Forschungsprojekt: Untersuchung eines Lebensmittelwarenkorbs auf Pflanzenschutzmittel und deren Metabolite des menschlichen Stoffwechsels

Kurzbeschreibung:

Insektizide, insbesondere Organophosphate und Pyrethroide, werden zur Schädlingsbekämpfung in der Landwirtschaft und im Gartenbau eingesetzt, um die Ernteprodukte vor Krankheiten und Schäden zu bewahren und sie wirtschaftlich zu produzieren. Über Rückstände in Lebensmitteln werden sie vom Menschen mit der Nahrung aufgenommen und können den Organismus belasten. Aber auch im privaten Haushalt und in Lebensmittelbetrieben kommen solche Stoffe als Insektenschutz zur Anwendung und tragen zur Exposition des Menschen bei. Insbesondere die Wirkstoffe aus der Gruppe der Organophosphate stellen auf Grund ihrer hohen akuten Toxizität ein erhebliches gesundheitliches Gefährdungspotential dar. Die gesundheitlichen Folgen einer Pyrethroidexposition kann noch nicht exakt abgeschätzt werden.

Mit Hilfe von Biomonitoringstudien kann die individuelle, innere Belastung von Personen bestimmt werden. Das dabei angewendete Verfahren ist die Untersuchung von menschlichen Körperflüssigkeiten (Blut und Urin) auf Fremdstoffe direkt oder auf deren Stoffwechselprodukte.

Die innere Belastung mit Organophosphaten wird über die Quantifizierung von Dimethylphosphat (DMP), Diethylphosphat (DEP), Dimethylthiophosphat (DMTP), Diethylthiophosphat (DETP), Dimethyldithiophosphat (DMDTP) und Diethyldithiophosphat (DEDTP) im Urin bestimmt. Um eine eventuelle Belastung der sehr häufig in Lebensmitteln vorkommenden Organophosphate Chlorpyrifos und Chlorpyrifosmethyl festzustellen, kann die Konzentration des spezifischen Metaboliten 3,5,6-Trichlor-2-pyridinol im Urin ermittelt werden.

Als Parameter für die Exposition von Pyrethroiden werden die Konzentrationen von cis- und trans-(3-(2,2-Dichlorvinyl)-2,2-dimethyl-cyclopropan-1-carboxylsäure (cis- und trans-Cl2CA), 3-(2,2-Dibromvinyl)-2,2-dimethyl-cyclopropan-1-carboxylsäure (Br2CA), 3-Phenoxybenzoesäure (3-PBA) und 4-Fluor-3-phenoxybenzoesäure (F-PBA) im Urin herangezogen.

Bislang kann die angenommene Menge an Pestizidwirkstoffen die im Urin gemessenen Konzentrationen an ausgeschiedenen Metaboliten nicht erklären. Insofern ist die Frage von Bedeutung, inwieweit Abbauprodukte der Pestizide bereits auf oder in den Pflanzen vorkommen und zur Exposition des Menschen beitragen. Allerdings werden diese Abbauprodukte bei den üblichen rückstandsanalytischen Routinemethoden nicht erfasst.

Deshalb wurden in der vorliegenden Arbeit Methoden zur Bestimmung der Abbauprodukte von insektiziden Organophosphaten und der Pyrethroide entwickelt, validiert und auf die Untersuchung von Lebensmittel angewendet.

In die Untersuchung einbezogen wurden insbesondere die Lebensmittel, die erwartungsgemäß mit den entsprechenden Wirkstoffen belastet sind oder bei denen in vorhergehenden Überwachungsuntersuchungen diese Stoffe nachgewiesen wurden.

Folgende Organophosphate wurden in die Fragestellung eingebunden: Azinphos-methyl, Azinphos-ethyl, Bromophos, Bromophos-ethyl, Chlorpyrifos, Chlorpyrifos-methyl, Diazinon, Dichlorvos, Dimethoat, Fenitrothion, Fenthion, Fenthion-ethyl, Formothion, Malathion, Methidathion, Mevinphos, Monocrotophos, Omethoat, Para-thion, Parathion-methyl, Pirimiphos-ethyl, Pirimiphos-methyl, Pyrazophos und Tolclophos-methyl.

Und folgende Pyrethroide: Fenpropathrin, Fenvalerat, Flucythrinat, Flumethrin, Permethrin, λ-Cyhalothrin, τ-Fluvalinat, Acrinathrin, Cyfluthrin, Cypermethrin und Deltamethrin.

Das bereits am Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin (IPASUM) erarbeitete Verfahren für die Analyse von Dialkylphosphatverbindungen in Urin wurde im Rahmen der Arbeit auf Lebensmittel angepasst und validiert. Nach der Lyophilisierung wurden die Phosphate extrahiert und derivatisiert. Nach der gaschromatographischen Trennung wurden sie massenspektrometrisch bestimmt. Um Verluste zu vermeiden beinhaltete das Verfahren keinen Aufreinigungsschritt. Die Nachweisgrenzen waren je nach Analyt und Lebensmittel mit 8 bis 60 µg/kg nur teilweise zufriedenstellend. Durch die Verwendung von isotopenmarkierten Standards ergaben sich mit der Methode gute Wiederfindungsraten und auch die Präzision der Methode erfüllte die für die Untersuchung von Lebensmitteln gestellten Anforderungen.

Für die Untersuchung auf Pyrethroidmetabolite und auf den spezifischen Metabolit TCP wurde die Methode, die in der Rückstandsanalytík am Bayerischen Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit Verwendung fand, validiert. Nach der Extraktion mit einem polaren Lösungsmittel folgt ein Aufreinigungsschritt mittels Gelpermeationschromatographie (Größenausschlussverfahren). Nach der erforderlichen Derivatisierung erfolgt die Quantifizierung mittels GC-MS. Das Verfahren zeichnet sich durch eine ausgezeichnete Präzision, Wiederfindung und Nachweisgrenze aus. Die Nachweisgrenzen betragen für TCP 0,3 µg/kg und für die Pyrethroidmetabolite zwischen 0,1 µg/kg und 1,4 µg/kg.

Es wurden 141 Proben auf Dialkylphosphate als Metabolite der insektiziden Organophosphate untersucht. In nahezu allen Proben konnten Dialkylphosphate nachgewiesen werden. Die Hauptmetabolite waren DMP, DEP und DMTP, analog den Befunden im Rahmen von Biomonitoringuntersuchungen. Der Median von DEP lag bei 76 µg/kg; bei den anderen Parameter lagen die Medianwerte unter der Nachweisgrenze. Aus diesem Grund orientierte man sich bei der Auswertung am Mittelwert aller positiven Proben. Mit 702 µg/kg, 388 µg/kg, 268 µg/kg und 247 µg/kg lagen diese Mittelwerte für DMP, DEP, DMTP und DETP deutlich über den Werten für die anderen Parameter. Für DMP, DEP und DMTP wurden bemerkenswert hohe Maximalgehalte von 3242 µg/kg, 3463 µg/kg und 1582 µg/kg ermittelt.

In jeder zweiten Probe der 425 Lebensmittelproben insgesamt konnte TCP nachgewiesen werden, und jede fünfte Probe enthielt Chlorpyrifos bzw. Chlorpyrifos-methyl. Der Medianwert dieser Verbindungen lag unter der Nachweisgrenze. Für die Auswertung wurde daher der Mittelwert der positiven Proben herangezogen. Dieser betrug für TCP 12 µg/kg. Ungefähr die Hälfte aller TCP-positiv getesteten Proben enthielten Gehalte bis zu 3 µg/kg.

Wie die Untersuchungen zeigten, kommen Abbauprodukte von Organophosphaten bereits in bemerkenswerten Konzentrationen in oder auf den Pflanzen bzw. Ernteprodukten vor. Ein weiterer Abbau der Wirkstoffe findet offensichtlich bei Verarbeitungsprozessen statt, wie die Ergebnisse der Traubenprodukte zeigten. Allerdings schwankten die Gehalte innerhalb der einzelnen Lebensmittelgruppen teilweise beträchtlich, so dass keine allgemeingültigen Aussagen hinsichtlich der Zersetzung möglich sind.

Das Verhältnis der Dialkylphosphatmenge im Lebensmittel zu der Dialkylphophatmenge, die sich von aufgenommenen Organophosphorpestiziden im Lebensmittel ableiten lassen, ist nur begrenzt abschätzbar. Die untersuchten Metabolite sind nämlich Abbauprodukte einer Fülle verschiedener Organophophatwirkstoffe und zusätzlich können bis zu drei verschiedene Dialkylphosphate entstehen. Außerdem wird meist eine Oxidation (auch z.B. die Umwandlung von P=S- in P=O-Gruppen), wie beispielsweise beim indirekten Photoabbau, erfolgen (Thier, 1986). Dies bedingt eine Erschwerung der Interpretation der Ergebnisse.

Die vom Verbraucher aufgenommen Menge an dem Chlorpyrifos- bzw Chlorpyrifos-methyl-Metaboliten TCP lässt sich aus der verzehrten Menge des Lebensmittels und der darin vorhandenen Metabolitenkonzentration ermitteln. Daraus resultieren mit 0 bis 1 µg/L nur geringe Konzentrationen an TCP im Urin.

Für einen auserwählten Teil der Lebensmittelproben errechnen sich höhere Mengen an dem Metaboliten TCP, die der Verbraucher mit dem Verzehr aufnimmt. Werden diese Daten als Basis für die Berechnungen der Konzentrationen im Urin zugrunde gelegt, kann folgende Aussage getroffen werden. Ca. 70 % der gemessenen TCP-Konzentrationen im Urin stammen direkt von dem Metabolit in der Nahrung. Die verbleibenden 30 % gelangen durch Umsetzung der Wirkstoffe Chlorpyrifos und Chlorpyrifos-methyl in den Urin.

Zur Abschätzung des ungünstig anzunehmenden Falls wird die kurzfristige und größere Nahrungsaufnahme berücksichtigt. Das Essen und Trinken einiger Nahrungsmittel unter worst-case-Bedingungen können durchaus hohe Konzentrationen im Urin bewirken. Diese lagen für Dialkylphosphate oberhalb der vom Umweltbundesamt genannten Referenzwerte und für TCP oberhalb des 95. Perzentils der Kochschen Studie.

Für die Pyrethroide wurde kein Zusammenhang zwischen den Metabolitenkonzentrationen im Urin und der Aufnahme dieser Pestizidgruppe über die Nahrung festgestellt. Es konnte nur ein sehr geringer Aufnahmeweg der Pyrethroidmetabolite über die Nahrungsmittel gezeigt werden. Daher sollte nach Ursachen gesucht werden, die eine derartig niedrige Metabolitenkonzentration im Nahrungsmittel erklären. Als eventuelle Ursache gelten gebundene Metabolite in den Nahrungsmitteln

Die Ergebnisse der durchgeführten Untersuchungen haben deutlich gezeigt, dass neben den ursprünglichen Wirkstoffen bereits Abbauprodukte in unterschiedlichem Ausmaß in den Pflanzen und Erntegütern enthalten sind und einen merklichen Beitrag zur Exposition des Menschen mit diesen Stoffen leisten. Die Einschätzung zur Belastung der Verbraucher mit Pestizidwirkstoffen mittels der Konzentrationsbestimmung der Abbauprodukte im Urin ist nicht möglich. In die Belastungsdiskussion werden aber sicherlich noch weitere Forschungsarbeiten einfließen müssen, beispielsweise Untersuchungen an gebundenen Rückständen oder aber Duplikatstudien, um zu erkennen, in welchem Ausmaß auch Kochprozesse zur Exposition des Menschen beitragen können.

Laufzeit: 2004 bis 2006.