Probleme bei Haltungssystemen für Legehennen

Signet Jahresbericht 2021/22

Abstract

In Haltungssystemen für Legehennen verschiedener Hersteller bestehen regelmäßig Unklarheiten bezüglich der Anrechnung von Haltungseinrichtungen. Die Bereiche Sitzstangenanordnung, Design, korrekte Berechnung der Sitzstangenlänge und Nestangebot sind besonders häufig betroffen und haben unmittelbare Auswirkungen auf die zulässige Besatzdichte. So müssen z.B. gemäß Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung für jede Henne 15 cm Sitzstange zur Verfügung stehen. Sind Sitzstangen nicht zum Sitzen geeignet, können diese Bereiche nicht als Sitzstangen angerechnet werden, so dass weniger Tiere eingestallt werden dürfen. Davon betroffen sind neben Großanlagen auch die kleineren, als besonders tierfreundlich geltenden Mobilstallhaltungen, die sich immer größerer Beliebtheit erfreuen. Die rein rechnerische Einhaltung der gesetzlichen Mindestanforderungen kann zu Situationen führen, in denen die erforderlichen Stallstrukturen zwar in das Gebäude eingebaut werden, die Hennen diese jedoch nicht tatsächlich nutzen können und/oder diese ein erhebliches Verletzungspotenzial bergen.

Hintergrund

Für die Haltung von Legehennen ist u. a. die Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung relevant, die konkrete Anforderungen zur verhaltensgerechten Unterbringung und zur Sicherheit der Haltungseinrichtungen enthält. Konkrete Forderungen betreffen u. a. die Länge der Sitzstange, die pro Henne zur Verfügung stehen muss und die pro Henne verfügbare Nestfläche. Die Anforderungen der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung werden in den Ausführungshinweisen Legehennen (Stand: 2020) im Handbuch Tierschutzüberwachung in Nutztierhaltungen weiter konkretisiert.

Tierschutzrelevante Probleme

Brustbeinschäden bis hin zu Brustbeinfrakturen stellen ein großes tierschutzrelevantes Problem bei Legehennen dar und gehen mit unmittelbaren und teilweise langfristigen Schmerzen sowie eingeschränkter Mobilität einher. Für Brustbeinschäden ist keine einzelne spezifische Ursache auszumachen, vielmehr stellt ihr Auftreten einen Krankheitskomplex dar, dem unterschiedliche Faktoren ursächlich zu Grunde liegen können. Bei der Verbesserung der Situation muss der Fokus auch auf die Positionierung und das Design von Sitzstangen gelegt werden. Beim Anflug der Stangen sowie beim Verlassen darf keine erhöhte Verletzungsgefahr für die Hennen bestehen. Das Verletzungsrisiko steigt, wenn Legehennen Distanzen von über 80 cm in vertikaler, horizontaler oder diagonaler Richtung überwinden müssen, um eine andere Sitzstange zu erreichen oder zu verlassen. Dasselbe gilt für An- und Abflugwinkel über 45° (EFSA Journal 2015; 13(6):4131). Als optimalen Schwellenwert für Abwärtssprünge auf Sitzstangen ermittelten Scholz et al. (2014) eine vertikale Entfernung von 50 cm und eine Neigung von 34°. Auch die Beschaffenheit der Sitzstangen ist zu beachten. Meist werden aus praktikablen Gründen (robust, kostengünstig) runde Metallrohre bevorzugt eingebaut. Aufgrund ihres Designs und der materiellen Beschaffenheit, können solche Sitzstangen zu Brustbeindeformationen und Abstürzen beitragen. Metallrohre können zudem insbesondere in den Wintermonaten sehr kalt werden. Dies betrifft hauptsächlich die Mobilstallhaltungen. Es gibt aktuell keine konkreten gesetzlichen Vorschriften hinsichtlich Höhe, Neigungswinkel und Materialbeschaffenheit von Sitzstangen, obwohl bekannt ist, dass die Akzeptanz und Attraktivität sowie die Sicherheit für zielgerichtetes Springen bzw. Flattern weitgehend von diesen Faktoren abhängen.
Für die Anrechenbarkeit von sogenannten Anflugblechen als Sitzstangen gilt, dass „Außenkanten von Volieren, Profilbleche/Abdeckungen des Eierkanals oder Anflugstangen vor Nestern oder Sitzstangen auf Kotgruben oder Rosten als Sitzstangen nur anerkannt werden können, wenn sie den angegebenen Abmessungen entsprechen“ (siehe Ausführungshinweise Legehennen). Dies ist u. a. dann der Fall, wenn diese Einrichtungen von den Hennen mit den Zehen umgriffen werden können und die Tiere eine physiologische Ruhestellung einnehmen können.

Die Anforderungen an Nester für Legehennen werden in der TierSchNutztV konkret angegeben. Allerdings hat das LGL bei Stallbegehungen Nester vorgefunden, die zwar den geforderten Abmessungen entsprechen, von den Hennen aber nicht adäquat genutzt werden können. Hier kann es aufgrund von Platzmangel insbesondere zwischen den Funktionsbereichen Eiablage und Nahrungsaufnahme zu Konflikten mit der Folge von tierschutzrelevanten Problemen und wirtschaftlichen Einbußen kommen.

Auch wenn aus Tierschutzsicht als „nicht akzeptabel“ gewertete Haltungseinrichtungen von den Tieren angenommen werden, ist dies kein Nachweis für deren Eignung. Den Hennen bleibt mangels Alternativen oftmals keine andere Möglichkeit als diese zu nutzen. Es gibt für Anflugbleche, Sitzstangenanordnung sowie Nester diverse Alternativen, so dass im Einzelfall ein Umbau gefordert werden kann. Alternativ können die Tierhaltenden die Besatzdichte entsprechend reduzieren, um die Tierzahl an das zur Verfügung stehende, den rechtlichen Anforderungen entsprechende Angebot an Haltungseinrichtungen anzupassen.

Entwicklung

In den letzten beiden Jahren haben sich Amtstierärztinnen und Amtstierärzte verstärkt an das LGL gewandt, um sich über die Anrechenbarkeit der eingebauten Haltungseinrichtungen und die in der Folge zulässige Besatzdichte zu informieren. In diesem Zusammenhang wurden 43 Anfragen beantwortet. Das LGL hat auch bei Begehungen vor Ort die Veterinärämter bei der Einschätzung im Einzelfall unterstützt.

Fazit

Gemäß § 13 a (1) TierSchG ist die Bundesregierung dazu ermächtigt, per Rechtsverordnung Anforderungen an freiwillige Prüfverfahren für serienmäßig hergestellte Aufstallungssysteme und Stalleinrichtungen zum Halten von Nutztieren zu erlassen, um nachzuweisen, dass diese mindestens die gesetzlichen Anforderungen erfüllen (sog. Stallbau-TÜV). Dies ist bisher nicht geschehen und führt in der Praxis dazu, dass Systeme vertrieben werden, in denen die rechtlichen Vorgaben z. B. an die Nester und Sitzstangen nur eingehalten werden können, wenn die vom Hersteller angegebene Besatzdichte reduziert wird.

Literaturverzeichnis

  • EFSA Journal (2015). Scientific Opinion on welfare aspects of the use of perches for laying hens. EFSA Panel on Animal Health and Animal Welfare (AHAW). 13(6):4131. DOI:https://doi.org/10.2903/j.efsa.2015.4131 (https://doi.org/10.2903/j.efsa.2015.4131) (Datum des letzten Zugriffs: 10.02.2023).
  • Scholz B, Kjaer JB, Schrader L (2014). Analysis of landing behaviour of three layer lines on different perch designs, British Poultry Science, 55:4, 419-426, DOI: 10.1080/00071668.2014.933175.