Expositions- und Risikoabschätzung für Bisphenol A (BPA)

Bisphenol A (BPA) wird seit ca. 50 Jahren im großtechnischen Maßstab hergestellt. Die Verarbeitung von BPA erfolgt hauptsächlich zu Polycarbonat und Epoxidharzen. Hauptanwendungen beruhen auf Polycarbonat, dem vernetzten BPA (Polymer). Insbesondere CDs, Armaturen und Plastikteile im Auto, Haushaltsgegenstände, transparente Babyplastikflaschen, Nahrungs- und Getränkeverpackungen bestehen aus Polycarbonat. Auch Epoxidharze, Kleber und viele Do-it-yourself-Produkte enthalten BPA, Nahrungsmittel- und Getränkedosen werden teilweise innen mit einem BPA -haltigem Epoxidharz überzogen.
Im Jahre 2002 wurden weltweit ca. 2,8 Mio. Tonnen BPA produziert. Der jährliche Verbrauch von BPA in der EU wird auf über 600.000 t pro Jahr geschätzt.
Die Substanz hat eine geringe akute Giftigkeit. Es gibt keine Hinweise auf eine Krebs auslösende Wirkung. Bisphenol A gehört aber zu einer Gruppe von Substanzen, die hormonähnlich wirken können. Diese Substanzen werden wissenschaftlich als „Endocrine Disruptors“ bezeichnet. Endocrine Disruptors wirken ähnlich wie z.  B. das Hormon Östrogen und können beispielsweise eine vergrößerte Prostata, geringe Spermienkonzentration oder eine verfrühte Pubertät hervorrufen. Für BPA sind diese Effekte im Menschen aber bislang noch nicht eindeutig nachgewiesen und nach derzeitigem Wissensstand bei den niedrigen Expositionshöhen, denen der Mensch ausgesetzt ist, eher unwahrscheinlich.
Die Aufnahme von Bisphenol A erfolgt hauptsächlich über die Nahrung und insbesondere durch Verzehr von Nahrungsmitteln, die in mit Epoxidharz beschichteten Konservendosen aufbewahrt werden. Der Übertritt (Migration) von nicht polymerisiertem BPA in die Nahrung ist in mehreren Studien belegt. Im Durchschnitt wurden in verschiedenen Studien ca. 20 µg/kg Nahrungsmittel an BPA nachgewiesen. Ein besonderes Augenmerk verdienen hier Kleinstkinder, die häufig unter Nutzung von Polycarbonat-Baby-Fläschchen exponiert werden. Obwohl die Migration für BPA auch hier im Bereich von 10-20 µg/kg Nahrung liegt, muss eine höhere Exposition gegenüber Erwachsenen bzw. älteren Kindern angenommen werden, da Kleinstkinder überwiegend unter Verwendung von Fläschchen ernährt werden. Aufgrund dieser Daten schätzte die European Food Safety Authority (EFSA) 2006 eine tägliche BPA-Aufnahme von 100 µg für Erwachsene und Kinder und von 70 µg für Kleinkinder ab (1,4 - 5,0 - 14,0 µg/kg Körpergewicht/Tag bei Körpergewichten von 70 - 20 - 5 kg). Da für diese Schätzungen sehr konservative Annahmen verwendet wurden, sind die tatsächlichen Aufnahmemengen eher geringer und die angegeben Werte als maximale Zufuhrwerte anzusehen. In der aktuellen Expositionsschätzung der EFSA wurden viele neue Daten berücksichtigt und man kam zu exakteren Werten, die deutlich niedriger lagen (EFSA 2015). Damit ergab sich eine tägliche BPA-Aufnahme von ca. 7 µg für Erwachsene und Kinder sowie von 1 µg für Kleinkinder, entsprechend 0,1 - 0,4 - 0,2 µg/kg Körpergewicht/Tag (Körpergewichte wie oben).

Stoffwechsel

Im menschlichen Körper wird Bisphenol A schnell in ein Stoffwechselprodukt umgewandelt, das die östrogenartige Wirkung nicht mehr aufweist. Dieses Umwandlungsprodukt wird sehr effizient über die Nieren mit dem Harn ausgeschieden. Hierin besteht ein wesentlicher Unterschied zu Nagetieren, die in experimentellen Studien eine langsamere Ausscheidung von Bisphenol A aufwiesen. In Nagern liegt darüber hinaus auch ein erheblicher Anteil als nicht umgewandeltes BPA vor. Damit kommt im Nager freies, als Östrogen wirksames BPA vor und erklärt die entsprechenden östrogenartigen Wirkungen im Versuchstier. Neuere Studien hierzu zeigen, dass diese Ergebnisse vor allem in jungen Tieren auch tatsächlich bestätigt werden können. Hier zeigen Nager im Vergleich zu Primaten die beschriebene Kinetik. Erstaunlicherweise findet man allerdings im ausgewachsenen Nager und insbesondere im Mausmodell im Vergleich zum Primaten niedrigere Werte für nicht umgewandeltes BPA.

Was weiß man dazu für den Menschen?

Bereits 2002 wurde in Bayern eine Studie veröffentlicht, die klar zeigte, dass BPA vom Menschen effizient aufgenommen, aber auch sehr schnell wieder ausgeschieden wird. Damit sollten im Menschen unter normalen Expositionsbedingungen keine Konzentrationen erreicht werden, die gesundheitsschädlich sind. In der Folge schienen aber Studien immer wieder zu zeigen, dass es wohl doch zu erheblichen Konzentrationen im Menschen kommen könnte. Meist wiesen diese Untersuchungen aber bei näherer Betrachtung methodische Mängel auf. Daher wurde in den USA ein Forschungsprogramm aufgelegt, um diese Diskrepanz aufzuklären. Dabei wurden die bayerischen Forschungsdaten voll umfänglich bestätigt und man kam zu dem Schluss, dass unter gewöhnlichen Expositionsszenarien keine gesundheitlich bedenklichen Konzentration an BPA im Menschen zu erwarten sind.
BPA wird also zu fast 100 % über den Harn ausgeschieden. Damit können Urinproben im Rahmen von Biomonitoringstudien (HBM) sehr gut für die Bestimmung der tatsächlichen durchschnittlichen Aufnahme an BPA genutzt werden. Deshalb hat auch das LGL bereits 2008 und 2011 entsprechende Studien durchgeführt (siehe rechts unter "Verwandte Themen"). Mittlerweile wurden weltweit zahlreiche weitere Studien dazu durchgeführt. Meistens wurden durchschnittliche Gehalte von 2 µg/l an Gesamt-Bisphenol A im Urin nachgewiesen, was beim Erwachsenen in etwa einer Aufnahme von 0,05 µg/kg Körpergewicht entspricht. Im Falle der weltweit einzigen, am LGL durchgeführten Studie an Kleinkindern zwischen 1 und 5 Monaten lagen die Werte sogar noch niedriger und entsprechend beträgt die durchschnittliche tägliche Aufnahme an BPA nur 0,07 µg/kg Körpergewicht.
Die bestimmten Aufnahmemengen können nun sehr gut mit entsprechenden toxikologischen Richtwerten wie dem TDI (lebenslang duldbare tägliche Aufnahme) der EFSA oder Reference Dose der US-EPA verglichen und zur gesundheitlichen Bewertung genutzt werden. In ihrer aktuellen Abschätzung hat die EFSA den TDI auf 4 µg/kg Körpergewicht pro Tag abgesenkt. Diese Absenkung beruht nicht auf einer Änderung der Einschätzung der toxischen Wirkungen von BPA sondern vielmehr auf neuen Studien zur Toxikokinetik im Versuchstier Maus (siehe oben). Die Übertragung der tierexperimentellen Daten auf den Menschen hat hier insbesondere bei der ausgewachsenen Maus zu einer entsprechenden (äquivalenten) Dosis für den Menschen („Human Equivalent Dose“, HED) geführt, die eine Absenkung nach sich zog. Diese HED ersetzt nun einen üblichen Unsicherheitsfaktor, der beim Fehlen experimenteller Daten genutzt wird. Interessanterweise ist dieser kinetische Effekt im Jungtier deutlich weniger ausgeprägt als bislang angenommen, so dass Kleinkinder durch einen für alle Altersstufen einheitlichen Richtwert besser geschützt sind als Erwachsene.
Auf der Basis der aktuellen Expositionsabschätzung und Berücksichtigung des neuen TDI-Wertes kommt die EFSA zu dem Schluss, dass BPA nach dem heutigen Stand der Wissenschaft für keine Altersgruppe ein Gesundheitsrisiko darstellt. Dieser Einschätzung kann sich das LGL nach derzeitigem Wissensstand vollumfänglich anschließen.

Literatur