Histologische Untersuchung von Wurstwaren und Fleischerzeugnissen

Histos = griechisch für Gewebe
Logos = griechisch für Lehre
Histologie = die Lehre von den Geweben

Bevor ein Produkt am LGL "unter die Lupe" genommen wird, erfolgt zunächst eine sogenannte sensorische Untersuchung. Aussehen, Geruch, Geschmack und schon mit bloßem Auge feststellbare Besonderheiten werden kontrolliert und eine gegebenenfalls vorhandene Kennzeichnung überprüft. Im Anschluss werden aus dem Produkt circa zwei mal 2 Zentimeter große Blöcke herausgeschnitten. Diese, werden für die Anfertigung der histologischen Präparate benötigt.

auf einem Schneidbrett befinden sich Reste einer Frikadelle sowie acht etwa zwei mal 2 Zentimeter große aufgereihte Blöcke, die aus der Frikadelle herausgeschnitten wurden.

Abbildung 1: aus einer Frikadelle herausgeschnittene Blöcke für die histologische Untersuchung

Zunächst wird das Probenmaterial etwa 12 bis 24 Stunden in vierprozentigem Formalin fixiert. Die Fixierung ermöglicht es, Abbauvorgänge und Autolyse im Gewebe zu stoppen und so das Material zum Zeitpunkt des Aufbereitens in seinem Erscheinungsbild zu fixieren. Das Schneiden der Proben erfolgt an einem Kryostat - auch Gefriermikrotom genannt. Mit diesem Gerät ist es möglich, Gefrierschnitte der Produkte mit einer Schnittdicke von etwa 10 Mikrometern herzustellen. Die hauchdünnen Schnitte werden auf Objektträger aufgezogen, getrocknet, gefärbt und eingedeckt (das heißt mit einem Deckglas beklebt). Erst jetzt kann das Produkt unter dem Mikroskop betrachtet werden.

Man sieht ein Kryostat oder auch Gefriermikrotom: das Gerät hat ungefähr die Größe und Form eines Pultes.

Abbildung 2: Kryostat oder Gefriermikrotom zum Anfertigen von histologischen Schnitten.

Erläuterung: Oben befindet sich eine etwa 60 mal 50 mal 40 Zentimeter große Kühlkammer mit eine durchsichtigen Scheibe an der Oberseite, die zurückgeschoben werden kann. Die Kühlkammer kann bis maximal minus 50 Grad Celsius heruntergekühlt werden. In dieser Kammer ist ein sogenannter Objekthalter eingebaut, auf den der Probenblock aufgefroren wird. Davor befindet sich der Schneidblock in den eine rasiermesserartige Klinge eingelegt ist. Zum Anfertigen des Schnittes wird der Objekthalter mittels einer Kurbel an der Außenseite des Gerätes hoch und runter bewegt, sodass er am Messer entlang schabt. Bei jedem Hub fährt das Objekt um die eingestellte Schnittdicke näher an das Messer heran (hier etwa 10 Mikrometer). Oben auf dem Messerblock befindet sich eine Art kleine Plexiglasscheibe, der sogenannte Schnittstrecker. Er dient dazu, dass sich der hauchdünne Schnitt nach dem Abschneiden nicht aufrollt sondern zwischen den Schnittstrecker und den Messerblock gleitet und so gestreckt wird. Ist der Schnitt gemacht, kann die kleine Plexiglasscheibe zur Seite geklappt werden, sodass man mit einem Objektträger den Schnitt "abklatschen" kann - fertig.

Das Bild zeigt zwei Objektträger - das sind die kleinen rechteckigen Glasplättchen, auf die der Schnitte aufgeklebt werden. Der rechte Schnitt ist bereits gefärbt und mit einem Deckglas versehen.

Abbildung 3: Fertige, auf Objektträgern aufgezogene Schnitte; links: noch ungefärbter Großschnitt, rechts: gefärbter und eingedeckter kleiner Schnitt - fertig für die mikroskopische Auswertung

Mittels einer histologischen Untersuchung kann einigen Fragestellungen nachgegangen werden, bei denen chemische Analysen an ihre Grenzen stoßen oder gar versagen: So können bestimmte Gewebe (zum Beispiel bestimmte Organe) anhand ihrer unterschiedlichen mikroskopischen Struktur differenziert werden. Dies ist im Hinblick auf die Zusammensetzung eines Produktes wichtig, denn nicht jedes Produkt darf beispielsweise Lunge, Herz oder Niere enthalten. Aus welchen Zutaten eine Wurst bestehen darf, regeln die Leitsätze für Fleisch und Fleischerzeugnisse des Deutschen Lebensmittelbuches. Die Übereinstimmung mit den dort genannten Vorgaben gilt es unter anderem durch eine histologische Untersuchung zu überprüfen.

Das Bild zeigt die fotografische Aufnahme eines Mikroskopbildes in fünfzigfacher Vergrößerung.

Abbildung 4: Lunge und Leber in Leberwurst, HE-Färbung, Vergrößerung: 50fach

Das Bild zeigt die fotografische Aufnahme eines Mikroskopbildes in zweihundertfacher Vergrößerung.

Abbildung 5: Herzgewebe in Kochwurst, HE-Färbung, Vergrößerung: 200fach

Einen weiteren Schwerpunkt stellt der Nachweis von Wiederverarbeitung dar. Der Zusatz von sogenanntem "Rework", das heißt von bereits "fertigen" Würsten zu neuem Brät ist histologisch nachweisbar. Derartige wiederverarbeitete Partikel sind dichter und kompakter als das umliegende "normale" Wurstbrät, was auf die zweimal stattgefundene Erhitzung des Materials zurückzuführen ist.

Das Bild zeigt die fotografische Aufnahme eines Mikroskopbildes

Abbildung 6: Wiener in Eigenhaut, orange = wiederverarbeiteter Partikel, Calleja-Färbung

Um wirtschaftliche Verluste bei der Brühwurstherstellung zu minimieren, ist es üblich, Ausschussware (Platzer, Endstücke von Wurststangen (sogenannte "Kappen") oder Bruchware) von einwandfreier hygienischer Qualität wieder zu verarbeiten. Falls die Wursthüllen vor der Wiederverarbeitung nicht entfernt werden, darf das Rework nur für die Herstellung von Wurstwaren einfacher Qualität und nur in einer Menge von 2 % verwendet werden. Bei Erzeugnissen der Spitzenqualität, die im Handel häufig mit hervorhebenden Hinweisen wie "Spitzen"-, "Delikatess"-, "Ia" oder "ff" in den Verkehr gebracht werden, erwartet der Verbraucher überhaupt keine Wiederverarbeitung von Ausschussware.

Eine Spezialfärbung - die sogenannte Trichromfärbung nach Charvát - ermöglicht es, die äußersten Schichten bereits geräucherter oder gebackener und anschließend wiederverarbeiteter Fleischerzeugnisse im Endprodukt kontrastreich darzustellen. Aber auch in anderen Färbungen fallen wiederverarbeitete Partikel allein durch ihre dichter gepackte Struktur ins Auge.

Das Bild zeigt die fotografische Aufnahme eines Mikroskopbildes in zwanzigfacher Vergrößerung

Abbildung 7: Wiener Würstchen, rot mittig = wiederverarbeiteter Partikel, Trichromfärbung nach Charvát.

Erläuterung: Es handelt sich um einen histologischen Schnitt von einer Brühwurst, die einen Partikel von einer wiederverarbeiteten Brühwurst enthält. Das Brät der Brühwurst wird im histologischen Schnitt in türkiser Farbe dargestellt und weist eine schwammartige Struktur mit zahlreichen, unterschiedlich großen Hohlräumen auf. Durch das spezielle Färbeverfahren werden die Rauch enthaltenden Teile der wieder verarbeiteten Brühwurst (Wursthülle und direkt darunter liegendes Wurstbrät) rot gefärbt. Die Wursthülle und das direkt darunter liegende Wurstbrät in roter Farbe sind deshalb als dünne, längliche Begrenzung des wieder verarbeiteten Partikels optisch deutlich von dem türkisfarbenen Brät abgegrenzt. Der histologische Schnitt wurde mittels eines Mikrotoms (Schneidegerät zur Herstellung hauchdünner Flächenschnitte) von einem Stück Brühwurst abgeschnitten, auf ein Objektträgerglas aufgezogen, fixiert und mit einem speziellen Färbeverfahren nach Charvát gefärbt.

Mittels der sogenannten Alizarin-S-Färbung können kleinste Knochenpartikel angefärbt und kontrastreich zum umliegenden Gewebe dargestellt werden. Derartige Knochenpartikel können - je nach vorgefundener Menge - ein Hinweis auf die Verwendung von Separatorenfleisch sein. Die winzigen Knochensplitter treten bei der Gewinnung von Separatorenfleisch auf, jedoch weist durch moderne, schonende Gewinnungsmethoden ereugtes Separatorenfleisch nicht mehr so hohe Knochensplittergehalte auf wie noch vor einigen Jahren. Dies hat zur Folge, dass aufgrund des histologischen Befundes oft nur ein Verdacht geäußert werden kann und den endgültigen Beweis muss in diesem Fall der Lebensmittelüberwachungsbeamte durch die Überprüfung der Ausgangsmaterialien sowie des Herstellungsprozesses im Betrieb erbringen.

Das Bild zeigt wieder eine fotografische Aufnahme eines Mikroskopbildes, diesmal in hundertfacher Vergrößerung.

Abbildung 8: Knochenpartikel (rot) in Geflügel-Brühwurst, Alizarin-S-Färbung, 100fache Vergrößerung

Erläuterung: Das Wurstbrät stellt sich in dieser Färbung helltürkis dar, der Knochenpartikel hingegen erscheint rot.

 Das Bild zeigt wieder eine fotografische Aufnahme eines Mikroskopbildes in hundertfacher Vergrößerung

Abbildung 9: Knochenpartikel (rot) in Döner Kebap, Alizarin-S-Färbung, 100fache Vergrößerung

Erläuterung: Diese Aufnahme sieht ganz ähnlich aus wie die vorherige, nur dass sich der rote Knochenpartikel nicht in einer schwammartigen Brätstruktur befindet, sondern sich rechts im Bild Muskelfaserteile und links im Bild Bindegewebe befindet, weil es sich nicht um Brühwurst sondern um einen Döner Kebap handelt.

Eine häufige Fragestellung in der Lebensmittelhistologie beschäftigt sich mit dem Anteil an Brät bzw. Abrieb von Produkten, das heißt mit dem Anteil an fein zerkleinertem Fleisch, welches für den Verbraucher mit dem bloßen Auge im Produkt "brühwurstartig" erscheint. Bei Erzeugnissen aus gewolftem Fleisch, wie etwa Frikadellen, Hamburger oder Fleischbällchen, ist ein Zusatz von Brät (so wie es beispielsweise für die Brühwurstherstellung verwendet wird) nicht üblich. Es kann jedoch bei der Herstellung zu Abrieb kommen: Durch das Wolfen wird die Oberfläche des Fleisches mechanisch derart beansprucht, dass dieser Anteil nach dem Erhitzen genauso aussieht wie erhitztes Brühwurstbrät. Der Anteil an Abrieb darf jedoch gemäß den Leitsätzen für Fleisch und Fleischerzeugnisse des Deutschen Lebensmittelbuches 20 Volumenprozent nicht übersteigen. Auch für Formfleischerzeugnisse ist der brätartige Anteil mit 5 Volumenprozent (bzw. 10 Volumenprozent für Geflügelformfleischerzeugnisse) in den Leitsätzen geregelt.

Man sieht wieder eine fotografische Aufnahme eines Mikroskopbildes in zwanzigfacher Vergrößerung.

Abbildung 10: softwaregestützte planimetrische Messung des brätartigen Anteils in Formschinken, HE-Färbung, 20fache Vergrößerung

Erläuterung: Ein amorpher, ähnlich wie Brühwurstbrät aussehender Bereich erstreckt sich zwischen Bereichen von Muskelfaserzellen und Fett. Er wird durch eine mit einer speziellen Software gezogenen Linie umrissen. Die Software ermittelt sodann automatische den Flächeninhalt des markierten Bereichs und zeigt diesen im Bild in Quadratmikrometer an.

Weiterhin können mittels histologischer Untersuchungsverfahren auch pflanzliche Eiweißzubereitungen wie etwa Weizen-, Erbsen- oder Mykoprotein (aus Pilzen gewonnenes Eiweiß), Verdickungsmittel, hochmolekulare Bindegewebshydrolysate oder Pflanzenfasern nachgewiesen werden.

Man sieht wieder eine fotografische Aufnahme eines Mikroskopbildes in fünfzigfacher Vergrößerung.

Abbildung 11: Kochschinken, mit Moulinette vorzerkleinert, Pflanzlicher Protein-Flake (rosa Pfeile) mit darin enthaltenen, sich zart rosa anfärbenden pflanzlichen Kohlehydraten (blaue Pfeile), Färbung nach Bauer & Calleja, Vergrößerung: 50fach

Erläuterung: Das Foto zeigt aufgrund der stattgefundenen Vorzerkleinerung ein Durcheinander von Muskelfaserteilen, Bindegewebe und Fettzellen. In der Mitte kann man jedoch einen zusammenhängenden schwammigen Partikel sehen, der wiederum zwei zartrosa Einschlüsse zeigt. Bei dem zusammenhängenden Partikel handelt es sich um pflanzliches Protein, das in Flockenform zugesetzt wird. Typischerweise enthalten pflanzliche Proteine noch Kohlenhydratreste, die nicht vollständig aus diesen Proteinpräparaten herausgereinigt werden können und sich in dieser Färbung zartrosa darstellen.

fotografische Aufnahme eines Mikroskopbildes

Abbildung 12: Zwiebelmettwurst, blau = Verdickungsmittel Alcianblau-Färbung bei pH 2,5 Vergrößerung: 20fach

Erläuterung: In dieser fotografischen Aufnahme eines Mikroskopbildes sieht man wieder hauptsächlich Muskelfaserteile und Fettzellen, die sich in dieser Spezialfärbung rosa zeigen. Dazwischen sind hellblaue Punkte und Schlieren zu beobachten, welche angefärbtes Verdickungsmittel darstellen.

fotografische Aufnahme eines Mikroskopbildes

Abbildung 13: Kochschinken, grün = hochmolekulares Bindegewebshydrolysat Calleja-Färbung

Erläuterung: Hier handelt es sich um einen Schnitt eines Kochschinkens. Das Auffällige ist eine wolkige, schlierige Struktur zwischen andersfarbigen Muskelfaseranschnitten. Bei dieser Struktur handelt es sich um ein Bindegewebshydrolysat, welches mit der Pökellake in den Schinken injiziert wurde und das sich in dieser speziellen Bindegewebsfärbung wie gerade beschrieben darstellen lässt.

Bild einer polarisationsoptische Aufnahme

Abbildung 14: Weizenhalmfasern, nach Extraktion aus Brühwurst, Polarisation, Vergrößerung: 100fach

Erläuterung: Im Gegensatz zu den anderen Bildern handelt es sich hier um eine polarisationsoptische Aufnahme, das heißt das Bild ist schwarz und nur polarisierende Strukturen erscheinen hell vor dem dunklen Hintergrund. In dieser Aufnahme kann man mehrere fädige Strukturen von hellblau bis gelblich erkennen, es handelt sich hierbei um Weizenhalmfasern.

Bei Trüffelenthaltenden Fleischerzeugnissen wie zum Beispiel Trüffelleberwurst oder Trüffelleberpastete können anhand der Form, Anzahl und Anordnung der Trüffelsporen im Trüffel verschiedene Trüffelarten unterschieden werden.

fotografische Aufnahme eines Mikroskopbildes

Abbildung 15: Sporen von Tuber indicum (Chinesischer Trüffel), Sporenmaße: 25-48 x 18-28 µm

Erläuterung: Auf dieser mikroskopischen Aufnahme sieht man Trüffelsporen, die sich oval bis rund - je nach Ebene in der sie angeschnitten wurden - darstellen. An ihrer Außenseite lassen sich eine Art Stacheln erkennen. Das Abbildung ist relativ voll von Sporen, nur zwischen ihnen hindurch zieht sich ein netzartiges Gerüst, das Trüffelgewebe.

fotografische Aufnahme eines Mikroskopbildes

Abbildung 16: Formtrüffel auf der Basis von Wintertrüffeln (Tuber brumale), enthält nur wenige Sporen

Erläuterung: Dieser mikroskopischen Aufnahme ähnelt der zuvor, sie ist lediglich in einer kleineren Vergrößerung aufgenommen. Jedoch finden sich nur ab und zu Trüffelsporen im Netz, das weist darauf hin, dass es sich um einen Formtrüffel handelt in dem nur geringe Anteile echten Trüffels verarbeitet wurden.

Auch "Fremdkörper aller Art" in Lebensmitteln können Gegenstand der histologischen Analyse sein. Herauszufinden, um welche Art von Material es sich handelt, ist meist nur mittels mikroskopischer (Vor-)Untersuchung möglich. So können beispielsweise Haare anhand ihres Strukturaufbaus identifiziert, künstliche von natürlichen Wursthüllen unterschieden und unidentifizierbare Gewebe bestimmten Organen oder Materialien zugeordnet werden.

Diese mikroskopische Aufnahme zeigt ein menschliches Kopfhaar in hundertfacher Vergrößerung.

Abbildung 17: menschliches Kopfhaar mit geschnittener Spitze, Durchmesser 70 µm nativ, Vergrößerung:100fach

Erläuterung: Eine gerade abgeschnittene Spitze ist ein Indiz dafür, dass es sich um ein Kopfhaar handelt. In der Mitte ist die sogenannte Medulla (Haarmark) als mehr oder weniger unterbrochene dunkle Linie zu erkennen.