Tuberkulose-Situation in Bayern 2023

Für das Meldejahr 2023 wurden nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG) insgesamt 629 Tuberkulose-Neuerkrankungen gemäß Referenzdefinition des Robert Koch-Instituts (RKI) an das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) übermittelt (Datenquelle SurvNet, Datenstand 01.03.2024). Diese Fallzahl entspricht einer Inzidenz von 4,7 Fällen pro 100.000 Einwohner.

Zeitlicher Verlauf

Die Meldezahlen waren seit dem Jahr 2002 mit über 1100 Neuerkrankungen bis zum Jahr 2007 fast kontinuierlich zurückgegangen. In den Jahren 2007 bis 2014 bewegte sich die jährliche Fallzahl mit gewissen Schwankungen auf einem Plateau zwischen circa 600 -700 Meldungen. Für das Jahr 2015 war aufgrund der Migrationsbewegungen mit 1048 Fällen gegenüber 692 Fällen im Vorjahr erstmals wieder eine deutliche Zunahme der Meldungen auf ein ähnlich hohes Niveau wie zuletzt im Jahr 2003 (1023 Fälle) zu beobachten. Während im Jahr 2016 mit 1039 Fällen noch eine nur knapp unter dem Niveau vom Vorjahr liegende Anzahl zu verzeichnen war, ergab sich ab dem Jahr 2017 (874 Fälle) wieder ein Rückgang der Meldungen, der sich in den Folgejahren fortsetzte. In den Jahren 2018, 2019, 2020 und 2021 wurden 855, 750, 631 und 522 Fälle an das LGL übermittelt. Für die Jahre 2022 und 2023 ergab sich gegenüber den Vorjahren wieder ein leichter Anstieg auf 590 bzw. 629 Fälle (Datenquelle SurvNet, Datenstand 01.03.2024, siehe Abbildung 1).

Balkendiagramm; basierend auf den Werten in der folgenden Tabelle

Abbildung (Abb.) 1: Anzahl übermittelter Tuberkulose-Neuerkrankungen in Bayern für die Meldejahre 2002-2023 (Datenquelle: SurvNet; Datenstand: 01.03.2024)

Tabelle 1 zur Abbildung 1

Tabelle 1: Tubkulose Neuerkrankungen in Bayern im Zeitraum 2002 bis 2023
Jahr Anzahl Neuerkrankungen
2002 1.116
2003 1.023
2004 934
2005 994
2006 772
2007 672
2008 662
2009 630
2010 698
2011 682
2012 658
2013 580
2014 692
2015 1.048
2016 1.039
2017 874
2018 855
2019 750
2ß20 631
2021 522
2022 590
2023 629

Geographische Verteilung

Die höchste Tuberkulose-Inzidenz für Neuerkrankungen in Bayern wurde im Meldejahr 2023 im Regierungsbezirk Oberbayern verzeichnet mit 4,91 Fällen pro 100.000 Einwohner, gefolgt von Mittelfranken mit einer Inzidenz von 4,82 Fällen pro 100.000 Einwohner. Für Niederbayern ergab sich eine Inzidenz von 4,79, für die Oberpfalz von 4,76 und für Oberfranken von 4,66. Die niedrigsten Inzidenzen mit 4,52 bzw. 3,97 Fällen pro 100.000 Einwohner wiesen Schwaben und Unterfranken auf. Die Inzidenz für Bayern gesamt betrug 4,7 Fälle pro 100.000 Einwohner (s. Tabelle 2).

Tabelle 2: Anzahl und Inzidenz(Fälle/100.000 Einwohner) übermittelter Tuberkulose-Neuerkrankungen in Bayern je Regierungsbezirk für das Meldejahr 2023 (Datenquelle: SurvNet; Datenstand: 01.03.2024)
Regierungsbezirk 2023 Anzahl (n) 2023 Inzidenz
Mittelfranken 87 4,82
Niederbayern 61 4,79
Oberbayern 236 4,91
Oberfranken 50 4,66
Oberpfalz 54 4,76
Schwaben 88 4,52
Unterfranken 53 3,97
Gesamt 629 4,7

Demographische Verteilung

Insgesamt wurden wie in den Vorjahren auch im Jahr 2023 Tuberkulose-Neuerkrankungen deutlich häufiger bei Männern als bei Frauen gemeldet: 440 gegenüber 187 Erkrankungsfällen (2 Fälle Geschlecht unbekannt), dies entspricht einer Inzidenz von 6,65 bzw. 2,77 Fällen pro 100.000 Einwohner.

Die altersgruppierten Inzidenzen (siehe Abbildung 2) zeigten einen Hauptgipfel bei Männern der Altersgruppe 25-29 Jahre, gefolgt von den Altersgruppen 20-24 Jahre, 15-19 Jahre, 30-39 Jahre sowie der Altersgruppe ab 80 Jahren.

Bei Frauen ergab sich ein niedriger Inzidenzgipfel in der Altersspanne von 20-24 Jahren sowie bei den 30-39jährigen und den 25-29jährigen.

26 Fälle (4% der gemeldeten Tuberkulose-Fälle) traten bei Kindern unter 15 Jahren auf. Das entspricht einer Inzidenz von 1,37 Fällen pro 100.000 Einwohnern. Es waren 18 männliche und 8 weibliche Kinder betroffen.

Balkendiagramm; basierend auf den Werten in der nachstehenden Tabelle

Abb. 2: Inzidenz (Fälle/100.000 Einwohner) übermittelter Tuberkulose-Neuerkrankungen in Bayern 2023, aufgeschlüsselt nach Altersgruppen und Geschlecht (2 Fälle Geschlecht unbekannt; Datenquelle: SurvNet; Datenstand: 01.03.2024)

Tabelle 3 zur Abbildung 2

Inzidenz (Fälle/100.000 Einwohner) übermittelter Tuberkulose-Neuerkrankungen in Bayern 2023, aufgeschlüsselt nach Altersgruppen und Geschlecht (2 Fälle Geschlecht unbekannt; Datenquelle: SurvNet; Datenstand: 01.03.2024)
Altersgruppe (in Jahren) männlich weiblich
0 - 14 1,85 0,86
15 - 19 8,49 2,35
20 - 24 13,58 5,41
25- 29 17,33 3,95
30 - 39 8,63 4,33
40 - 49 5,8 2,52
50 - 59 4,8 2,06
60 - 69 4,65 3,07
70 - 79 3,82 2,12
80 + 8,16 3,12

Angaben zum Geburtsland der Erkrankten lagen bei 622 von 629 Fällen (98,9%) vor. Dabei betrafen 143 Fälle (23 %) in Deutschland gebürtige Personen, 479 Fälle (77 %) Patienten mit einem Geburtsort außerhalb Deutschlands.

Für außerhalb Deutschlands Geborene ergaben sich in der Altersspanne von 15-59 Jahren deutlich höhere Fallzahlen als bei den in Deutschland Gebürtigen im gleichen Altersbereich. Der Hauptgipfel lag bei der Altersgruppe der 30-39jährigen, gefolgt von weiteren Gipfeln bei den Altersgruppen der 25-29jährigen und 20-24jährigen sowie den 40-59jährigen. Umgekehrt fanden sich höhere Fallzahlen bei in Deutschland geborenen Erwachsenen ab einem Alter von 70 Jahren. In dieser Altersspanne nahmen die Fallzahlen für Personen mit ausländischem Geburtsland mit steigendem Alter dem gegenüber ab (siehe Abbildung 3).

Balkendiagramm; basierend auf den Werten in der  nachfolgenden Tabelle

Abb. 3: Anzahl übermittelter Tuberkulose-Neuerkrankungen in Bayern für das Meldejahr 2023, aufgeschlüsselt nach Altersgruppe und Geburtsort in Deutschland oder im Ausland (7 Fälle Geburtsort unbekannt; Datenquelle: SurvNet; Datenstand: 01.03.2024)

Tabelle 4 zur Abbildung 3

Anzahl übermittelter Tuberkulose-Neuerkrankungen in Bayern für das Meldejahr 2023 - aufgeschlüsselt nach Altersgruppen und Geburtsort in Deutschland oder im Ausland - dargestellt. (Datenquelle: SurvNet; Datenstand: 01.03.2024)
Altersgruppe (Jahren) Ausland Deutschland
0 - 14 15 11
15 - 19 31 3
20 - 24 67 4
25 - 29 88 3
30 - 39 115 3
40 - 49 64 5
50 - 59 46 24
60 - 69 32 32
70 - 79 13 20
80 + 8 38

Klinische Aspekte

Die Lunge wurde bei 483 (77,3%) der übermittelten Tuberkulose-Neuerkrankungen als hauptsächlich betroffenes Organ genannt (4 Fälle ohne Angabe). Davon wiesen 76 Fälle (15,6%) die sogenannte geschlossene (nicht-infektiöse) Krankheitsform auf. Bei den offenen Tuberkulosen handelte es sich in 250 Fällen (51,7%) um die besonders infektiöse Form mit positiver Mikroskopie (mikroskopischer Nachweis von säurefesten Stäbchen in Untersuchungsmaterial aus den Atemwegen).

Bei den 142 (22,6%) ausschließlich extra-pulmonalen, nicht-infektiösen Erkrankungen waren anteilsmäßig die extrathorakalen Lymphknoten (54 Fälle), die Pleura (21 Fälle) und die intrathorakalen Lymphknoten (20 Fälle) die am häufigsten befallenen Organe, gefolgt von Peritoneum/Verdauungstrakt (16 Fälle) und Knochen und Gelenke (einschließlich Wirbelsäule - 16 Fälle) sowie Urogenitaltrakt (7 Fälle). Eine disseminierte Tuberkulose wurde in einem Fall übermittelt, ein Befall des ZNS (einschließlich Hirnhaut) in 2 Fällen sowie ein Befall sonstiger Organe in 5 Fällen.

Insgesamt 20 Patienten (7 davon weiblich) verstarben im Meldejahr 2023 an ihrer Tuberkulose-Erkrankung (verstorben gemäß Basisdaten, 3 von 629 Fällen ohne Angaben zum Verstorben-Status). Dies entspricht einer Letalität von 3,2%. Betroffen waren in der Mehrheit Personen ab 50 Jahren (18 von 20 Fällen, Alters-Median 61 Jahre, 14 Fälle mit Geburtsort in Deutschland). Hauptsächlich betroffenes Organ bei den Verstorbenen war ganz überwiegend die Lunge (18 von 20 Fällen).

Nachgewiesene Erreger und Resistenz

Angaben zum Erreger lagen bei insgesamt 559 (89 %) von 629 Tuberkulose-Fällen vor. Davon wurde für 152 Fälle M.tuberculosis-Komplex ohne weitere Differenzierung übermittelt. Bezogen auf Fälle mit Spezies-Differenzierung war M.tuberculosis mit 395 Fällen die häufigste nachgewiesene Spezies. M.africanum (6 Fälle), M.bovis (5 Fälle) sowie M.pinnipedii (1 Fall) wurden nur vereinzelt isoliert.

Multiresistente Erreger (sogennante Multi-Drug-Resistance - MDR - gleichzeitige Resistenz gegenüber den beiden wichtigsten Tuberkulose-Medikamenten Isoniazid und Rifampicin) wurden in 2023 bei 17 Fällen festgestellt. Es fand sich darunter kein Fall mit XDR-TB (extensiv resistente Tuberkulose mit gleichzeitiger Resistenz gegenüber Isoniazid und Rifampicin sowie zusätzlichen Resistenzen gegenüber wichtigen Reserve-Medikamenten).

Fazit

Nach einem Anstieg der Tuberkulose-Neuerkrankungen in den Jahren 2015 und 2016 ergab sich in den Folgejahren wieder eine Abnahme der Meldezahlen. Wie in den Vorjahren überwogen auch im Jahr 2023 männliche Patienten. Ein Großteil der gemeldeten Fälle war nicht in Deutschland geboren. Der beständig hohe Anteil an übermittelten infektiösen Erkrankungen in Bayern zeigt, dass Prävention, Diagnostik und Therapie der Tuberkulose weiterhin relevante Aufgaben für den Öffentlichen Gesundheitsdienst und die ambulante und stationäre Gesundheitsversorgung bleiben. Zeitnahe Diagnostik von Tuberkuloseerkrankungen sowie eine stringente Umsetzung der Empfehlungen zur Behandlung der Tuberkulose sowie zu Umgebungsuntersuchungen und zur Prävention sind essentiell, um weitere Fortschritte in der Tuberkulosekontrolle zu erzielen.

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