) sowie einmal die Pleura.

Nachgewiesene Erreger und Resistenz

Angaben zum Erreger lagen bei insgesamt 535 (91 %) von 588 Tuberkulose-Fällen vor. Davon wurde für 112 Fälle M.tuberculosis-Komplex ohne weitere Differenzierung übermittelt. Bezogen auf die Spezies-Differenzierung war M.tuberculosis mit 412 Fällen die häufigste nachgewiesene Spezies. M.bovis (6 Fälle), M.bovis bovis (2 Fälle) und M. africanum (3 Fälle) wurden nur vereinzelt isoliert.

Multiresistente Erreger (sogennante Multi-Drug-Resistance - MDR - gleichzeitige Resistenz gegenüber den beiden wichtigsten Tuberkulose-Medikamenten Isoniazid und Rifampicin) wurden in 2022 bei 25 Fällen festgestellt (darunter ein Fall mit XDR-TB, d.h. extensiv resistente Tuberkulose mit gleichzeitiger Resistenz gegenüber Isoniazid und Rifampicin sowie zusätzlichen Resistenzen gegenüber wichtigen Reserve-Medikamenten)

Fazit

Nach einem Anstieg der Tuberkulose-Fallzahlen in den Jahren 2015 und 2016 ergab sich in den Folgejahren wieder eine Abnahme der Meldezahlen. Wie in den Vorjahren überwogen auch im Jahr 2022 männliche Patienten. Ein Großteil der gemeldeten Fälle war nicht in Deutschland geboren. Der beständig hohe Anteil an übermittelten infektiösen Erkrankungen in Bayern zeigt, dass Prävention, Diagnostik und Therapie der Tuberkulose weiterhin relevante Aufgaben für den Öffentlichen Gesundheitsdienst und die ambulante und stationäre Gesundheitsversorgung bleiben. Zeitnahe Diagnostik von Tuberkuloseerkrankungen sowie eine stringente Umsetzung der Empfehlungen zur Behandlung der Tuberkulose sowie zu Umgebungsuntersuchungen und zur Prävention sind essentiell, um weitere Fortschritte in der Tuberkulosekontrolle zu erzielen.

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