Gesundheitliche Beurteilung von Pflanzenschutzmittelrückständen über die Ausschöpfung der akuten Referenzdosis (ARfD)

Die akute Referenzdosis (ARfD) ist von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) definiert als diejenige Substanzmenge pro kg Körpergewicht, die über die Nahrung mit einer Mahlzeit oder innerhalb eines Tages ohne erkennbares Risiko für den Verbraucher aufgenommen werden kann. Sie wird nur für solche Stoffe festgelegt, die aufgrund ihrer akuten Toxizität schon bei einmaliger oder kurzzeitiger Exposition gesundheitliche Schädigungen hervorrufen können. In der Regel wird der ARfD-Wert aus der höchsten in Tierversuchen experimentell ermittelten Dosis ohne erkennbare schädliche Wirkung (No Observed Adverse Effect Level; NOAEL) unter Einrechnung eines Sicherheitsfaktors von 100 abgeleitet.

Mit dem prozentualen Ausschöpfungsgrad der akuten Referenzdosis lässt sich ein potenzielles gesundheitliches Risiko beim einmaligen Verzehr einer hohen Menge von Obst oder Gemüse während einer Mahlzeit bzw. an einem Tag zahlenmäßig erfassen und vergleichen. Ein Ausschöpfungsgrad der ARfD von mehr als 100 % bedeutet nicht zwangsläufig eine konkrete Gesundheitsgefährdung, sondern er zeigt an, dass ein mögliches Risiko mit der geforderten Sicherheit nicht mehr auszuschließen ist.

Die Berechnungen zur Ausschöpfung der ARfD werden im Regelfall mit Verzehrsdaten für Kinder unter Berücksichtigung ihres Körpergewichtes vorgenommen, weil hier das Verhältnis von Nahrungsaufnahme zum Körpergewicht am ungünstigsten ist. Diese Berechnungsbasis ist sinnvoll, denn Kinder haben einen nicht voll entwickelten und wesentlich empfindlicheren Organismus als Erwachsene und gelten deshalb als erheblich anfälliger für Schadstoffeffekte. Sie stellen insofern eine bevorzugte Betrachtungsgruppe bei toxikologischen Abschätzungen dar.

Die Abschätzung des Ausschöpfungsgrades der akuten Referenzdosis ist ein konservatives Modell, das lediglich eine Aussage darüber erlaubt, ob eine Gesundheitsgefährdung möglich ist. Es liefert aber keine Anhaltspunkte, mit welcher Wahrscheinlichkeit ein entsprechendes Risiko eintreten kann. Man geht bei solchen Berechnungen immer von möglichst ungünstigen Voraussetzungen aus. Dazu gehören die Berücksichtigung der Gruppe der Kinder und die Annahme der erfahrungsgemäß höchsten Verzehrsmenge eines Lebensmittels während einer Mahlzeit. Außerdem erfolgt bei großstückigen Produkten zusätzlich die Multiplikation mit dem Variabilitätsfaktor drei bis sieben, um mögliche höhere Belastungen von Einzelstücken gegenüber der untersuchten Mischprobe zu erfassen. Bei einer Bewertung bleibt auch unberücksichtigt, dass Rückstandsuntersuchungen an ungewaschenen, nicht geputzten oder nicht geschälten Lebensmitteln durchgeführt werden. Solche im Alltag üblichen Maßnahmen bewirken in vielen Fällen eine Reduktion der Rückstände.

Trotz dieser Worst-Case-Betrachtungen sind sich die mit dieser Problematik befassten Wissenschaftler und Behörden einig, dass das mit einer vollständigen Ausschöpfung des ARfD-Wertes einhergehende höhere Gefährdungspotenzial nicht akzeptiert werden kann und derartige Ware deshalb vom Markt genommen werden muss. Parallel dazu werden die Informationen über die betroffenen Erzeugnisse in das europäische Schnellwarnsystem (RASFF) eingespeist, damit in allen Mitgliedsstaaten angelieferte Ware eines solchen Produktes verfolgt und vernichtet werden kann.

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