Transglutaminase in Rohschinken

Transglutaminase ist ein Enzym, das in fast allen höheren Organismen anzutreffen ist, so produziert auch der Mensch selbst verschiedene Transglutaminasen. Es katalysiert chemische Reaktionen bei intra- bzw. intermolekularen Vernetzungen von Proteinen durch Ausbildung einer Isopeptidbindung. Im menschlichen Organismus sind acht verschiedene Transglutaminasen bekannt, ihre Funktionen sind sehr vielfältig und reichen von der Blutgerinnung bis hin zum Gewebeaufbau.

Die in der Lebensmittelindustrie verwendete Transglutaminase ist bakterieller Herkunft und kommt dort bei der Herstellung von Fleischwaren, Fisch- und Milchprodukten zum Einsatz. Diese Transglutaminase wird aus dem Bakterium Streptomyces mobaraensis gewonnen und bewirkt eine Quervernetzung der lebensmitteleigenen Proteine, wodurch die Textur des Lebensmittels stabiler wird.

Bei der Fleischwarenproduktion wird diese Technologie in der Brühwurst- und Kochschinkenherstellung eingesetzt, beispielsweise um bei Würstchen einen knackigeren Biss oder bei aufgeschnittenem Kochschinken einen besseren Scheibenzusammenhalt zu erzielen.

Transglutaminasen sind wie die meisten Enzyme hitzeempfindlich und werden durch den Erhitzungsprozess bei der Brühwurst- oder Kochschinkenherstellung inaktiviert. Aber auch in rohen Produkten wie Rohschinken oder Rouladen sind sie im Endprodukt nicht mehr aktiv, da sich die Transglutaminasen im Zuge ihrer technologischen Wirkung erschöpfen.

Zwar ist der direkte Nachweis von Transglutaminasen im Endprodukt nicht möglich, jedoch kann ihr Einsatz anhand der makroskopischen und mikroskopischen Beschaffenheit bei Rohschinken durchaus erkannt werden (siehe Abbildungen 1 und 2). Im Labor des LGL erfolgt die Betrachtung dieser Produkte auf einem Leuchttisch, der eine deutliche Abgrenzung der einzelnen Fleischstücke ermöglicht. Zusätzlich erfolgt bei Bedarf eine histologische Untersuchung, um die Stellen zu erkennen, an denen die Muskelstücke zusammengesetzt wurden.

 Abbildung einer Nuss-Schinken-Scheibe, mit illustrierenden Pfeilen

Abbildung 1: Nuss-Schinken, aus mehreren Muskelfleischstücken zusammengesetzt

"Nahtstellen" deutlich sichtbar (Pfeile), mittels Transglutaminase hergestellt; irreführend lediglich als "Nuss-Schinken" gekennzeichnet

 mikroskopische Aufnahme einer Klebestelle

Abbildung 2: "Klebestelle" (mittig, etwas verwaschene Struktur) eines mittels Transglutaminase zusammengefügten Nuss-Schinkens unter dem Mikroskop, Calleja-Färbung, 20-fache Vergrößerung

Fleischstücke können beispielsweise auch durch Stärke, tierisches Eiweiß, Verdickungsmittel (zum Beispiel Hydrokolloide wie Alginat) oder sogar Käse zusammengesetzt werden (siehe Abbildung 3). Derartig zusammengefügte Erzeugnisse sind als "Formfleischprodukte" oder gegebenenfalls als sogenannte "Aliuds" (Produkte eigener Art) einzustufen und dementsprechend zu kennzeichnen.

Stärke und Verdickungsmittel können sowohl histologisch als auch chemisch, tierische Eiweiße mittels immunenzymatischer Methoden nachgewiesen werden. Die für den Zusammenhalt der Fleischstücke verwendeten Stoffe sind im Zutatenverzeichnis zu deklarieren. Auf der diesjährigen Lemgoer Lebensmittelrechtstagung am 12. April waren sich die Experten einig, dass Transglutaminase im Zutatenverzeichnis kennzeichnungspflichtig ist.

 Foto einer Schweinefleischschnitte

Abbildung 3: korrekt gekennzeichnet als "Schweinefleischschnitte aus Schweinefleischteilen zusammengefügt unter Verwendung pflanzlicher Bindemittel und Trinkwasser"; hierbei wurde Alginat eingesetzt

Welche Anforderungen muss ein echter Rohschinken erfüllen?

Zu den Anforderungen an die übliche Beschaffenheit von Rohschinken geben die Leitsätze für Fleisch und Fleischerzeugnisse des Deutschen Lebensmittelbuches Auskunft:

Rohschinken werden aus dem Schlegel vom Schwein oder Teilen davon hergestellt; die Verwendung der entsprechenden Teile anderer Tierarten wird gekennzeichnet, zum Beispiel Rinderschinken.

Nussschinken besteht aus den Muskeln des Kniestreckers (als Nuss, Maus oder Kugel bezeichnet), dem noch die Kniescheibe anhaften kann.

Lachsschinken wird aus der langen Rückenmuskulatur vom Schwein (Musculus longissimus dorsi) hergestellt.

Puten-Lachsschinken wird aus Putenbrustmuskulatur hergestellt. Zur Vermeidung einer Verwechslung von Formfleischerzeugnissen mit vergleichbaren Erzeugnissen aus gewachsenem Fleisch wird in der Verkehrsbezeichnung das Wort "Formfleisch-" vorangestellt und außerdem in unmittelbarer Verbindung mit der Verkehrsbezeichnung und in gleicher Schriftgröße darauf hingewiesen, dass Fleischstücke zusammengesetzt sind (zum Beispiel "Formfleisch-Schinken, aus Schinkenstücken zusammengefügt").

Wie kann ich als Verbraucher diese "zusammengesetzten Formfleisch-Produkte" erkennen?

Auch ohne aufwendige Analytik im Labor kann der aufmerksame Verbraucher derartige Rohschinken - vielmehr Formfleisch-Rohschinken erkennen:

Betrachtet man eine Scheibe (Formfleisch-)Rohschinken genauer oder hält sie sogar gegen das Licht, ist deutlich erkennbar, ob sie sich aus einem oder mehreren Muskelfleischteilen zusammensetzt. Im Falle des "Formfleisch-Schinkens" ist der Faserverlauf der Muskulatur in jedem Fleischstückchen ein anderer und auch die "Nahtstellen" sind bei genauem Hinsehen deutlich erkennbar (siehe Abbildung 4). Findet man in einem Rohschinken viele kleine Muskelstücke die zu einem großen Stück zusammengefügt sind, so handelt es sich um ein "Formfleischerzeugnis", das auch als solches zu kennzeichnen ist.

 Foto von irreführend als „Putenlachsschinken“ gekennzeichneten Schinkenscheiben

Abbildung 4: irreführend als "Putenlachsschinken" gekennzeichnet, aus mehreren Fleischteilen mittels Transglutaminase zusammengefügt, diverse Einzelstücke deutlich erkennbar

 Foto von irreführend als „Putenlachsschinken“ gekennzeichneten Schinkenscheiben

Abbildung 5: echter "Lachsschinken" vom Schwein, erkennbar aus einem Muskelstück wie gewachsen (der Abdruck auf der Scheibe rührt von der in der SB-Packung oben aufliegenden nächsten Scheibe her)

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