Pressemitteilung

29.11.2024
Nr. 42/2024

Gesundheit

Forschungsprojekt weist Schluckimpfstoff-abgeleitete Polioviren im Münchner Abwasser nach - LGL empfiehlt Überprüfung des Impfschutzes

Im Rahmen eines bundesweiten Forschungsprojektes wurden in München sowie in drei weiteren Städten in Deutschland Schluckimpfstoff-abgeleitete Polioviren im Abwasser nachgewiesen. Eine konkrete Gesundheitsgefahr für die Bevölkerung besteht aktuell nicht. Dem Bayerischen Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) wurden bayernweit bisher keine Polio-Erkrankungs- oder Verdachtsfälle gemeldet und auch deutschlandweit sind keine Fälle oder Verdachtsfälle bekannt. Dennoch weist das LGL vorsorglich auf die Einhaltung der Polio-Impfempfehlung der Ständigen Impfkommission (STIKO) hin, denn diese Viren könnten bei unzureichend geimpften Personen Krankheitssymptome verursachen und für Ungeimpfte sogar gefährlich werden. Die in Deutschland genutzte Polioimpfung ist sicher und wirksam. Zusätzlich wurde die Ärzteschaft sensibilisiert, um bei entsprechenden Symptomen auch die Diagnose „Polio“ zu berücksichtigen. Neben der generellen Empfehlung einer guten Händehygiene sind keine besonderen Hygienemaßnahmen im Alltag erforderlich.
 
Die oben genannten Abwasserproben wurden vom Tropeninstitut der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) entnommen und am Nationalen Referenzzentrum für Poliomyelitis und Enteroviren am Robert Koch-Institut (RKI) sequenziert. Die Abwasserdiagnostik dient als Frühwarnsystem. Bei dem dort erbrachten Nachweis handelt es sich um abgeschwächte Polioimpfviren, die ursprünglich aus dem Polio-Lebendimpfstoff (Schluckimpfung) stammen und sich genetisch verändert haben. Dies erfolgte, nachdem sie von mit Polio-Lebensimpfstoff geimpften Personen ausgeschieden wurden und weiter zirkuliert sind. Andere Personen können sich nun mit diesen veränderten Viren infizieren. Bei fehlendem Impfschutz können sie Krankheitssymptome verursachen. Ein Großteil der Infektionen verläuft mild oder ohne Symptome, ungeimpfte oder nicht ausreichend geimpfte Personen können jedoch an Poliomyelitis („Kinderlähmung“) erkranken. Polio-Lebendimpfstoffe werden in Deutschland seit dem Jahr 1998 nicht mehr verwendet, stattdessen ein inaktivierter Polio-Impfstoff (IPV), der in der Regel als Injektion in den Muskel gegeben wird. Weltweit finden Schluckimpstoffe gegen Polio jedoch, unter anderem aufgrund ihrer schnellen Wirksamkeit, vor allem in der Ausbruchsbekämpfung weiterhin Anwendung. 
 
Die STIKO empfiehlt die Impfung gegen Poliomyelitis bereits im Säuglings- und Kleinkindalter. Nach den STIKO-Empfehlungen gelten Personen als vollständig immunisiert, die eine Grundimmunisierung (bestehend aus 3 Impfungen im Alter von 2, 4 und 11 Monaten) und mit 9-16 Jahren eine Auffrischungsimpfung erhalten haben. Bei Jugendlichen und Erwachsenen, die zu einem späteren Zeitpunkt grundimmunisiert wurden, sollte eine Auffrischungsimpfung in der Regel 10 Jahre nach Abschluss der Grundimmunisierung verabreicht werden. Die STIKO empfiehlt bei Personen mit fehlender oder unvollständiger Immunisierung gegen Poliomyelitis die jeweils fehlenden Impfstoffdosen nachzuholen. Nutzen Sie zur Überprüfung und ggf. Vervollständigung Ihres Impfschutzes und des Impfschutzes Ihrer Kinder das Angebot der Kinder- und Hausärzte und des öffentlichen Gesundheitsdienstes. Weitere Informationen finden sich auf der Homepage des RKI
 
Weiterführende Informationen zu Polio
Europa gilt seit dem Jahr 2002 als frei von Polioerkrankungen, Nachweise von Schluckimpfstoff-abgeleiteten Polioviren im Abwasser wurden mittlerweile auch aus weiteren Ländern Europas gemeldet. Bricht die Erkrankung beim Menschen aus, so gibt es für die betreffende Person keine ursächliche Behandlungsmöglichkeit. Die Erkrankung zeichnet sich im schlimmsten Fall durch schwere Lähmungen unter anderem von Beinen, Armen und Atmungsorganen aus und kann bleibende Schäden hinterlassen oder zum Tod führen. Effektiven Schutz vor einer Erkrankung bietet hingegen die Impfung. 


Über das LGL
Das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) ist die zentrale Fachbehörde des Freistaats Bayern für Lebensmittelsicherheit, Gesundheit, Veterinärwesen und Arbeitsschutz/Produktsicherheit. Als interdisziplinäre, wissenschaftliche Fachbehörde verfolgt das LGL in seinem Handeln stets den „One-Health-Ansatz“ – denn nur gesunde Tiere liefern gesunde Lebensmittel, und nur eine gesunde Umwelt ermöglicht körperliches, geistiges und soziales Wohlergehen.
Daher sind am LGL verschiedene Fachgebiete bewusst unter einem Dach vereint. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kommen z. B. aus der Human- und Veterinärmedizin, der Lebensmittelchemie, aus den verschiedenen Ingenieurswissenschaften, der Physik, der Psychologie, der Ernährungswissenschaft, der Chemie oder Biologie. Sie arbeiten über Fachgrenzen hinweg zusammen und betrachten Sachverhalte aus verschiedenen Blickwinkeln.