Hepatitis B und Hepatitis D

Erreger

Das Hepatitis-B-Virus (HBV) gehört als behülltes DNA-Virus zur Familie der Hepadnaviridae. Es sind neun verschiedene Genotypen (A–I) und zahlreiche Subgenotypen bekannt, deren geographische Verbreitung unterschiedlich ist. Die Genotypen A2 und D sind in Europa vorherrschend. Das Virus ist für ein behülltes Virus vergleichsweise stabil gegenüber Umwelteinflüssen und verfügt über eine relativ hohe Tenazität gegenüber Desinfektionsmitteln.

Das Hepatitis D Virus (HDV) gehört als einziger Vertreter zur Gattung Deltavirus.

Bisher sind 8 Genotypen mit unterschiedlicher Verbreitung bekannt, wobei der Genotyp 1 in Europa vorherrscht. Zur Bildung infektiöser Viruspartikel benötigt das HDV in der infizierten Leberzelle die Hüllproteine des HBV. Somit ist die Infektion mit dem HDV nur bei einer gleichzeitig bestehenden (akuten oder chronischen) HBV-Infektion möglich.

Vorkommen

Hepatitis B ist eine der häufigsten Infektionskrankheiten weltweit. Nach Angaben der WHO haben etwa 2 Milliarden Menschen eine Hepatitis-B-Virus-Infektion durchgemacht oder durchlaufen aktuell eine Infektion. Ca. 3% der Weltbevölkerung leiden an einer chronischen Hepatitis-B-Erkrankung.

Hochendemieregionen sind Subsahara- und Westafrika sowie Südostasien und die Mongolei mit einer Prävalenz von über 8% an chronischer Hepatitis-B-Infizierten in der Bevölkerung. Als intermediäre Hepatitis-B-Gebiete (Prävalenz 2 - 7%) gelten aktuell Russland, Teile Nordafrikas, der nordwestliche Teil Südamerikas sowie das übrige Asien, der Nahe Osten und in Europa Teile des Balkans sowie Italien. In Westeuropa, Nord-Amerika, Australien und den größten Teilen Südamerikas sind dagegen weniger als 2% der Allgemeinbevölkerung chronisch infiziert.

Deutschland zählt zu den Ländern mit relativ niedriger Verbreitung der akuten und chronischen Hepatitis B; nach Erhebungen des Robert Koch-Institutes sind 0,3% der Allgemeinbevölkerung betroffen. Seit 2010 steigt jedoch die jährliche Zahl der Hepatitis-B-Neuinfektionen in Bayern und deutschlandweit.

In den Jahren 2015 und 2019 ist die Zahl der Hepatitis-B-Fälle in Deutschland und Bayern stark angestiegen. Im Jahr 2015 wurde die Hepatitis-B-Falldefinition erweitert, um Fälle ohne typisches klinisches Bild einzubeziehen. Zudem gab es einen Zustrom von Asylbewerbenden nach Deutschland (die alle bei ihrer Ankunft systematisch auf Hepatitis B untersucht werden). Beides trug wahrscheinlich zum ersten Anstieg bei. Im Jahr 2019 wurde die HBV-Referenzdefinition erweitert, um chronische Fälle in die Meldung der jährlichen HBV-Infektionen einzubeziehen, was wahrscheinlich zum zweiten Anstieg beigetragen hat.

Im Jahr 2020 kam es, vermutlich durch die Corona Pandemie, zu einem deutlichen Rückgang der Neuinfektionen mit Hepatitis B.

Im Jahr 2022 jedoch überstieg die Zahl der HBV-Neuinfektionen das präpandemische Niveau. Dieser Anstieg ist auch in der ersten Hälfte 2023 zu sehen. Einer der Gründe könnte in der Erweiterung des Beschlusses des Gemeinsamen Bundesausschusses liegen, wonach Versicherte, die das 35. Lebensjahr vollendet haben, im Rahmen der Inanspruchnahme einer allgemeinen Gesundheitsuntersuchung einmalig Anspruch auf ein Screening auf Hepatitis-B und Hepatitis-C-Virusinfektion haben (Check-Up 35).

Weltweit sind etwa mehr als 15 bis 20 Millionen Menschen (WHO 2018) mit dem Hepatitis D Virus infiziert. In Endemiegebieten, wie dem mediterranen Raum, Afrika, Asien und Osteuropa, erfolgt die Übertragung unter HBV-Trägern eher via engem persönlichen Kontakt. Deutschland gehört zu den Niedrigprävalenzländern mit wenig HDV-Neuinfektionen. Ca. 5 % der HBV-Träger (d. h. positiv für HBs-Ag, dem HBV-Oberflächen-Protein der Hülle) weisen Antikörper gegen das HDV auf, wobei intravenöser Drogenabusus und Personen aus Endemiegebieten überproportional vertreten sind (Epidemiologisches Bulletin 30/31 2020, Schüttler, 2020). Schätzungsweise kann von 10.000 bis 30.000 HDV-Patienten in Deutschland ausgegangen werden (Wedemeyer, 2007).

Die Anzahl der in Bayern jährlich übermittelten HDV-Fälle die die Referenzdefinition erfüllen befindet sich im niedrigen zweistelligen Bereich (ca. 10-20 Fälle).

Krankheitsbild

Der Verlauf einer HBV-Erkrankung ist nicht bei allen Menschen gleich und wird hinsichtlich seiner symptomatischen Ausprägung vorwiegend durch die Immunabwehr des Infizierten als Reaktion auf das HBV in den infizierten Leberzellen, nicht durch das Virus selbst, beeinflusst. Mögliche Krankheitssymptome sind Oberbauchbeschwerden, Appetitlosigkeit, Übelkeit, Erbrechen, Müdigkeit oder Gelbsucht (gelb verfärbte Augen, gelb verfärbte Haut und Schleimhäute). Es ist aber auch möglich, dass gar keine Beschwerden auftreten.

Die akute Infektion heilt zumeist aus, in etwa zehn Prozent der Krankheitsfälle kommt es jedoch zu einer chronischen Leberentzündung. Durch diese wird die Leber zunehmend zerstört, was zu einer narbigen Schrumpfung (Zirrhose) der Leber und in einigen Fällen auch zur Entwicklung von Leberkrebs (hepatozelluläres Karzinom) führen kann. 0,5 - 1% aller Infektionen können zu einem akuten Leberversagen führen. Unter Immunsuppression kann es zu einer Reaktivierung und damit erneuten Vermehrung des HBV in den Leberzellen kommen, was auch nach einer ausgeheilten HBV-Infektion geschehen kann. In der Folge kann es nach Wiederherstellung bzw. Erholung des Immunsystems (z.B. i.R. einer Stammzelltransplantation oder nach einer Chemotherapie) dann zu einer besonders schwer verlaufenden Leberentzündung (fulminante Hepatitis) kommen.

Die Übertragung des HBV kann als Simultaninfektion (zeitgleiche Infektion mit HDV und HBV) oder als spätere HDV-Superinfektion bei vorbestehender HBV-Infektion erfolgen. Tendenziell zeigt die Simultaninfektion einen milderen Verlauf und lässt sich häufig klinisch nicht von einer akuten HBV-Monoinfektion unterscheiden, wobei die Verläufe von akut ausgeprägt bis symptomlos reichen können. Bei 90 % der HDV-HBV-Simultaninfektionen ist das Risiko für einen chronischen Verlauf nicht höher als bei der HBV-Monoinfektion.

Im Gegensatz dazu tritt bei der HDV-Superinfektion eine ausgeprägte akute Leberentzündung auf, die in 60-70% in einen schweren chronischen Verlauf übergeht ( Schüttler, 2020). Verläufe ohne Krankheitssymptome oder gar eine spontane Ausheilung werden bei der HDV-Superinfektion selten beobachtet. Im Vergleich zur HBV-Monoinfektion tritt bei der chronischen HBV-HDV-Koinfektion bereits 10 -15 Jahren früher die Leberzirrhose ein, das Risiko für ein hepatozelluläres Karzinom ist erhöht, und die 5-Jahres-Sterblichkeit von Leberzirrhose-Erkrankten bedingt durch HDV verdoppelt sich.

Übertragungswege

Sowohl die akute als auch die chronische Form der Hepatitis B können ansteckend sein und eine Quelle für eine Übertragung der Hepatitis B auf einen anderen Menschen darstellen. Die Übertragung erfolgt von Mensch zu Mensch am häufigsten über Blut oder beim Geschlechtsverkehr, seltener auch über andere Körperflüssigkeiten.

Hepatitis-B-Viren können im Blut – besonders in der Frühphase der Infektion – hohe Konzentrationen erreichen. Im Einzelfall kann das Virus bereits durch kleinste Mengen Blut übertragen werden, wenn es über – auch geringfügige – Verletzungen der Haut oder Schleimhaut in den Körper gelangt. Es ist zudem in Speichel, Tränenflüssigkeit, Sperma, Vaginalsekret, Menstrualblut und Kolostrum enthalten, wenngleich in wesentlich geringeren Konzentrationen.

Geschlechtsverkehr: Ist ein sehr häufiger Übertragungsweg des Hepatitis-B-Virus. Das sexuelle Übertragungsrisiko kann durch Verwendung von Kondomen weitgehend reduziert werden.

Kontakt zu Hepatitis-B-Virus-haltigem Blut: Zum Beispiel bei Kontakt zu blutenden Verletzungen, gemeinsamer Verwendung von Nagelscheren, Rasiermessern, Rasierapparaten oder Zahnbürsten, unhygienische Blutzuckermessungen (beispielweise Anwendung von Stechhilfen bei mehreren Personen).

Infektion bei der Geburt: Eine Mutter mit einer Hepatitis-B-Infektion kann während der Geburt ihr Kind durch Blutkontakt infizieren.

Tätowierungen, Akupunktur und Ohrlochstechen: Bei unhygienischer Durchführung kann ebenfalls das Hepatitis-B-Virus übertragen werden.
Drogengebrauch: Eine sehr wichtige Gruppe mit erhöhter Gefährdung für eine Infektion mit Hepatitis B stellen Personen mit injizierendem Drogengebrauch dar. Für das hohe Hepatitis-B-Übertragungsrisiko bei Drogengebrauch ist in besonderem Maße der Spritzen- und Kanülentausch, deren Mehrfachnutzung sowie gemeinsame Nutzung anderen Zubehörs ohne ausreichende Desinfektion/Sterilisation von Bedeutung.

Drogengebrauch: Eine sehr wichtige Gruppe mit erhöhter Gefährdung für eine Infektion mit Hepatitis B stellen Personen mit injizierendem Drogengebrauch dar. Für das hohe Hepatitis-B-Übertragungsrisiko bei Drogengebrauch ist in besonderem Maße der Spritzen- und Kanülentausch, deren Mehrfachnutzung sowie gemeinsame Nutzung anderen Zubehörs ohne ausreichende Desinfektion/Sterilisation von Bedeutung.

Die Übertragungswege des HDV sind potentiell die gleichen wie beim HBV. In Deutschland erfolgt jedoch die Übertragung von HDV hauptsächlich von Mensch zu Mensch über Kontakt mit infiziertem Blut (Drogenabusus!), Blutprodukten und infizierten Körperflüssigkeiten und eher seltener durch Geschlechtsverkehr (Übertragungsweg eher in Endemiegebieten!).

Diagnostik

Da sich die Symptomatik der verschiedenen Hepatitisvirus-Infektionen nicht unterscheidet, können in der Differenzialdiagnostik auch HAV, HCV HEV in Betracht gezogen werden. Der erste Schritt wäre die Bestimmung erhöhter Serumwerte der Transaminassen und zusätzlich spezifische infektionsserologische Parameter. Anhand dieser Ergebnisse ist die Unterscheidung zwischen Impfstatus, klinisch ausgeheilten Infektion oder einer noch akute bestehenden Hepatitis B möglich.
Da die HDV-Infektion eine aktive HBV-Infektion, (d. h. auch keine ausgeheilte HBV-Infektion!) voraussetzt, wird primär die aktive HBV-Infektion bestätigt, und dann erst erfolgt die HDV-Diagnostik (Anti-HDV-Immunglobulin(Ig)G und- IgM bzw. HDV-RNA-PCR).

Am Bayerischen Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) können HBs-Antigen, HBe-Antigen, anti-HBs, anti-HBe, anti-HBc, anti-HBc IgM und HBV-DNA nachgewiesen werden. Details zur Probenbehandlung und –Einsendung finden Sie im Leistungsverzeichnis. Weitere Diagnostik (anti-HDV-IgM, anti-HDV-IgG, HDV-RNA-PCR) und Spezialdiagnostik wie z.B. Sequenzierungen, sind am Nationalen Referenzzentrum für HBV und HDV verfügbar.

Behandlung und Schutzmöglichkeiten

Die Medizin hat in den letzten Jahren große Fortschritte gemacht, was die Behandlungsmöglichkeiten der HBV-Infektion betrifft. Ob eine Behandlung der Hepatitis B und ggf. Hepatitis D notwendig ist und wie sie im Einzelfall konkret aussieht, wird individuell und abhängig von den Untersuchungsergebnissen ärztlich entschieden.

Mit der erfolgreichen Impfung gegen Hepatitis B ist man verlässlich vor einer HBV- und damit auch HDV-Infektion geschützt. Für Kinder besteht eine allgemeine Impfempfehlung der Ständigen Impfkommission (STIKO). Weiter empfiehlt die STIKO für Erwachsene eine Impfung bei entsprechender Indikation (z. B. für HIV-Positive, Dialysepatientinnen und Dialysepatienten, Kontaktpersonen zu einer Hepatitis B (und ggf. Hepatitis D) erkrankten Personen in Familie/Wohngemeinschaft, Personen mit Sexualverhalten mit hohem Infektionsrisiko wie z. B. Männer, die Sex mit Männern haben sowie für Personal von medizinischen Einrichtungen und Ersthelfer und Ersthelferinnen). Für alle Mitarbeitenden im Gesundheitswesen sollte auch der Erfolg der Impfung nachgewiesen werden. Betroffene sollten sich für eine individuelle Risikobeurteilung an ärztliches Personal wenden.

Empfehlungen zum Infektionsschutz

Bei alltäglichen sozialen Kontakten mit Hepatitis-B- und ggf. D-Infizierten (wie Händeschütteln, Gespräche) besteht in der Regel keine Ansteckungsgefahr für Dritte. Personen mit einer aktiven HBV-Infektion bzw, HDV-HBV-Ko-Infektion sollten sich stets so verhalten, dass andere Personen nicht gefährdet werden.

Das Übertragungsrisiko innerhalb der Familie oder im Freundeskreis ist abhängig von der aktuellen Viruslast der infizierten Person, kann aber bei Einhaltung allgemein üblicher häuslicher Hygiene als gering eingeschätzt werden. Die gemeinsame Benutzung von z. B. Nagelscheren, Zahnbürsten oder Rasierapparaten sowie ungeschützte Blutkontakte sollten dennoch vermieden werden. Personen mit einer aktiven HBV-Infektion bzw, HDV-HBV-Ko-Iinfektion sollten konsequent Kondome verwenden.

Bei Verdacht auf eine Übertragung des Hepatitis-B-Virus und ggf. Hepatitis-D-Virus auf nicht immune Personen sollte unverzüglich eine postexpositionelle Hepatitis-B-Prophylaxe gemäß den RKI- Empfehlungen der STIKO erfolgen. Diese schützt auch vor einer möglichen HDV-HBV-Ko-Iinfektion.

Familienangehörige und Lebenspartner von Hepatitis-B- und ggf. Hepatitis D-infizierten Personen sollten unbedingt geimpft sein und der HBV-Impferfolg serologisch überprüft werden.

Bei ärztlichen Eingriffen und Behandlungen genügen die routinemäßig erforderlichen Hygienemaßnahmen (z.B. Desinfektion der patientennahen Flächen und die sachgerechte Aufbereitung der verwendeten Medizinprodukte). Weitere Informationen finden Sie auch unter dem Link https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/Krankenhaushygiene/ThemenAZ/H/Hyg_blutuebertr_Erreger.html Im Bereich der Dialyse wird auf die Hygieneleitlinie zum Dialysestandard 2006 verwiesen.

Unter Beachtung der üblichen Hygienemaßnahmen können HBsAg-Träger prinzipiell Gemeinschaftseinrichtungen gemäß § 33 IfSG (z.B. Kindergärten, Schulen, Heime) besuchen bzw. Tätigkeiten ausüben, wenn von ihnen keine Infektionsgefährdung ausgeht. Empfohlen wird, alle Gruppenmitglieder und Beschäftigte gemäß den Empfehlungen der STIKO aktiv gegen HBV zu immunisieren.

Aktuelle Zahlen

Informationen zu den aktuellen Meldezahlen in Bayern finden unter dem Link zu der LGL-Internetseite „Aktuelle Statistik ausgewählter meldepflichtiger Krankheiten in Bayern". Eine Übersicht der meldepflichtigen Infektionskrankheiten der vergangenen Jahre in Bayern finden Sie unter dem Link zu folgender LGL-Internetseite „Meldepflichtige Infektionserkrankungen – Daten der vergangenen Jahre".

Gesetzliche Grundlage

Dem Gesundheitsamt wird gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) der Krankheitsverdacht, die Erkrankung sowie der Tod an akuter Virushepatitis sowie gemäß § 7 Abs. 1 IfSG alle Nachweise von Hepatitis-B-Virus und Hepatitis-D-Virus namentlich gemeldet.
Die Meldepflicht besteht unabhängig vom klinischen Bild und Infektionsstadium.
Keine Meldepflicht besteht danach:

  • beim alleinigen Nachweis von Anti HBs (spricht für das Vorhandensein von Antikörpern aufgrund einer Impfung)
  • bei Vorliegen indirekter Erregernachweise und negativem direktem Erregernachweis (ausgeheilte Hepatitis-B-Infektion).

Die Meldungen müssen dem Gesundheitsamt spätestens 24 Stunden nach erlangter Kenntnis vorliegen.

In § 8 IfSG werden die zur Meldung verpflichteten Personen benannt (Link https://www.gesetze-im-internet.de/ifsg/__8.html). In § 9 IfSG ist festgelegt, welche Angaben die namentliche Meldung an das Gesundheitsamt enthalten darf ( Link https://www.gesetze-im-internet.de/ifsg/__9.html).

Quellenangaben

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