Blutuntersuchung von Säuglingen und Kleinkindern in Altötting

Eltern von Kindern unter 7 Jahren, die in den betroffenen Gemeinden des Landkreises Altötting leben, erhielten die Möglichkeit, den Blutgehalt von PFOA und weiteren PFT im Blut ihres Kindes nach einer Beratung bei ihrem Haus- oder Kinderarzt/-ärztin messen zu lassen. Von dem ursprünglichen Untersuchungsangebot an <7Jährige machten zusätzlich 7 Kinder im Alter von 7-8 Jahren Gebrauch, die in die vorliegende Auswertung einbezogen wurden. Dabei entnahmen die niedergelassenen Kinderärzte nach dem Beratungsgespräch Blutproben und übermittelten diese an das Gesundheitsamt Altötting. Von allen Eltern lag eine Einverständniserklärung zur Untersuchung vor. Die Analytik auf 8 perfluorierte Verbindungen und das Ersatzprodukt ADONA erfolgte anonym im LGL.

Ergebnisse

Insgesamt wurde das Blut von 47 Kindern (28 Mädchen und 19 Jungen) im Alter zwischen 3 und 95 Monaten untersucht. In der Tabelle 1 sind die Ergebnisse für die Gesamtgruppe dargestellt. Während einige perfluorierte Substanzen gar nicht bzw. nur in einigen Proben oder in geringen Konzentrationen nachgewiesen werden konnten, wurde aufgrund der zurückliegenden Belastung des Trinkwassers erwartungsgemäß eine auffällige Belastung mit PFOA nachgewiesen.

Tab. 1: Perfluorierte Substanzen in Blutproben aus dem Belastungsgebiet des Landkreises Altötting in µg/l
PFOS PFOA PFHxS PFNA PFDA PFDoA PFHxA PFBS ADONA
N 47 47 47 47 47 47 47 47 47
N>BG 46 47 33 35 17 0 1 0 0
Minimum <0,25 2,45 <0,25 <0,25 <0,25        
Mittelwert 1,53 20,40 0,48 0,53 0,44        
Median 1,51 18,56 0,43 0,49 0,35        
95. Perzentil 2,82 43,44 0,80 0,97 0,88        
Maximum 3,52 71,22 1,78 1,70 1,01   0,28    
BG: Bestimmungsgrenze (= 0,25 µg/l Blutplasma); PFOS: Perfluoroctansulfonsäure, PFOA: Perfluoroctansäure, PFBS: Perfluorbutansulfonsäure, PFHxA: Perfluorhexansäure, PFHxS: Perfluorhexansulfonsäure, PFNA: Perfluornonansäure, PFDA: Perfluordecansäure, PFDoA: Perfluordodecansäure, ADONA: Perfluoro-4,8-dioxa-3H-nonansäure

 

In der Tabelle 2 sind die Ergebnisse für die jeweiligen Altersgruppen dargestellt. Während bei den untersuchten 0 - 12 Monate alten Kindern niedrige PFOA-Werte beobachtet wurden, stiegen die mittleren Gehalte bis zum Alter von >48 – 72 Monaten kontinuierlich bis zu 24,65 μg/l an und fielen in der Gruppe der >72 - 96 Monate alten Kinder wieder leicht auf 18,94 μg/l ab. In der Hauptuntersuchung im Jahr 2018 lagen die Gehalte von 7 Kindern im Alter von 7 – 8 Jahren bei 25,40 μg/l.

Tab. 2: Perfluorierte Substanzen in Blutproben von Kindern aus dem Belastungsgebiet des Landkreises Altötting geordnet nach Altersgruppen in µg/l
Alter (Monate) Anzahl PFOS
Mittelwert (Min-Max)
PFOA
Mittelwert (Min-Max)

0-12

6

1,38 (<0,25-2,51)

12,49 (2,85-28,67)

>12-24

6

1,27 (0,42-2,14)

19,24 (7,93-10,44)

>24-48

13

1,54 (0,54-3,52)

21,82 (2,45-71,22)

>48-72

15

1,77 (0,86-3,52)

24,65 (2,60-48,84)

>72-96

7

1,61 (0,96-2,93)

18,94 (12,40-31,72)

Im Vergleich zu den Kindern lagen die mittleren PFOA-Konzentrationen in der zurückliegenden Hauptuntersuchung bei Personen im Alter zwischen 7 und 85 Jahren bei 24,64 µg/l bzw. in der Untergruppe der gebärfähigen Frauen im Mittel bei 14,04 µg/l.

Zu Messungen von PFOA im Blut von Kindern liegen weltweit nur wenige Ergebnisse vor. So wurde bei Kindern aus München im Alter von 6 Monaten Gehalte im Mittel von 8,0 μg/l und im Alter von 19 Monaten von 5,1 μg/l gefunden (Fromme et al. 2010). Auf den Färöer-Inseln wurden mediane Gehalte von 8,2 μg/l (11 Monate), 6,1 μg/l (18 Monate) und 3,8 μg/l (60 Monate) gemessen (Mogensen et al. 2015). In einer umfangreichen Untersuchung im Umfeld eines PFOA-Produzenten in den USA (mit hohen Trinkwasserbelastungen) lagen die Mittelwerte bei 33,7 μg/l (24 Monate), 42,8 μg/l (36 Monate), 38,0 μg/l (48 Monate), 37,3 μg/l (60 Monate), 39,1 μg/l (72 Monate) und 37,1 μg/l (84 Monate) (Mondal et al. 2012). Das Verhältnis der PFOA-Konzentrationen im mütterlichen zu denen im kindlichen Blut lag in diesem Fall bei 1,3 bis 1,5.

Die Gehalte der perfluorierten Substanzen im Blut der Kinder aus dem Belastungsgebiet sind, außer für PFOA, im Vergleich zu den Ergebnissen aus anderen bayerischen Regionen unauffällig. Alle PFOS-Ergebnisse liegen unter dem von der Human-Biomonitoring-Kommission abgeleiteten Vorsorgewert von 5 μg/l. Die gemessenen Werte der perfluorierten Substanzen sind als nicht gesundheitsgefährdend anzusehen. Die Konzentrationen an ADONA, dem PFOA-Ersatzprodukt, liegen für alle Kinder unter der Bestimmungsgrenze des analytischen Verfahrens.

Bewertung

Wie aufgrund der bis vor kurzem noch teilweise erhöhten Trinkwasserwerte zu erwarten war, ist der Gehalt der Blutprobe an PFOA gegenüber der von Kindern aus Regionen ohne eine bekannte PFOA-Quelle erhöht und überschreitet den HBM-I-Wert.

Der HBM-I-Wert stellt nach Einschätzung der Human-Biomonitoring-Kommission am Umweltbundesamt eine Grenze dar, ab der vermehrte Vorsorgeanstrengungen angezeigt sind. Eine Überschreitung des HBM-I-Wertes ist jedoch nicht mit einer Gesundheitsgefahr gleichzusetzen, sondern sollte Anlass sein, die Ursache der Belastung zu ermitteln und zu minimieren. Erst ab dem HBM-II-Wert schlägt die Kommission vor, Betroffenen eine umweltmedizinische Beratung anzubieten, da bei dessen Überschreitung gesundheitliche Risiken nicht mehr mit der nötigen Sicherheit ausgeschlossen werden können. Dieser zweite Wert konnte für PFOA bisher nicht abgeleitet werden, da die wissenschaftliche Diskussion hier noch nicht abgeschlossen ist.

Maßnahmen

Vorrangig ist die Sanierung des Trinkwassers als Hauptquelle. Die dazu bereits ergriffenen Maßnahmen müssen auch in Zukunft konsequent beibehalten werden.

Da PFOA sich im Körper nicht verändert und nur langsam mit einer Halbwertszeit von ca. drei Jahren wieder ausgeschieden wird, nimmt die Abnahme der Blutwerte längere Zeit in Anspruch. Wir rechnen damit, dass sich die PFOA-Werte in der Region im Verlauf der kommenden Jahre an die übliche Hintergrundbelastung angleichen werden. Eine wirksame und sinnvolle medizinische Maßnahme zur Beschleunigung dieses Prozesses ist derzeit nicht bekannt.

Literatur

  • Fromme, H., C. Mosch, M. Morovitz, I. Alba-Alejandre, S. Boehmer, M. Kiranoglu, F. Faber, I. Hannibal, O. Genzel-Boroviczeny, B. Koletzko and W. Völkel (2010). "Pre- and postnatal exposure to perfluorinated compounds (PFCs)." Environ. Sci. Technol. 44(18): 7123-7129.
  • Mondal, D., M. J. Lopez-Espinosa, B. Armstrong, C. R. Stein and T. Fletcher (2012). "Relationships of perfluorooctanoate and perfluorooctane sulfonate serum concentrations between mother-child pairs in a population with perfluorooctanoate exposure from drinking water." Environ Health Perspect 120(5): 752-757.
  • Mogensen, U. B., P. Grandjean, F. Nielsen, P. Weihe and E. Budtz-Jorgensen (2015). "Breastfeeding as an Exposure Pathway for Perfluorinated Alkylates." Environ. Sci. Technol. 49(17): 10466-10473.