TBD-Prev: Ein Forschungsprojekt zur Prävention zeckenübertragener Krankheiten in Süddeutschland

Signet Jahresbericht 2021/22

Hintergrund

Nach der Lyme-Borreliose ist die Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) die zweithäufigste zeckenübertragene Krankheit in Europa. Bayern gilt als eines der Hauptendemiegebiete der FSME in Deutschland. Aktuell sind 94 von 96 Landkreisen und kreisfreien Städten in Bayern als FMSE-Risikogebiet deklariert. Im Jahr 2020 wurde nach einem über Jahre zunehmenden Trend ein Rekord an FSME-Erkrankungsfällen verzeichnet. Dies geht einher mit einer deutlichen Zunahme anderer zeckenübertragener Krankheiten in den vergangen Jahren – neben der Lyme-Borreliose ist zum Beispiel auch bei der Tularämie der Stich von Zecken oder anderen blutsaugenden Arthropoden einer der Übertragungswege.

Mögliche Gründe hierfür sind vielfältig: neben den sich wandelnden klimatischen und ökologischen Rahmenbedingungen und deren Auswirkung auf die Zeckenaktivität und Population der Wirtstiere spielen vermutlich auch die zunehmende Mobilität und häufigere Aufenthalte des Menschen in der Natur eine Rolle.

Für alle zeckenübertragenen Krankheiten ist die Vermeidung von Zeckenstichen und das richtige Verhalten im Falle eines Stichs die Grundlage der effektiven Prävention. Für die FSME steht zusätzlich eine sichere und wirksame Schutzimpfung zur Verfügung, durch die schwere Erkrankungen effektiv verhindert werden können. Empfohlen wird diese von der Ständigen Impfkommission (STIKO) für alle Personen, die in FSME-Risikogebieten zeckenexponiert sind. Obschon die Kosten für die FSME-Impfung in Bayern in der Regel von den Krankenkassen übernommen werden, sind die Impfquoten – selbst in FSME-Hochinzidenzgebieten – niedrig. Die Mehrzahl der gemeldeten FSME-Fälle der letzten Jahre waren nicht oder nur unzureichend geimpft. Es ist also davon auszugehen, dass ein Großteil der auftretenden FSME-Erkrankungen durch eine Impfung hätte verhindert werden können.

TBD-Prev-Studie

Aus den zuvor beschriebenen Gegebenheiten ergibt sich die Notwendigkeit der Erarbeitung von Strategien zur Prävention zeckenübertragener Erkrankungen und Erhöhung der FSME-Impfakzeptanz und -quoten. Sich dies zum Ziel setzend, hat das LGL gemeinsam mit dem Landesgesundheitsamt Baden-Württemberg Ende 2020 die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderte TBD-Prev-Studie (Tick Borne Disease Prevention-Studie) in den bedeutendsten deutschen FSME-Endemiegebieten (Bayern und Baden-Württemberg) ins Leben gerufen.

Das Forschungsprojekt umfasste in den ersten zwei Teilprojekten die Befragung zweier wichtiger präventionsleistender Personengruppen: niedergelassene Ärztinnen und Ärzte, welche eine Schlüsselposition bei der Impfberatung ihrer Patientinnen und Patienten einnehmen, sowie kommunale Gesundheitsämter, welche auf Grundlage des ÖGD-Gesetzes Präventionsarbeit vor Ort leisten (z.B. durch Aufklärung der Bevölkerung, Empfehlungen zur Zeckenprävention oder Warnhinweisen in frequentierten Naherholungsgebieten). So wurden wertvolle Daten zu Impfakzeptanz und Management der Impfberatung zur FSME bei Ärztinnen und Ärzten sowie FSME-Präventionsstrategien der kommunalen Gesundheitsämter gesammelt. Ziel war zudem, bestehende Wissenslücken, Impfhindernisse und gegebenenfalls bestehende Bedarfe an Informationsmaterialien und Aufklärungsmedien zu zeckenübertragenen Krankheiten und deren Prävention (insbesondere FSME-Impfung) zu identifizieren.

Basierend auf den gewonnenen Erkenntnissen wurden dann in einem dritten Teilprojekt entsprechende zielgerichtete Informationsmaterialien als Hilfestellung für Gesundheitsämter und die niedergelassene Ärzteschaft entwickelt, evaluiert und eingeführt.

Ergebnisse

Die Befragungen sowie die Auswertung der hierbei erhobenen Daten wurden Ende 2022 abgeschlossen und publiziert (Coyer et al. 2023). In Bezug auf die Impfakzeptanz und das Management der Impfberatung unter der Ärzteschaft zeigen die Ergebnisse, dass nahezu alle teilnehmenden Ärztinnen und Ärzte FSME-Impfungen anbieten und sich gut bezüglich zeckenübertragener Erkrankungen und FSME-Impfung informiert fühlen. Der Anteil der aktiven Impfberatung zur FSME und der aktiven Aufklärung von Patientinnen und Patienten zu zeckenübertragenen Erkrankungen hat jedoch deutliches Verbesserungspotenzial.

Die Ergebnisse zeigen außerdem den Bedarf an zusätzlichen, niedrigschwelligen Informationsmaterialien und Medien zur Aufklärung über zeckenübertragene Krankheiten und deren Prävention (insbesondere FSME-Impfung) – sowohl unter den teilnehmenden Gesundheitsämtern (ca. zwei Drittel) als auch unter der teilnehmenden Ärzteschaft (ca. ein Viertel). Bedarf besteht allgemein insbesondere für analoge Materialien wie Informationsflyer und Poster, unter den teilnehmenden Gesundheitsämtern zusätzlich für Formulierungshilfen (z.B. für Presseanfragen). Hierbei wurden Aktualität, Qualitätssicherung, Pharmaunabhängigkeit und leichte Verständlichkeit als wichtigste Eigenschaften der Materialien genannt.

Lass dich nicht ZECKEN!

Auf Grundlage dieser Erkenntnisse wurden entsprechende evidenzbasierte Informationsmaterialien erarbeitet, welche den Gesundheitsämtern, sowie der Ärzteschaft und Bevölkerung ab sofort als Grundlage für Beratungs- und Präventionsarbeit zur Verfügung stehen. Die Informationsmaterialien (Flyer, Poster, Aufkleber) der „Lass dich nicht ZECKEN!“-Kampagne sind über den Bestellshop der Bayerischen Staatsregierung erhältlich:

Darstellung des Flyers, Posters und Aufklebers zur Kampagne

Literatur

Coyer, L., Sogan-Ekinci, A., Greutélaers, B., Kuhn, J., Saller, F. S., Hailer, J., ... & Böhmer, M. M. (2023). Knowledge, Attitudes and Behaviors regarding Tick-Borne Encephalitis Vaccination and Prevention of Tick-Borne Diseases among Primary Care Physicians in Bavaria and Baden-Wuerttemberg, Germany, May–September 2022. Microorganisms, 11(4), 961.