Kannibalismus bei Schweinen

Als Kannibalismus bezeichnet man eine Verhaltensanomalie, welche mit dem Benagen bis hin zum vollständigen Abbeißen diverser Körperteile wie Ohren oder Schwänze eines Artgenossen einhergeht und gegebenenfalls hohe Tierverluste verursacht. Es stellt ein weit verbreitetes Problem der modernen Schweineproduktion dar und kann zu Schäden, Leiden und Schmerzen beim Tier sowie zu negativen ökonomischen Folgen im Betrieb führen. Kannibalismus ist multifaktoriell bedingt und von einer Reihe verschiedener Einflüsse abhängig. Eine fachübergreifende Analyse der vielgestaltigen Ursachen ist daher erforderlich. Neben Einflussfaktoren wie Haltungsbedingungen, genetischer Disposition und infektiöser Genese kommt der Fütterung eine maßgebliche Bedeutung zu.

Untersuchung von Futtermittelproben

2015 lagen dem LGL hierzu zwei Futtermittelproben mit der Bitte um eine zielgerichtete Untersuchung vor. Es wurde von Problemen in den Produktionsabschnitten der Ferkelaufzucht, welche allgemein als kritische Phase für das Auftreten von Kannibalismus
gesehen wird, sowie in der sich anschließenden Mastphase berichtet. In diesem Zusammenhang bestimmte das LGL die Gehalte von ernährungsphysiologischen Komponenten wie Rohnährstoffen, Aminosäuren und Mineralstoffen und prüfte die Ration
tierschutzrechtlich im Hinblick auf ihre Eignung für Schweine. Außerdem bestimmte das LGL die Mykotoxingehalte.

Ergebnisse der Untersuchung auf Mykotoxine

Die Ergebnisse der laboranalytischen Mykotoxinuntersuchung mittels Liquid-Chromatographie-Massenspektometrie / Massenspektometrie (LC-MS/MS) ergaben auffällige Werte für die Fusarientoxine Deoxynivalenol (DON) und Zearalenon (ZEA), welche jedoch nur beim Mastschweinfutter in einer Höhe vorlagen, die zu einer futtermittelrechtlichen Beanstandung führte. Ein kausaler Zusammenhang zwischen der Kannibalismusproblematik und dem Auftreten von Mykotoxinen im Futter ist in der Literatur beschrieben.

Ergebnisse der Überprüfung der Rationen

Bei der Rationsüberprüfung legte das LGL die Bedarfsempfehlungen der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) zugrunde. Bei der Betrachtung der Rohnährstoffe fiel beim Ferkelaufzuchtfutter eine zum Teil erhebliche Unterversorgung von Rohnährstoffen (Rohprotein und Rohfaser) auf, während die Überprüfung des Mastschweinefutters keine
relevanten Abweichungen zu den Bedarfsempfehlungen ergab. Die Komponente Rohfaser übt einen wesentlichen Einfluss auf das Sättigungsgefühl der Tiere aus und führt zu verlängerten Futteraufnahmezeiten. Damit verbunden ist in der Regel auch eine Dämpfung der im Hinblick auf die Entstehung des Kannibalismus kritisch zu sehenden Faktoren Unruhe und Aggressionen der Tiere untereinander. Ein Zusammenhang zwischen Ausbrüchen von Kannibalismus und einer nicht adäquaten Proteinversorgung, insbesondere mit limitierenden essenziellen Aminosäuren, ist in der wissenschaftlichen Literatur gut belegt und anhand von Studien vielfach demonstriert worden. Aus den genannten Gründen und zum vorsorglichen
Schutz der Tiergesundheit sprach das LGL die Empfehlung aus, die Ration entsprechend der Bedarfsempfehlungen anzupassen.

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