Chlorparaffine in Nahrungsmitteln, Muttermilch und Hausstaub

Laufzeit: 2008-2011

Im Auftrag des Bayerischen Staatsministeriums für Umwelt und Gesundheit untersuchte das Sachgebiet Chemikaliensicherheit und Toxikologie des LGL gemeinsam mit dem Forschungszentrum Weihenstephan für Brau- und Lebensmittelqualität der Technischen Universität München Chlorparaffine in Nahrungsmitteln und Hausstaub. Auf der Basis der Ergebnisse sollten Aussagen zur Expositionssituation gegenüber diesen Substanzen getroffen werden. Grundsätzliches Ziel war, die gesundheitliche Bedeutung dieser Stoffe künftig besser beurteilen zu können.

Hintergrund

Chlorparaffine (CP) sind komplexe Mischungen aus polychlorierten n-Alkanen, die Chlorierungsgrade zwischen 30 und 70 % aufweisen. Eine Unterteilung der Mischungen erfolgt anhand der Kettenlänge (Anzahl der Kohlenstoffatome) in kurz- (short chain CP = SCCP; C10-C13), mittel- (medium chain CP = MCCP; C14-C17) und langkettige (long chain CP = LCCP; C18-C30) Chlorparaffine. Chlorparaffine werden im großtechnischen Maßstab durch radikalische Chlorierung von Paraffinen gewonnen, je nach Reaktionsbedingungen und vorliegendem Paraffin entstehen Produkte unterschiedlicher Zusammensetzung. Die zahlreich erhältlichen technischen Mischungen besitzen ein breites Anwendungsspektrum insbesondere als Flammschutzmittel und Weichmacher (bei PVC insbesondere MCCP), aber auch als Additive in Metallbearbeitungsölen, Farben, Dichtmassen oder Textilien. Die Produktionsmenge der SCCP für Europa, USA und Canada, wurde 2007 auf 7,5 bis 11,3 kt/a geschätzt. Das Produktionsvolumen an Chlorparaffinen in China lag 2007 bei rund 600 kt/a.

Chlorparaffine sind schlecht wasser-, aber gut fettlöslich (vergleichbar hohe Octanol-Wasser-Koeffizienten wie Organochlorpestizide/Dioxine/PCB) und tendieren zur Bioakkumulation. In der Umwelt werden Chlorparaffine kaum abgebaut. Insbesondere die kurzkettigen Chlorparaffine sind im Fokus, sie besitzen das größte Bioakkumulationspotential, zeigten die höchste Toxizität gegenüber aquatischen Organismen und ein technisches Produkt mit durchschnittlich 12 Kohlenstoffatomen und einem Chlorierungsgrad von 60% wurde von der IARC als mögliches Kanzerogen in die Gruppe 2 B eingestuft. Aufgrund der Problematik wurden verschiedene Maßnahmen, darunter auch internationale (OSPAR, HELCOM) zur Risikominimierung ergriffen. Zum Zeitpunkt der Projektplanung prüfte das UNEP, ob kurzkettige Chlorparaffine als persistente organische Schadstoffe (persistent organic pollutant = POP) nach der Stockholm Convention aufzufassen sind. Kurzkettige Chlorparaffine sind gemäß der Wasser-Rahmen-Richtlinie als prioritäre Stoffe eingestuft. Bereits seit 2002 war die Verwendung kurzkettiger Chlorparaffine bzw. von Produkten, die mehr als 1% kurzkettige Chlorparaffine enthalten, zur Metallbearbeitung oder zur Lederbehandlung in der EU durch die Richtlinie 2002-45-EC verboten. Mit der Verordnung (EU) Nr. 519/2012 wurde das Verbot kurzkettiger Chlorparaffine (>1%) verschärft; Herstellung, Inverkehrbringen und Verwendung kurzkettiger Chlorparaffine (>1%) sind nun in der EU mit wenigen Ausnahmen verboten.

Nur wenige Daten zum Vorkommen, zur Bioakkumulation, zur Metabolisierung, zu physikalisch-chemischen Eigenschaften, aber auch zur Toxizität von Chlorparaffinen sind vorhanden. Limitierender Faktor ist die komplexe Zusammensetzung der Chlorparaffine, die die Analytik extrem erschwert. Daten zur Belastung der Umwelt liegen daher nur begrenzt vor. Als wesentlicher Aufnahmepfad von Chlorparaffinen für den Menschen wird, wie für andere persistente und bioakkumulative Stoffe, die Nahrung angesehen. Aufgrund ihrer Eigenschaften können sich Chlorparaffine im Fettgewebe des Menschen anreichern und zum Teil über die Muttermilch abgegeben werden. Zum Zeitpunkt der Projektplanung gab es nur eine größere britische Untersuchung zu Chlorparaffingehalten in Muttermilch, wobei die Stoffe in geringer Konzentration nachzuweisen waren (Thomas et al. 2006). In der Schweiz wurden sechs aus Baden-Württemberg stammende Muttermilchproben untersucht und Chlorparaffine in vier Fällen belegt (Reth 2006).

Ziel

  • Entwicklung einer Analysenmethode zum Nachweis von Chlorparaffinen in Nahrungsmitteln und Hausstaub
  • Untersuchung ausgewählter Nahrungsmittel und Muttermilch
  • Untersuchung von Hausstaubproben
  • Expositionsabschätzung anhand der ermittelten Daten

Durchführung

Die größte Problematik lag in der Entwicklung einer geeigneten Quantifizierungsmethode für Chlorparaffine. Die komplexen Mischungen mit variierenden Chlorierungsgraden erfordern eine intensive Probenaufreinigung und eine aufwendige Quantifizierungsprozedur, die erst entwickelt werden musste.

Zunächst wurden Hausstaubproben, im weiteren Verlauf Fischfilets sowie Fischleber auf Chlorparaffine untersucht.

Darunter waren Fische aus einheimischen Gewässern und Fischzuchten sowie Fische aus Atlantik, Pazifik und vietnamesischer Aquakultur. Die Fische entstammten acht verschiedenen Fischfamilien. Untersucht wurden Forellen und Forellenartige, Karpfen und Karpfenartige, Aale und Waller sowie im bayerischen Einzelhandel befindliche Pangasius-, Kabeljau-, Seezungen- und Schollenfilets.

Darüber hinaus wurden Muttermilchproben, die im Rahmen des Bayerischen Muttermilchmonitorings 2007/2008 (BAMBI) gesammelt worden waren, auf das Vorkommen kurz- und mittelkettiger Chlorparaffine untersucht.

Ergebnisse:

Bisher sind folgende Ergebnisse veröffentlicht worden:

  • B. Hilger, M. Coelhan, H. Fromme, W. Völkel (2010) Chlorparaffine im Hausstaub bayerischer Wohnungen. Poster präsentiert auf der GHUP-Tagung in Aachen.

    Link zum Poster: Chlorparaffine in Hausstaub (PDF, 388 KB)

  • B. Hilger, M. Coelhan, H. Fromme, W. Völkel (2011) Chlorparaffine in Muttermilch. Poster präsentiert auf dem Kongress „Gesunde Umwelt - Gesunde Bevölkerung“. Risikomanagement im öffentlichen Raum in München.

    Link zum Poster: Chlorparaffine in Muttermilch (PDF, 442 KB)

  • B. Hilger, H. Fromme, W. Völkel, M. Coelhan (2011) Effects of chain length, chlorination degree, and structure on the octanol-water partition coefficients of polychlorinated n-alkanes. Environ Sci Technol, 45, 2842-2849. (http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/21361317)
  • B. Hilger, H. Fromme, W. Völkel, M. Coelhan (2013) Occurrence of chlorinated paraffins in house dust samples from Bavaria, Germany. Environmental Pollution 175, 16-21. (http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/23313733)

Weitere Veröffentlichungen sind geplant.

Literatur:

  • de Boer, J.; El-Sayed Ali, T.; Fiedler, H.; Legler, J.; Muir, D. C. G.; Nikiforov, V. A.; Tomy, G. T.; Tsunemi, K., Chlorinated Paraffins. Springer-Verlag: Berlin, Heidelberg, 2010
  • CEFIC-EFRA. Flame Retardants Fact Sheet - Chloroparaffins. http://www.cefic-efra.com
  • Reth, M. New approaches for the mass spectrometric determination of trace concentrations and congener group patterns of chlorinated paraffins in biota. Universität Basel, 2006.
  • Thomas, G. O.; Farrar, D.; Braekevelt, E.; Stern, G. A.; Kalantzi, O. I.; Martin, F. L.; Jones, K. C., Short and medium chain length chlorinated paraffins in UK human milk fat. Environment International 2006, 32, (1), 34-40.
  • Tomy, G. T.; Westmore, J. B.; Muir, D. C. G., Environmental Chemistry and Toxicology of Polychlorinated n-Alkanes. In Reviews of Environmental Contamination and Toxicology, Ware, G., Ed. Springer: New York, 1998; Vol. 158, 53-128

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