Integrativer Gesundheitsschutz am Beispiel PFOA

Insgesamt werden derzeit ca. 100.000 Stoffe in größerem Umfang als Industriechemikalien eingesetzt. Nach wie vor besteht in der Bevölkerung ein großer Wunsch nach Informationen zu möglichen Risiken chemischer Produkte, dem nur mit einem ausgewogenen und aktuellen Informationsmanagement zu begegnen ist. Um diesem nachzukommen, sind Daten zur Toxikologie bzw. zur Gefährlichkeit einer Substanz und Kenntnisse zur Exposition notwendig. Erst auf dieser Basis sind eine valide Risikoabschätzung und nachfolgend eine überzeugende Risikokommunikation möglich. Zur Einschätzung gesundheitlicher Risiken, zum Beispiel bei Chemieunfällen oder großflächigen Umweltkontaminationen, sind aktuelle Expositionsdaten unverzichtbar. Diese sollten insbesondere Informationen über die für die menschliche Belastung wichtigen Pfade wie die Aufnahme über die Luft, über Nahrungsmittel und Trinkwasser enthalten. Außerdem kann die Messung der Konzentration von Fremdstoffen oder deren Stoffwechselprodukten (Metabolite) im Blut oder Urin (sogenanntes Human-Biomonitoring) wichtige Aussagen über die integrale Gesamtbelastung mit einem Schadstoff liefern. Nur diese integrative Betrachtungsweise kann ein stimmiges Gesamtbild der Belastungssituation liefern.

Hintergrund

Im Chemiepark Gendorf im Landkreis Altötting werden seit den 1960er-Jahren Fluorpolymere zur Kunststoffherstellung produziert. Bis 2003 wurde an diesem Standort Perfluoroctansäure (PFOA) industriell hergestellt und bis 2008 als Hilfsstoff zur Produktion von Fluorpolymeren verwendet. Die Substanz gelangte dabei über drei Pfade in die Umwelt:

  • PFOA-haltiges Abwasser der betrieblichen Kläranlage wurde in die Alz eingeleitet und versickerte anschließend zusammen mit dem Alzwasser. Hieraus resultiert die Grundwasserbelastung östlich der Alz.
  • Auf dem Gelände des Chemieparks gab es punktuelle Einträge von PFOA in den Untergrund, zum Beispiel durch Leckagen oder Versickerung von PFOA-haltigem Niederschlagswasser, durch die auch der Grundwasserabstrom über das Werksgelände des Chemieparks hinaus belastet wurde.
  • PFOA lagerte sich aus der Luft in den Oberboden ab (Luftdeposition) und gelangte im weiteren Verlauf in den Grundwasserleiter.

PFOA

PFOA gehört zur Gruppe der perfluorierten Alkylsubstanzen (PFAS), bei denen alle Wasserstoffatome am Kohlenstoffgrundgerüst des Moleküls durch Fluoratome ersetzt sind. PFOA gewährleistet in den Endprodukten eine hohe thermische und chemische Stabilität und Beständigkeit gegen UV-Strahlung und Verwitterung. PFOA ist biologisch nur schwer abbaubar, reichert sich in der Nahrungskette an und wird aus dem menschlichen Körper nur sehr langsam wieder ausgeschieden.
Das LGL untersucht regelmäßig nicht nur auf PFOA, sondern auf eine Reihe weiterer perfluorierter Alkylsubstanzen. Für perfluorierte Alkylsubstanzen in Lebensmitteln sind bisher keine gesetzlich geregelten Höchstmengen festgelegt. Für die Beurteilung prüft das LGL daher im Rahmen einer toxikologischen Bewertung, ob vom kurzzeitigen oder dauerhaften Verzehr der mit perfluorierten Alkylsubstanzen belasteten Lebensmittelprobe möglicherweise eine Gesundheitsgefährdung ausgehen könnte. Als Beurteilungsgrundlage für PFOA zog das LGL seit dem Jahr 2016 nicht mehr die von der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) im Jahr 2008 abgeleitete maximal duldbare tägliche Aufnahmemenge heran, sondern den neueren und wesentlich strengeren Reference-Dose (RfD)-Wert der amerikanischen Umweltbehörde EPA. Im Dezember 2018 hat zwischenzeitlich auch die EFSA die duldbare Aufnahmemenge überarbeitet und an die aktuelle wissenschaftliche Datenlage angepasst. Sie liegt nunmehr in einer ähnlichen Größenordnung wie der RfD-Wert der US-EPA und dient seitdem dem LGL als Bewertungsgrundlage. Für die Bewertung prüft das LGL für jede Probe einzeln, ob bei einem
durchschnittlichen oder bzw. und bei einem hohen Verzehr des untersuchten Lebensmittels die dadurch bedingte PFOA-Aufnahme die maximal duldbare tägliche Aufnahmemenge an PFOA für Erwachsene oder Kinder relevant überschreiten würde. Ist dies der Fall, wird das Lebensmittel als nicht sicher für den menschlichen Verzehr beurteilt und damit der Verzehr des Lebensmittels soweit möglich verhindert.

Trinkwasser

Seitdem im Jahr 2006 festgestellt wurde, dass PFOA auch in die Brunnen einiger Trinkwasserversorgungen eingedrungen war, führte das Gesundheitsamt Altötting zusammen mit dem LGL regelmäßige Kontrolluntersuchungen der zentralen Wasserversorgungen im PFOA-Belastungsgebiet des Landkreises durch.

Seit dem Jahr 2013 werden diese Proben zweimal pro Jahr genommen. Die behördlichen Untersuchungsergebnisse veröffentlicht das LGL fortlaufend im Internet.

Das LGL stellte erstmals 2008 im Belastungsgebiet Überschreitungen fest: Der damals von der Trinkwasserkommission am Umweltbundesamt festgesetzte lebenslang duldbare gesundheitliche Leitwert von 0,3 μg/l PFOA im Rohwasser wurde in der Trinkwasserversorgung des Wasserzweckverbandes Inn-Salzach überschritten. Daraufhin wurde dort 2009 eine Aktivkohlefilteranlage eingerichtet. Durch die Aufbereitung mit Aktivkohle liegen die PFOA-Konzentrationen im Trinkwasser dieser Trinkwasserversorgung seither – abgesehen von zwei Ausreißern – immer unter einem Fünftel des seit 2016 gültigen Leitwerts von 0,1 μg/l. Als Reaktion auf die Herabsetzung des Trinkwasserleitwerts im Jahr 2016 haben die Wasserversorger im Landkreis Altötting, wo es möglich war, bereits im Herbst desselben Jahres Umstellungen in der Versorgung vorgenommen mit dem Ziel, kurzfristig die Gehalte an PFOA in dem von ihnen bereitgestellten Trinkwasser zu reduzieren.

Seit Frühjahr 2018 haben die Behörden die Häufigkeit der amtlichen Kontrolluntersuchungen nochmals erhöht und quartalsweise sämtliche Trinkwasserversorgungen im erweiterten Umfeld des Industrieparks Gendorf beprobt. Insgesamt untersuchte das LGL dabei jeweils zwischen 27 und 30 Roh- und Trinkwasserproben. Seit Inbetriebnahme einer weiteren Aktivkohleaufbereitung – für die Wasserversorgung Kastl – wird ein Maximalgehalt an PFOA von 0,01 μg/l (ein Zehntel des Leitwertes) in allen öffentlichen Wasserversorgungen des Landkreises im Normalbetrieb eingehalten.

Lebensmittel

Von November 2006 bis Ende 2018 wurden über 500 regional erzeugte Lebensmittelproben schwerpunktmäßig aus den Belastungsbereichen des Landkreises zur Untersuchung auf PFOA und andere perfluorierte Alkylsubstanzen entnommen. Das Probenspektrum umfasste unter anderem Fische, Eier, Milch, Honig, pflanzliche Lebensmittel (Blattsalate, Karotten, Gurken, Zucchini, Tomaten, Zwiebeln, Kartoffeln und verschiedenes Obst), Speisepilze, Geflügelfleisch (mit Leber), Schweinefleisch (mit Leber und Niere), Rindfleisch (mit Leber und Niere), Schaf-, Lamm-, Ziegenfleisch (mit Leber und Niere), Wildgeflügel (mit Leber), Rehwild (mit Leber) sowie Wildschweinfleisch (mit Leber und Niere). Die Untersuchungen werden laufend fortgesetzt. Zusammenfassend stellte das LGL in der Mehrzahl der Proben keine oder nur relativ geringe Gehalte im Bereich der analytischen Bestimmungsgrenze an
PFOA fest. Ausnahmen sind vier Lebensmittelgruppen, die in der zurückliegenden Zeit auffällig waren: Innereien und auch Fleisch von Wildschweinen, Fische aus der Alz, Hühnereier sowie Innereien von Geflügel, Rindern und Schweinen aus der unmittelbaren Umgebung des Chemieparks Gendorf.

Untersuchungsergebnisse zu PFOA


Bei den Fischen ergaben sich anfänglich (2006) noch etwas höhere Werte für PFOA zwischen 15,0 und 52,5 μg/kg, die aber seit der Einstellung der Verwendung von PFOA im Jahr 2008 stark rückläufig sind und sich schon im Jahr 2013 nur noch zwischen 0,3 und 2,9 μg/kg bewegten. Bei einer erneuten Probenahme im Jahr 2018 war PFOA im Muskelfleisch der Fische überhaupt nicht mehr nachweisbar. Bei Eiern aus der Region wurden 2007 Gehalte von PFOA gefunden, die zwischen nicht nachweisbar (im entfernteren Umfeld) und 25,5 μg/kg lagen. Bei der Wiederholung der Untersuchung im Jahr 2018, zum Teil in denselben Betrieben, stellte das LGL selbst in der näheren Umgebung des Werkes nur mehr Gehalte zwischen nicht nachweisbar und 1,7 μg/kg PFOA fest. Bei zwei von drei Proben mit bestimmbaren Gehalten an PFOA in den Eiern war in den betreffenden Betrieben zum Zeitpunkt der Probenahme das Tränkwasser noch deutlich mit PFOA belastet. Insofern ist zu erwarten, dass sich alle Maßnahmen zur Reduzierung der PFOA-Gehalte im Trinkwasser auch positiv auf die PFOA-Gehalte regional erzeugter Eier auswirken. Im Vergleich zum Fleisch ergaben sich in den Innereien der zum Verzehr vorgesehenen Tiere immer etwas
höhere Werte an PFOA. Wildschweine nehmen aufgrund ihrer Lebensweise mit der Futtersuche in den obersten Bodenschichten besonders intensiv dort abgelagerte Kontaminanten auf. Die höchsten PFOA-Werte fand das LGL deshalb in den Leber- und Nierenproben von Wildschweinen.

Bereits 2011 empfahl deshalb das Landratsamt Altötting, keine Leber oder Niere von erlegten Wildschweinen mehr in Verkehr zu bringen oder zu verzehren. Da auch das Wildschweinfleisch in der Region sehr häufig deutlich mit PFOA belastet ist, lässt sich die PFOA-Aufnahme verringern, wenn der Verzehr von regionalem Wildschweinfleisch eingeschränkt wird.


Bewertung der in Lebensmitteln festgestellten PFOA-Gehalte

Eine Höchstmenge für PFOA in Lebensmitteln hat der Gesetzgeber bislang nicht festgelegt. Deshalb erfolgte bei allen Lebensmitteln eine toxikologische Einzelfallbewertung. Außer den vorgenannten Wildschweinproben (Leber und zum Teil auch Fleisch) waren alle übrigen untersuchten Lebensmittelproben im Hinblick auf ihren PFOA-Gehalt für alle Verbraucher (einschließlich Kinder) als sichere Lebensmittel zu beurteilen. Die vorliegenden Ergebnisse der risikoorientierten Einzeluntersuchungen des LGL sind geeignet, die wesentlichen Eintragspfade für PFOA in die Nahrungskette in der Region aufzuzeigen und Spitzenbelastungen wie im Fall der Wildschweine oder im Fall der verschiedenen Trinkwasserversorger auszuschalten. Gering oder nicht belastete Lebensmittel aus anderen Gebieten, die die Bevölkerung unter Umständen in weit größerem Maße aufnimmt, wurden nicht berücksichtigt. Die Ergebnisse sind somit nicht repräsentativ und bilden nicht die tatsächliche Gesamtaufnahme von PFOA über den Ernährungspfad ab.

Blutuntersuchungen

Bereits 2016 hatte das LGL in einer Pilotuntersuchung erste Hinweise auf erhöhte PFOA-Gehalte in anonymen Blutspenderproben aus einer Ortschaft im Landkreis Altötting erhalten. 2018 wurde das LGL vom StMGP beauftragt, eine umfassende Human-Biomonitoring- Untersuchung durchzuführen. Diesen Wunsch hatte auch der Kreistag Altötting geäußert. Ziel war es, insbesondere die Belastungssituation der Bevölkerung mit PFAS in unterschiedlichen Wasserversorgungsbereichen zu ermitteln und den Erfolg der eingeleiteten Maßnahmen zur Verringerung bzw. Beseitigung der Exposition über das Trinkwasser zu validieren. Insgesamt nahmen 906 Personen ohne berufliche PFOA-Belastung an der Untersuchung teil, deren Alter zwischen 7 und 85 Jahren (Median: 50 Jahre) lag, wobei 507 weiblich und 399 männlich waren. Die Ergebnisse der Untersuchung wurden im Juli 2018 veröffentlicht, die individuellen Werte wurden nur den Betroffenen übermittelt. Für die gesamte Untersuchungsgruppe wurden PFOA-Konzentrationen
zwischen 0,9 und 159 μg/l (Mittelwert 25 μg/l, Median: 20 μg/l, 95. Perzentil
58 μg/l) beobachtet. Wie aus der Abbildung 1 ersichtlich zeigen sich innerhalb des Untersuchungsgebietes erhebliche Unterschiede in der PFOA-Belastung zwischen den einzelnen Gemeinden bzw. Trinkwasserversorgungsbereichen. Dies ist durch die Dauer und Höhe der zurückliegenden Belastung des Trinkwassers zu erklären. Im Blut von Frauen im gebärfähigen Alter zwischen 18 und 42 Jahren lagen die mittleren PFOA-Konzentrationen im Belastungsgebiet des Landkreises Altötting mit 14 μg/l (Median 11 μg/l) deutlich niedriger als in der Gesamtgruppe. Bei weiteren 33 Personen, die angegeben hatten, in der Vergangenheit in einem PFOA-verarbeitenden Betrieb gearbeitet zu haben, lagen die Gehalte deutlich höher (Mittelwert 42 μg/l, Median: 34 μg/l, 95. Perzentil 103 μg/l). Die PFOA-Gehalte im Blut waren fast durchgehend höher als in einer Vergleichsgruppe aus München und lediglich bei sieben Personen wurde der HBM-I-Wert von 2 μg/l Blut unterschritten.

Das Balkendiagramm zeigt die Verteilungsparameter in den einzelnen Untersuchungsgebieten mit dem 5. bis 95. Perzentil. Bild vergrössern

Abbildung 1: Verteilungsparameter für PFOA in den einzelnen Untersuchungsbereichen
(5., 10., 25., 50., 75., 90. und 95. Perzentil (Das Perzentil ist der Wert, unter dem x % der Ergebnisse liegen.)

Anmerkung

Der HBM-I-Wert, der von der Kommission Human-Biomonitoring am Umweltbundesamt abgeleitet wird, stellt einen lebenslangen Vorsorge- bzw. Zielwert für die Allgemeinbevölkerung jeder Altersgruppe dar. Seine Überschreitung gibt Anlass, den Befund durch weitere Messungen zu kontrollieren, der Ursache für die Erhöhung nachzugehen und die Belastungsquellen unter Wahrung der Verhältnismäßigkeit zu mindern oder zu beheben. Er definiert keine Schwelle zur gesundheitlichen Gefährdung.


Verknüpfung der Werte im Blut mit der zurückliegenden Trinkwasserbelastung

Die Aufnahme von kontaminiertem Trinkwasser stellt in den Belastungsgebieten die wesentliche Aufnahmequelle dar. Vor diesem Hintergrund setzte das LGL die Belastung des Trinkwassers mit den gemessenen Daten der Blutbelastung in Beziehung. An zwei Trinkwasserversorgungsbereichen soll die Verknüpfung beider Untersuchungsmedien beispielhaft gezeigt werden.

Bei der Inn-Salzach-Gruppe, die die Gemeinden Haiming, Marktl, Stammham und Alzgern versorgt, lagen 2007 bis 2009 die PFOA-Konzentrationen bei ca. 0,2 bis 0,4 μg/l, die durch eine Aktivkohlefilterung ab 2010 auf Werte zwischen über 0,001 bis 0,068 μg/l (Mittelwert 0,013 μg/l) gesenkt werden konnte (siehe Abbildung 2). Es zeigte sich, dass die 2009 ergriffenen Trinkwasser-Aufbereitungsmaßnahmen zu einer deutlichen Reduktion der medianen Blutgehalte von ca. 35 μg/l (geschätzt aus der Trinkwasserbelastung) auf 12 μg/l geführt haben. Das Wasserversorgungsgebiet Kastl und Tüßling hat sein Wasser früher aus zwei Brunnen gewonnen, wobei eine Mischung ungefähr im gleichen Verhältnis stattfand (siehe Abbildung 3). Ab Anfang 2017 wurde Brunnen 1 nicht mehr verwendet. Die PFOA-Konzentrationen der Netz- und Brunnenproben (Brunnen 2) lagen bis ca. Mitte 2012 zwischen 0,05 und 0,15 μg/l in einem ähnlichen Bereich. Die aktuellen Blutwerte aus Kastl und Tüßling liegen mit einem Median von 22,3 μg/l relativ hoch und spiegeln noch die höhere Belastung des geschlossenen Brunnens 1 wider. Trotz technischer Maßnahmen der Trinkwasserversorger lagen die Konzentrationen im Trinkwasser noch oberhalb des seit September 2016 gültigen Trinkwasserleitwertes von 0,1 μg/l. Daher wurde auch für diesen Versorgungsbereich eine Aktivkohlefilterung eingesetzt.

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Abbildung 2: Trinkwasserkonzentrationen der Inn-Salzach-Gruppe

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Abbildung 3: Trinkwasserkonzentrationen in Kastl sowie in den Brunnen 1 und 2, Öttinger Forst

Muttermilchuntersuchungen

Im Juni 2018 gaben insgesamt 13 Mütter Muttermilchproben zur Untersuchung ab, in denen das LGL PFOA-Konzentrationen von 0,033 bis 0,854 μg/l (Mittelwert 0,199 μg/l) feststellte. Bei zehn Müttern lagen parallel auch Gehalte im Blut vor (1,7 bis 11,3 μg/l). Im Durchschnitt lagen die Gehalte in der Muttermilch bei ca. 3 % der Konzentrationen im mütterlichen Blut. Die Ergebnisse der Untersuchung wurden im August 2018 veröffentlicht, die individuellen Werte wurden nur den Betroffenen übermittelt. Grundsätzlich ist PFOA in der Muttermilch aus gesundheitlicher Sicht unerwünscht. Muttermilch stellt die optimale Ernährung für den Säugling dar. Stillen schützt das Kind zudem vor Infektionskrankheiten, beugt der Entwicklung von Übergewicht und verschiedenen Krankheiten im späteren Leben vor und fördert die Mutter-Kind-Beziehung. Dies ist in einer Vielzahl von Studien mit hoher Aussagekraft belegt. Zwar sind die PFOA-Gehalte beim ausschließlich gestillten Säugling in den ersten Lebensmonaten höher als bei der Mutter, in der weiteren körperlichen Entwicklung des Säuglings gleicht sich die interne Belastung zwischen Mutter und Kind aber wieder an. Das LGL empfiehlt daher den Müttern, aus gesundheitlicher Sicht aufgrund der zuvor genannten Vorteile in den ersten Lebensmonaten ausschließlich zu stillen.

Zusammenfassung und Ausblick

Im Rahmen des Einsatzes von PFOA in der Fluorpolymerherstellung war es in einem Teil des Landkreises Altötting insbesondere über die Luft zu einer großflächigen Kontamination des Bodens und nachfolgend des Trinkwassers gekommen. Auch in Lebensmitteln wie Fischen aus dem Fluß Alz und Eiern aus Freilandhaltung wurden früher auffällige Konzentrationen beobachtet, während heute Wildscheininnereien und zum Teil auch Wildschweinfleisch noch höhere Werte aufweisen. Im Trinkwasser haben die seit ca. 2009 ergriffenen Maßnahmen (zum Beispiel die Aktivkohlefilterung) dazu geführt, dass die Wasserversorger mittlerweile im gesamten Belastungsgebiet Trinkwasser anbieten, dessen PFOA-Gehalte deutlich unter dem aktuellen Trinkwasserleitwert (abgeleitet für eine lebenslange Aufnahme) liegen.
Im Human-Biomonitoring von Personen aus dem Belastungsgebiet wurden höhere Blutgehalte als in einer Vergleichsgruppe beobachtet, deren Höhe mit der historisch bekannten Trinkwasserbelastung übereinstimmen. Da der Vorsorge- bzw. Zielwert der Kommission Human-Biomonitoring überschritten wurde, sind potenzielle Belastungsquellen weiterhin konsequent zu überwachen und bei erhöhten Werten Maßnahmen einzuleiten. Für Trinkwasser, das die Hauptaufnahmequelle war, wurden bereits umfassende Maßnahmen ergriffen.

Die Untersuchungen von beispielsweise Wildschweinfleisch zeigen aber auch, dass eine weitere Überwachung von Lebensmitteln aus dem Belastungsbereich erforderlich ist, um punktuelle Quellen aufzuspüren. Es ist geplant, in einer Nachuntersuchung die Abnahme der Blutbelastung zu dokumentieren, auch um gegebenenfalls die Maßnahmen anzupassen.

Dieser Fall zeigt aus gesundheitlicher Sicht, dass Umweltkontaminationen nur auf der Basis einer integrativ ausgerichteten Herangehensweise unter Berücksichtigung aller wichtigen Expositionspfade und eines Human-Biomonitorings befriedigend zu bearbeiten sind. Leider fehlen in der wissenschaftlichen Literatur bislang belastbare Daten zur Gesamtaufnahme der allgemeinen Bevölkerung von perfluorierten Alkylsubstanzen wie PFOA insbesondere über den Lebensmittelpfad, was grundsätzlich eine gesundheitliche Risikoabschätzung erschwert.