Versorgungsforschung am Tumorregister München an der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) im Klinikum Großhadern

Prof. Dr. Jutta Engel, Tumorregister München (TRM) im Institut für Medizinische Informationsverarbeitung, Biometrie und Epidemiologie (IBE), Klinikum Großhadern:

Versorgungsforschung ist ein grundlagen- und anwendungsorientiertes fachübergreifendes Forschungsgebiet, das die Versorgung Einzelner und ganzer Bevölkerungsgruppen mit gesundheitsrelevanten Dienstleistungen und Produkten unter Alltagsbedingungen wissenschaftlich untersucht. Versorgungsforscher wollen wissen, wie Finanzierungssysteme, soziale und individuelle Faktoren, Organisationsstrukturen und - prozesse und Gesundheitstechnologien den Zugang der Patienten und Versicherten zur Kranken- und Gesundheitsversorgung beeinflussen und sich auf deren Ergebnisse (outcome), ihre Qualität und die Kosten auswirken. Versorgungsforschung zeichnet sich durch ihre besondere Nähe zur klinischen Patientenversorgung, der ärztlichen Tätigkeit, aus. Ziel der Versorgungsforschung ist es, die Kranken- und Gesundheitsversorgung als ein System zu entwickeln, das durch das Leitbild der „lernenden Versorgung“ gekennzeichnet ist und das dazu beiträgt, Optimierungsprozesse zu fördern und Risiken zu vermindern [1]. Der methodische Ansatz der Versorgungsforschung - auch als real-time science oder comparative effectiveness research bezeichnet - ist im Wesentlichen die Beobachtungsstudie [2-4]. Der Status quo soll festgestellt und gegebenenfalls eine statistisch signifikante sowie relevante Variabilität in Bezug auf die Umsetzung der State-of-the-Art Versorgung erkannt werden. Die Ursachen für diese Variabilität sollen analysiert und aufgezeigt werden, letztendlich mit dem gleichen Ziel wie in der klinischen Forschung, nämlich zu lernen, um eine bessere medizinische Versorgung zu erreichen [5,6]. Erkennbare Abweichungen zum Standard und im Vergleich zu anderen Versorgungsträgern sollten diskutiert und Wege zu einem besseren Versorgungsergebnis oder zur Vermeidung eines Schlechteren sollten gefunden werden. Dann sind solche vergleichenden Auswertungen besonders wertvolle Beiträge zur Versorgungsqualität [7,8]. Aufgabe der Versorgungsforschung ist es somit, Wissen über die Routineversorgung zu gewinnen, zu bewerten und zu hinterfragen, und gegebenenfalls Veränderungen zu initiieren.

In diesem Sinne wird auch die Versorgungsforschung am Tumorregister München (TRM) verstanden und umgesetzt. Krebserkrankungen sind unter anderem aufgrund der Häufigkeit der Erkrankungen, der teilweise ungünstigen Prognose, der interdisziplinären Versorgung, der Dynamik der Innovationen, der Problematik der mangelnden Übertragbarkeit von in Studien erprobten Therapiestrategien auf Patienten im fortgeschrittenen Alter und der Kosten der Versorgung ein herausragendes Anwendungsfeld für Versorgungsforschung. Alle Daten, die zusätzlich zu den epidemiologischen Kenngrößen Inzidenz und Mortalität aufbereitet werden, belegen die Bemühungen des TRM und unterstreichen, dass klinische Krebsregistrierung ein integraler Bestandteil der Versorgung sein sollte und in Teilaspekten bereits ist.

Referenzen:

1 Gerst T. Top III: Förderung der Versorgungsforschung - Zahlen, Daten, Fakten schaffen.
Dtsch Arztebl 2005;102(19):1334-8.

2 Berwick DM. Harvesting knowledge from improvement. JAMA 1996;275(11):877-8.

3 Naylor CD, Guyatt GH. Users' guides to the medical literature. X. How to use an article reporting variations in the
outcomes of health services. The Evidence-Based Medicine Working Group. JAMA 1996;275(7):554-8.

4 Iglehart JK. Prioritizing comparative-effectiveness research-IOM recommendations. N Engl J Med 2009; 361: 325-328.

5 Halm EA, Chassin MR. Why do hospital death rates vary? N Engl J Med 2001;345(9):692-4.

6 Detsky AS. Regional variation in medical care. N Engl J Med 1995;333(9):589-90.

7 Chen J, Radford MJ, Wang Y, Marciniak TA, Krumholz HM. Do "America's Best Hospitals" perform better for acutemyocardial infarction?. N Engl J Med 1999;340(4):286-92.

8 Epstein AM. Volume and outcome--it is time to move ahead. N Engl J Med 2002;346(15):1161-4.