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Herausforderungen für die Versorgungsforschung am Institut für Gesundheitsökonomie und Management im Gesundheitswesen am Helmholtz Zentrum München
Prof. Dr. Reiner Leidl, Prof. Dr. Rolf Holle, Helmholtz Zentrum München – Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt, Institut für Gesundheitsökonomie und Management im Gesundheitswesen (IGM)
Aus Sicht der Gesundheitsökonomie ist die evaluative Versorgungsforschung von besonderem Interesse. Die Untersuchung der Wirksamkeit von Interventionen unter den realen Bedingungen des Versorgungsalltags sowie die Bewertung des Kosten-Nutzen-Verhältnisses in diesem Kontext stellen hohe Herausforderungen an Aufwand und Methodik.
Versorgungsforschung soll idealerweise die Versorgung beschreiben und analysieren so, wie sie in der Praxis stattfindet, also ohne die Einschränkungen aufgrund eines wissenschaftlichen Studiendesigns, wie etwa Ein- und Ausschlusskriterien, oder randomisierte Zuteilung der Intervention. Dies mindert allerdings die kausale Zuschreibbarkeit der deskriptiv dargestellten Sachverhalte im Sinne von Interventionseffekten. Unterschiedliche Outcomes verschiedener in der Routineversorgung durchgeführter Behandlungen können in vielerlei Weise verzerrt sein (z. B. Struktur-, Behandlungs-, Beobachtungsungleichheit). Der häufig ansprochene Konflikt zwischen interner und externer Validität muss durch geeignete Kompromisse im Studiendesign oder durch die Nutzung unterschiedlicher Studienformen angegangen werden.
Wissenschaftliche Ansätze hierzu bestehen unter anderem in der Nutzung und Weiterentwicklung geeigneter Studiendesigns für kontrollierte Studien, wie etwa den sog. naturalistischen oder pragmatischen randomisierten Studien. Auch clusterrandomisierte Studien spielen in der Versorgungsforschung eine große Rolle. Die Ausweitung von Evaluationsstudien um eine gesundheitsökonomische Perspektive bringt zusätzlichen Informationsbedarf und damit eine höhere Belastung der Studienteilnehmer, aber auch des Studienetats, mit sich. Hier ist auch nach neuen Wegen der Datenerhebung zu suchen und nach Methoden der Optimierung der Erhebungszeitpunkte und –dichte.
Ökonomische Evaluationen anhand von Routinedaten, d. h. ohne Primärdaten und ohne randomisiertes Studiendesign, können manchmal der einzige zur Verfügung stehende Zugang zur nachträglichen Bewertung eines eingeführten Versorgungsprogramms sein. Die Verfügbarkeit – auch longitudinaler – Routinedaten für die Forschung hat sich in den letzten Jahren deutlich verbessert. Dabei sind jedoch, trotz statistischer Methoden zur Homogenisierung der Vergleichsgruppen (z. B. Propensity-Score-Matching), vielfältige Verzerrungsmöglichkeiten gegeben, die die Interpretierbarkeit der Ergebnisse erschweren. Dennoch ist es wichtig, solche Studien durchzuführen und die Ergebnisse mit denen anderer Ansätze, z. B. aus Beobachtungsstudien mit Primärdaten, zu vergleichen.
Die Verknüpfung von unterschiedlichen Studienformen und Datenquellen ist u. a. schon deshalb erforderlich, weil empirische Studien selten ein Follow-up von mehr als 1 bis 2 Jahren haben, obwohl Aussagen zu klinischen und ökonomischen Effekten von Versorgungsangeboten bei chronischen Erkrankungen oft über längerfristige Zeithorizonte gemacht werden sollen. Die Nutzung von Routinedaten sowie von klinischen Registern kann in solchen Fällen von erheblicher Bedeutung sein. In den skandinavischen Ländern ist ein Datenlinkage oft viel einfacher möglich als in Deutschland, wo die organisatorischen und datenschtuzrechtlichen Voraussetzungen dafür nicht gegeben sind.
Zusammenfassend ist darauf hin zu arbeiten, dass die Versorgungsforschung eine Vielfalt von Studiendesigns nutzt und Methoden gefunden werden, Informationen aus unterschiedlichen Datenquellen zu integrieren und zusammenfassend zu beurteilen.