- Startseite >>
- Lebensmittel >>
- Chemie >>
- Toxische Reaktionsprodukte >>
- Acrylamid
Acrylamid in Kartoffelchips
Abstract
Das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) untersuchte 2023 in einem Schwerpunktprogramm Kartoffelchips und vergleichbare Kartoffelsnacks auf Acrylamid. Acrylamid gilt als potenziell krebserregend und bildet sich bei der Zubereitung der Kartoffelchips während der Erhitzung. In den Untersuchungen am LGL wurde eine große Spannweite des Acrylamidgehalts in den verschiedenen Produktgruppen festgestellt. Der überwiegende Anteil der industriell gefertigten Produkte lag im Gehalt aber sehr deutlich unterhalb des EU-weit gültigen Richtwerts. Nur die Gehalte zweier Bio-Produkte überschritten ihn. Anders sieht die Belastung von handwerklich hergestellten Kartoffelchips aus, die beispielsweise auf Jahrmärkten zubereitet und verkauft werden. Hier überschritten die Gehalte bei 4 von 5 Proben den Richtwert. Die Hersteller sind nun verpflichtet, ihren Herstellungsprozess zu optimieren, um den Acrylamidgehalt in ihren Produkten zu senken. Für Verbraucherinnen und Verbraucher ergab sich hinsichtlich der festgestellten Acrylamidgehalte noch keine konkrete Gesundheitsgefahr.
Abbildung 1: Verschiedene Chipssorten im Blick. Oben beginnend im Uhrzeigersinn: herkömmliche Kartoffelchips, handwerklich hergestellte Kartoffelchips, geriffelte Ofenchips, Kesselchips, Riffelchips; in der Mitte: Stapelchips
Hintergrund
Kartoffelchips gelten im Allgemeinen als ungesunder Snack, von dem man – wenn man doch nur könnte – die Finger lassen sollte. Gründe dafür sind ein hoher Fett- und Salzgehalt und unerwünschte Stoffe, die während der Herstellung gebildet werden können. Einer dieser Stoffe ist Acrylamid. Es bildet sich unter bestimmten Voraussetzungen bei starker Erhitzung von kohlenhydrat- und eiweißreichen Lebensmitteln. Asparagin und reduzierende Zucker, die Ausgangsstoffe dieser chemischen Reaktion, sind in Kartoffeln in vergleichsweise hoher Konzentration enthalten, sodass die Gefahr der Acrylamidbildung hier besonders hoch ist. Wer den Verzehr von Kartoffelsnacks nicht ganz aufgeben möchte, fragt sich möglicherweise, welche Produkte noch ohne Bedenken verzehrt werden können und welche man tunlichst vermeiden sollte. Um einen Überblick über die aktuelle Acrylamidbelastung bei Kartoffelchips zu geben und verschiedene Produktgruppen im Jahr 2023 zu vergleichen, untersuchte das LGL 67 Proben Kartoffelchips und vergleichbarer Snacks auf Kartoffelbasis bezüglich Acrylamid.
Wie hoch der Acrylamidgehalt sein darf, wird EU-weit in Verordnung (EU) 2017/2158 geregelt. Für Kartoffelchips und andere vergleichbare Kartoffelknabbererzeugnisse gilt dabei ein Richtwert von 750 µg/kg. Hersteller dieser Produkte sind verpflichtet, bestimmte Maßnahmen bei der Produktion zu ergreifen, um den Richtwert einzuhalten. Wird der Richtwert von einem Produkt überschritten, müssen die Maßnahmen überprüft und angepasst werden, um den Acrylamidgehalt zu reduzieren.
Ergebnisse
Im Handel sind neben den klassischen Kartoffelchips auch andere Varianten vertreten. Kesselchips, die in den vergangenen Jahren an Marktrelevanz gewonnen haben, werden aus ungeschälten Kartoffeln hergestellt, sind meist dicker als normale Kartoffelchips und loben eine schonende Zubereitung im Kessel aus. Daneben gibt es geriffelte Kartoffelchips und in dünne Streifen geschnittene Kartoffelsticks, die ebenfalls direkt aus Kartoffeln hergestellt werden. Andere Produkte werden aus Kartoffelteig oder -mehl hergestellt, darunter Stapelchips, gepuffte Erzeugnisse oder im Ofen zubereitete Ofenchips. Alle diese Produkte findet man im Handel in den verschiedensten Geschmacksrichtungen.
Aus jeder dieser Produktgruppen untersuchte das LGL Stichproben. Dabei wurde versucht, sowohl Markenprodukte als auch Discounter- und Bioprodukte unter die Lupe zu nehmen. Hinsichtlich der Geschmacksrichtung wurde keine Einschränkung vorgenommen. Einige Produktgruppen zeigten nur eine geringe Markenvielfalt oder wurden nur in geringer Anzahl untersucht, sodass die statistische Aussagekraft hier nur begrenzt ist. Für die wichtigsten Chipssorten gibt Abbildung 2 einen vergleichenden Überblick über die Verteilung der festgestellten Acrylamidgehalte:
Abbildung 2: Verteilung der Acrylamidgehalte in verschiedenen, industriell hergestellten Chipssorten. Einzelwerte sind als Punkte dargestellt, der Median als horizontale Linie und der Mittelwert ist mit einem x gekennzeichnet. Der Kasten markiert den Bereich in dem sich der Großteil der Daten befindet. Nach oben und unten ist der erweiterten Streubereich als vertikale Linie abgebildet. Außerhalb dieser Linie befindliche Einzelwerte gelten als statistische Ausreißer. Der Acrylamidrichtwert ist mit einer roten Line gekennzeichnet, die roten Pfeile markieren die beiden oberhalb des Richtwerts liegenden Proben.
97 Prozent der industriellen Kartoffelchips halten den Richtwert ein
Deutlich wird dabei die große Spannweite innerhalb der verschiedenen Chipssorten. In allen Produktgruppen gibt es Kartoffelchips mit niedrigem Acrylamidgehalt, keine einzige Probe war jedoch frei von Acrylamid. Durch geeignete Maßnahmen lässt sich der Acrylamidgehalt folglich zwar auf ein Minimum reduzieren, ganz vermeiden lässt sich die Bildung jedoch nicht. Unter den industriell hergestellten Chips wurde eine Überschreitung des Richtwerts von 750 µg/kg nur in zwei Fällen festgestellt. In einer Probe herkömmlicher Kartoffelchips ermittelte das LGL einen Acrylamidgehalt von 857 µg/kg. Eine noch deutlichere Überschreitung des Richtwerts stellte das LGL bei einer Probe Stapelchips mit einem Gehalt von 983 µg/kg fest. In beiden Fällen handelte es sich um Bio-Produkte. Ob Bio-Produkte insgesamt stärker mit Acrylamid belastet sind, lässt sich anhand der vorliegenden Daten aber nicht mit Sicherheit sagen. Alle sonstigen Proben aus industrieller Herstellung hielten den Richtwert ein. Das entspricht einer erfreulichen Quote von 97%. Die überwiegende Mehrheit unterschritt den Richtwert sogar deutlich.
Aufgrund der großen Streuung innerhalb der einzelnen Produktgruppen lassen sich zwischen den verschiedenen Sorten Unterschiede nur grob abschätzen. Im Vergleich zu herkömmlichen Kartoffelchips zeigten Kesselchips einen nur geringfügig niedrigeren Acrylamidgehalt. Das langsame Rösten im Kessel ist somit kein Garant für niedrige Acrylamidwerte. Auch Riffelchips unterschieden sich nicht deutlich von herkömmlichen Kartoffelchips und Kesselchips. Die durch die Riffelung vergrößerte Oberfläche zeigte keinen negativen Einfluss.
Die aus Kartoffelteig oder -mehl hergestellten Knabberprodukte wiesen insgesamt niedrigere Acrylamidwerte auf als die aus rohen Kartoffeln hergestellten Produkte. Der Maximalgehalt der Ofenchips betrug 234 µg/kg. Die geringere Markenvielfalt darf hier jedoch nicht außer Acht gelassen werden. Auch die niedrigen Gehalte der untersuchten Stapelchips bestätigen diesen Trend (vgl. Abbildung 2). Als einzige Ausnahme fallen hier die bereits erwähnten Bio-Stapelchips auf, die verdeutlichen, dass auch in dieser Produktgruppe unter ungünstigen Bedingungen hohe Gehalte erreicht werden.
Handwerklich hergestellte Chips teils stark belastet
Neben Proben aus dem Handel untersuchte das LGL auch eine kleine Anzahl an handwerklich hergestellten Kartoffelchips, wie sie beispielsweise auf Volksfesten oder Weihnachtsmärkten an Verkaufsständen angeboten werden. Von den fünf im Jahr 2023 untersuchten Proben hielt nur eine Probe den Acrylamidrichtwert der Verordnung (EU) 2017/2158 von 750 µg/kg ein. Vier von fünf Proben überschritten den Richtwert, zum Teil sehr deutlich. In der Probe mit dem höchsten Acrylamidgehalt betrug dieser 3.584 µg/kg.
Handwerklich hergestellte Kartoffelchips weisen somit im Gegensatz zu industriell gefertigten Kartoffelsnacks einen weit höheren Acrylamidgehalt auf. Oft korrelierte der hohe Acrylamidgehalt auch mit dem Bräunungsgrad der Kartoffelchips. Mehrere der handwerklich hergestellten Kartoffelchips fielen durch eine teilweise dunkle Bräunung auf. Zur Reduzierung von Acrylamid wird eine helle, goldgelbe Bräunung empfohlen.
Für kleine Einzelhandelsbetriebe sieht die Verordnung (EU) 2017/2158 weniger umfangreiche Minimierungsmaßnahmen zur Reduktion von Acrylamid vor. Außerdem sind Eigenkontrollen hier nicht verpflichtend. Werden die Richtwerte jedoch überschritten, müssen weitere Maßnahmen getroffen oder bestehende Maßnahmen optimiert werden, um für Acrylamidgehalte unterhalb der Richtwerte zu sorgen. Die Untersuchungen des LGL sind damit ein wichtiger erster Schritt, um auch für diese Nischenprodukte die Acrylamidminimierung voranzutreiben. Auf die dringende Notwendigkeit dieser wies das LGL in seinen Gutachten hin.
Fazit
Die Ergebnisse zeigen, dass Acrylamid in Kartoffelchips nach wie vor relevant ist. Es ließ sich in allen am LGL untersuchten Proben nachweisen, die Spannweite der Ergebnisse ist jedoch sehr groß. Industrielle Hersteller scheinen aber ihre Herstellungsprozesse weitestgehend gut im Griff haben, da 97 % der am LGL untersuchten Proben aus industrieller Herstellung den EU-weit gültigen Richtwert einhielten. Überschreitungen des Richtwerts gab es für zwei Produkte.
Anders sieht das Bild bei handwerklich hergestellten Kartoffelchips aus. Überschreitungen des Richtwerts wurden in vier von fünf Fällen festgestellt. Die Acrylamidgehalte waren zum Teil sehr hoch. Eine akute Gesundheitsgefahr besteht selbst in diesen Fällen jedoch nicht. Anhand aktueller toxikologischer Beurteilungskriterien lässt sich noch kein konkretes chronisches Gesundheitsrisiko ableiten, insbesondere da handwerklich hergestellte Kartoffelchips in der Regel nicht regelmäßig, sondern nur bei bestimmten Anlässen, etwa auf Jahrmärkten, verzehrt werden. Vor dem Hintergrund der ohnehin bestehenden ernährungsbedingten Acrylamidaufnahme von Verbraucherinnen und Verbrauchern ist eine Reduktion der hier festgestellten Acrylamidgehalte aber dennoch angezeigt.
Verbraucherinnen und Verbraucher sollten ihren Verzehr von Kartoffelchips und anderen Kartoffelsnacks auf ein vernünftiges Maß reduzieren. Im Ofen gebackene Kartoffelsnacks oder Stapelchips auf Basis von Kartoffelmehl oder -teig können eine bessere Alternative zu aus frischen Kartoffeln hergestellten Produkten sein. Auch der gelegentliche Verzehr von handwerklich hergestellten Kartoffelchips ist bei sonst abwechslungsreicher und gesunder Ernährung zu vertreten. Dabei sollte darauf geachtet werden, dass die Kartoffelchips eine helle bzw. goldgelbe Bräunung aufweisen. Gleiches gilt auch für die Zubereitung zu Hause.
Gemüsechips aus beispielsweise Süßkartoffel, Pastinake oder roter Beete sind in Bezug auf Acrylamid keine gute Alternative zu Kartoffelchips (Jahresbericht 2021/22: Acrylamid – Kontrolle der Richtwerte durch Erfassung von Herstellermaßnahmen) . Hier wurden zumeist deutlich höhere Acrylamidgehalte festgestellt, wie aus dem Bericht zum deutschlandweiten Lebensmittel-Monitoring 2021 des Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) hervorgeht [1]. Eine sinnvolle Alternative zu Kartoffelknabbererzeugnissen können dagegen Tortilla-Chips auf Maisbasis sein. Ergebnisse des LGL aus dem Jahr 2022 zeigen Gehalte von maximal 214 µg/kg.
Maßnahmen und Ausblick
Werden am LGL Überschreitungen der Acrylamid-Richtwerte festgestellt, wird die örtlich zuständige Lebensmittelüberwachung über die Notwendigkeit der Acrylamidminimierung informiert. Es ist dann die Pflicht der Hersteller, geeignete Maßnahmen zu ergreifen. Für bayerische Hersteller gibt das LGL dabei eine Checkliste an die Hand, die dazu dienen soll, kritische Verfahrensschritte zu erkennen und Optimierungsmöglichkeiten aufzuzeigen. Nach angemessener Wartezeit wird in der Regel eine Nachuntersuchung durchgeführt. Im Falle von handwerklich hergestellten Kartoffelchips konnte hier bereits ein erster Erfolg verzeichnet werden. Einem Hersteller gelang es durch Optimierung der Prozesse den Gehalt aus dem Vorjahr bei einer Nachuntersuchung 2023 auf unter ein Drittel des Vorjahreswert zu verringern. Das LGL wird die Entwicklung insbesondere bei handwerklich hergestellten Kartoffelchips auch weiterhin im Auge behalten.
Literaturverzeichnis
[1] Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL); Monitoring 2021; BVL-Report – Berichte zur Lebensmittelsicherheit