Versorgungsforschung am Institut für Medizinmanagement und Gesundheitswissenschaften (IMG) der Universität Bayreuth

Univ.-Prof. Dr. Klaus Nagels, Institut für Medizinmanagement und Gesundheitswissenschaften (IMG) der Universität Bayreuth

Das Institut für Medizinmanagement und Gesundheitswissenschaften der Universität Bayreuth (IMG), stellt sich den Fragestellungen der Versorgungsforschung proaktiv in Forschung und Lehre. In der Lehre tragen die Vorlesungsreihe Versorgungsforschung sowie die Vorlesungsreihen zur Medizin, Epidemiologie und gesundheitsökonomischen Evaluierung einschließlich der Vorlesungsreihe Pharmakoökonomie zu einer praxisorientierten und gleichzeitig wissenschaftlichen Hochschulausbildung in diesem Themenfeld maßgeblich bei. Studierende werden so optimal auf entsprechende Aufgaben in der Gesundheitswirtschaft und der öffentlichen Verwaltung vorbereitet. Gleichzeitig sind in diesen Feldern neben der klassischen Gesundheitsökonomie Kompetenzen zur interdisziplinären Zusammenarbeit aufgebaut worden, die vor allem in der erfolgreichen Abwicklung von Projekten zur Versorgungsforschung zum Einsatz kommen. Das IMG befasst sich mit klinisch-medizinisch vielfältig gelagerten Projekten zur Versorgungsforschung. Diese Forschungsprojekte befassen sich mit verschiedenen Versorgungthemen, bei denen einerseits besonders häufige Erkrankungen im Fokus stehen (z.B. Telemonitoring bei Herzinsuffizienz) oder andererseits relativ selten auftretende Erkrankungen oder Interventionen untersucht werden (z.B. innovative Gentherapie bei Muskeldystrophie Duchenne oder Organtransplantation bei Kindern). Das IMG sieht seinen Beitrag zur Versorgungsforschung (engl. health service research) in der interdisziplinären, wissenschaftlichen Untersuchung von umfassenden Versorgungsleistungen oder deren abgrenzbaren Versorgungsmodellen und ihren einzelnen Komponenten. Beiträge zur Makroebene der Versorgungsforschung mit ihren gesundheitssystemorientierten und politischen Themen werden vor allem über die Untersuchungen zur medizinischen Entscheidungsfindung, Priorisierungsthemen geleistet. Bei allen Forschungsthemen wird das Ziel verfolgt, praxis- und theorierelevante Fragestellungen zu identifizieren und vor dem Hintergrund des Standes der Wissenschaft zu bearbeiten. Dem Praxisbezug kommt eine große Bedeutung zu, auch wenn damit eine zum Teil große Breite einhergeht und oft für betroffene Anspruchsgruppen auch ein Veränderungsdruck entstehen kann. Beispielsweise der anwendungsorientierte Umgang mit Erkenntnissen über Defizite von Versorgungsleistungen, die in der Praxis verankert sind sowie Erkenntnisse zu Vorteilen von frühen Innovationen bei gleichzeitiger Einbeziehung ökonomischer Rahmenparameter stellen Gesundheitssysteme vor große Herausforderungen. Diese bestehen vor allem in der Beurteilung, Entscheidungsfindung und Umsetzung bzw. Translation entsprechender Forschungsergebnisse in die Versorgungspraxis. Das begründete Festhalten an praxiserprobten Versorgungsleistungen und die Rejektion von Innovationen gerät dabei ebenso in den Fokus wie der umgekehrte Fall. Darüber hinaus kommt es zu einer nach wie vor großen Variationsbreite von Behandlungsergebnissen in der Praxis, die wissenschaftlich zum Teil durch die Variationsbreite in der Erbringung von Versorgungsleistungen erklärt werden kann. Dies bringt sozialpolitische und auch wirtschaftliche Implikationen mit sich. Ökonomisch betrachtet gehen diese Defizite in der Versorgung mit hohen Transaktionskosten einher. Transaktionskosten sind oft optimierbar und können als Indikatoren für die bestehenden Effizienzreserven dienen. Zu den klinisch objektivierbaren Aspekten gesellen sich subjektive Wahrnehmungen von Versorgungsleistungen. Neben den klinisch angezeigten Indikationen sind deshalb zunehmend auch die Erwartungen von Patienten an die Versorgungsleistungen ein Thema. Auch die sich verschärfende Diskussion zur allgemeinen Ressourcenallokation für die Gesundheitsversorgung zwischen den Leistungserbringern zeigt, dass Ergebnisse einer stringenten Versorgungsforschung gefragt sind. Gesundheitspolitisch werden mit Blick auf Diskussionen zu Rationierungs- und Priorisierungsansätzen Forderungen laut, zunächst die genannten Defizite in der Versorgung zu beheben, bevor man andere Maßnahmen ergreift, um der Ressourcenverknappung zu begegnen.
Die zur Beantwortung der Forschungsfragen notwendige Auswahl und Anpassung der geeigneten Methodik erfolgt mit dem Ziel, vergleichende Daten zu verfügbaren Versorgungsansätzen methodisch so zu erheben, dass ein hohes Evidenz-Niveau der Ergebnisse erreicht wird. Klinische und ökonomische Indikatoren (bzw. Endpunkte) werden dabei parallel erfasst. Die Strukturierung der Aufgabenbereiche und Arbeitspakete erfolgt nach dem angelsächsischen Prozessmodel, das mit Blick auf das Gesundheitssystem im Wesentlichen nach „input – throughput – output – outcome“ einteilt und dessen Übernahme durch Arbeitsgruppen der Bundesärztekammer und der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) zur Versorgungsforschung Akzeptanz findet. Des Weiteren sind die Arbeiten nach Ebenen strukturiert, die wir in Anlehnung an europäische Arbeitsgruppen (HSR-Europe) in Mikro-, Meso- und Makroebenen unterscheiden. Die Mikroebene fokussiert sich auf das eigentliche Versorgungsgeschehen und schließt die für die Erzielung der jeweiligen Wirkungen des jeweiligen Versorgungskonzeptes relevanten Faktoren und Einflussgrößen in die Betrachtung ein. Die Mesoebene richtet sich auf die Organisationsaspekte des Versorgungsgeschehens und schließt die damit verbundenen Strukturen und Prozesse ein. Im Fokus der Makroebene stehen letztlich die politischen Implikationen und normativen Ergebnisse der Forschung des IMG. Durch diesen Ansatz erreichen wir eine hohe Relevanz der Ergebnisse für Entscheider, die entsprechend gelagerte klinische, administrative oder politische Fragestellungen beantworten müssen. Diese operativen Ziele der Arbeit des IMG dienen dem strategischen Zweck, auch mit Blick auf die normativen Implikationen der Forschungsergebnisse, einen Beitrag für die evidenz-basierte Anpassung von Versorgungsleistungen zu erbringen, um diese letztlich auf der Basis der Erkenntnisse hinsichtlich ihrer Wirksamkeit, Sicherheit, und Patientenzentrierung zu optimieren.