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Arzneimittelsicherheit
Prof. Dr. Oliver Schöffski, MPH, Lehrstuhl für Gesundheitsmanagement, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU):
Hintergrund und Ziel
Unerwünschte Arzneimittelereignisse (UAE) sind sowohl mit medizinischen als auch mit ökonomischen Problemen verbunden. Laut Literatur sind etwa 5% aller Hospitalisierungen auf UAE zurückzuführen. Das Ziel dieser Untersuchung war, UAE zu identifizieren, die zu einer stationären Aufnahme führen und die daraus resultierenden Krankenhauskosten zu quantifizieren.
Methodik
In diese prospektive Beobachtungsstudie wurden erwachsene, nicht-traumatische Patienten, die sich während 3 Studienphasen konsekutiv in der Zentralen Notaufnahme (ZNA) des Klinikums Fürth, ein Schwerpunktversorger mit 746 Betten, vorstellten, konsekutiv eingeschlossen.
Sämtliche Patientenakten wurden durch ein interdisziplinäres Team, bestehend aus Fachärzten für Innere Medizin und klinische Pharmakologie sowie Pharmazeuten, geprüft, bis ein UAE (definiert als Unerwünschte Arzneimittelreaktion und Medikationsfehler) konsensuell identifiziert und charakterisiert werden konnte. Dabei wurden auch Wahrscheinlichkeit, Schweregrad, Vorhersehbarkeit und Vermeidbarkeit nach international anerkannten Scores bewertet. Für die Patienten, bei denen ein UAE mit großer Wahrscheinlichkeit den stationären Aufenthalt verursacht hat, wurden die §21-Datensätze aus dem Krankenhausinformationssystem (KIS) extrahiert, um die mit der Krankenkasse abgerechneten Krankenhauskosten zu ermitteln. Damit wurden für diese Untersuchung Primärdaten aus der medizinischen Beobachtungsstudie mit Sekundärdaten aus den Abrechnungsdaten miteinander kombiniert und zusammen ausgewertet.
Ergebnisse
Insgesamt wurden 2.262 Patienten (Durchschnittsalter: 62,1 Jahre ±20,2) in der ZNA evaluiert. Bei 369 (16,3%) Patienten (Durchschnittsalter: 72,8 Jahre ±15,8) wurden UAE als ein wesentlicher Aufnahmegrund identifiziert. Für 338 Patienten lagen Kosteninformationen in Höhe von durchschnittlich 2.744€ (Konfidenzintervall: 2.469€ - 3.018€) vor. Durch Hochrechnung der beobachteten Fälle in der durch die ZNA versorgten Population kann in Deutschland mit circa € 2,14 Mrd. (€ 1,92 Mrd. - € 2,35 Mrd.) an jährlichen Krankenhauskosten durch UAE gerechnet werden. Unter Verwendung des Schumock-Fragenkatalogs wurden 211 (57,2%) Fälle mit durchschnittlichen Kosten in Höhe von 2.602€ (Konfidenzintervall: 2.374€ - 2.831€) als vermeidbar eingestuft. Damit ergibt sich ein mögliches Einsparpotenzial von bis zu € 1,20 Mrd. (€ 1,10 Mrd. - € 1,31 Mrd.) allein bei den stationären Aufnahmen. Typische Erscheinungsbilder waren Kreislauferkrankungen (z.B. DRG: F63Z, F62C, F71C) und Komplikationen im gastrointestinalen Bereich (z.B. DRG: G67D, G64B). Vor allem Antithrombotische Mittel (ATC: B01A), Beta-Blocker (C07A) und Antipsychotika (N05A) konnten für den stationären Aufenthalt verantwortlich gemacht werden.
Diskussion
Ambulant verursachte UAE gehen mit hohen stationären Folgekosten einher, deren Vermeidung Ressourcen für das Gesundheitssystem freilegen könnte. Als eine Art „firstline-Provider“ für die typischerweise nicht elektiven UAE-Fälle kommt der ZNA eine zentrale Rolle bei der Erkennung und Implementation von operativen Verbesserungen der Arzneimittelsicherheit zu.